Frage an Bernhard Suttner von Andrea B. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Suttner,
welches Schulkonzept favorisiert denn die ödp? Die dreigliedrige Schule führt ja zur Zeit eher zu mehr Chancenungleichheit als zu mehr Bildung. Was halten sie von einem gemeinsamen Unterricht bis zur 9./10. Klasse? Das würde natürlich eine vernünftige Binnendifferenzierung innerhalb der Klassen erfordern.
Gruß A. Bergmann
Sehr geehrte Frau Bergmann,
die ödp möchte vor allem erreichen, dass möglichst in jeder Klasse eine "zweite Kraft" (Erzieher/in, Sozialpädagoge/Sozialpädagogin, Lehramtsstudent/in im Praktikum etc.) mitwirkt, damit "individuelle Förderung" nicht länger ein Schlagwort bleibt sondern Praxis werden kann. Das ist in vielen Reformschulen und in führenden Bildungsländern (Skandidnavien!) seit langem üblich und würde zu einer wesentlichen Verbesserung der Situation für alle (Kinder, Lehrkräfte und Eltern) führen.
Die ödp will das gegliederte Schulsystem nicht abschaffen, sondern seine Schwächen bekämpfen. Deshalb treten wir für eine "differenzierte Orientierungsstufe" in den Jahrgangsstufen 5 und 6 ein. Konkret sollten Schülerinnen und Schüler mit einer wahrscheinlichen Laufbahn an Realschule und Hauptschule bis einschließlich der 6. Klasse in der "Orientierungsstufe RS/HS" zusammen unterrichtet werden. Kinder mit einer wahrscheinlichen Perspektive Realschule oder Gymnasium sollen die "Orientierungsstufe RS/GYM" besuchen. Jer nach lokaler Raumsituation kann die jeweilige Orientierungsstufe an der Grundschule, der Hauptschule, der Realschule oder am Gymnasium geführt werden. Auf diese Weise würde auch ein Beitrag zur lokalen Entschärfung der Organisationsprobleme (Raumnot an Realschulen bzw. drohende Schließung einer kleinen Hauptschule wegen Schülermangel) geleistet. Viele wichtiger aber ist uns, dass über die Orientierungsstufe der Übertrittsstress entschärft werden kann und die Entscheidung über die Schullaufbahn eines Kindes nicht schon in Klasse 4 der Grundschule fällt sondern weiter nach hinten verlagert wird.
Eine gemeinsame Schulzeit bis zur 9. Klasse findet nach unserer Wahrnehmung nicht die Zustimmung der meisten Eltern und wurde auch innerhalb der ödp nicht befürwortet. Die von Ihnen angesprochene "innere Differenzierung" bei einer so langen gemeinsamen Schulzeit kann meiner Meinung nach nur an sehr großen Schulen gelingen; kleine Schulen im ländlichen Raum könnten dies nicht leisten. Unser Modell einer differenzierten Orientierungsstufe scheint mir hier realisierbarer.