Frage an Bernhard Seidenath von Renate U. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Seidenath,
ich kontaktiere Sie mit Hinblick auf den Artikel "Dachauer Tafel will Flüchtlingen kein Essen geben" aus der SZ vom 13/10/2015.
Wie dem Artikel zu entnehmen ist, haben Sie die Entscheidung Asylbewerber von der Tafel auszuschliessen wie folgt begründet: "Asylbewerber sollten lernen, mit ihrem Geld umzugehen. Wer in Deutschland aufgewachsen sei, könne das. Wer jedoch aus anderen Kulturkreisen komme, müsse das erst üben." (Text des SZ Artikels. Ich habe folgende Fragen zu dieser Aussage:
1. Sehen sie es mit dem Anti-Diskriminierungsverbot vereinbar, Asylbewerber anders zu behandeln als Deutsche. Bekanntermassen lassen die meisten Tafeln Asylbewerber zu.
2. Sehen sie es mit der Menschenwürde, die in Artikel 1 des Grundgesetzes geschützt ist und dem strafrechtlichen Verbot von Beleidigungen vereinbar, Asylbewerbern allgemein zu unterstellen, sie können mit Geld nicht umgehen.
3. Ist ihnen bewusst, dass sie mit ihrer Aussage Ressentiments gegen Asylbewerber schüren.
Ich halte ihre Aussage für mögliche Volksverhetzung, da sie Menschen allgemein diffamiert haben. Ein Einlassung zu ihrer Aussage scheint daher geboten.
Mit freundlichen Grüssen,
Renate Utzschmid
Sehr geehrte Frau Utzschmid,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich bewusst nicht als Abgeordneter des Bayerischen Landtags, sondern als ehrenamtlicher Kreisvorsitzender des Kreisverbands Dachau des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) beantworte:
In dem von Ihnen genannten Artikel bin ich verzerrend und verkürzt zitiert worden. Die Zitate wurden von mir auch nicht autorisiert.
Fakt ist, dass wir uns im BRK Dachau als Träger der Dachauer Tafel vor eineinhalb Jahren - nach der Umstellung der Versorgung von Asylbewerbern in Bayern von Sachleistungen (Essenspaketen) auf Geldleistungen im Sommer 2013 - nach einer entsprechenden Anfrage gemeinsam darauf verständigt hatten, Asylbewerbern im Verfahren keine Berechtigungsscheine für die Tafel auszustellen.
Anerkannte Asylbewerber, also Flüchtlinge im Rechtssinne, sind dagegen berechtigt, in der Dachauer Tafel einzukaufen.
Das Team der rund 100 Ehrenamtlichen der Dachauer Tafel engagiert sich Woche für Woche mit unglaublich großem zeitlichen und körperlichen Einsatz für mehr als 1.200 Bedürftige in unserem Landkreis Dachau.
Unzählige weitere Ehrenamtliche des BRK Dachau setzen sich aufopferungsvoll für Asylbewerber und Flüchtlinge ein, etwa beim Bau von Unterkünften und der Aufstellung von Betten oder bei der Versorgung der Asylbewerber mit Kleidung.
Hintergrund unserer Entscheidung, Asylbewerbern bislang keine Tafel-Berechtigungsscheine auszuhändigen, liegt an dem Grund, aus dem in Bayern vor zwei Jahren von Essenspaketen auf Geldleistungen umgestellt wurde: Die Menschen sollen befähigt werden für ein Leben auf eigenen Füßen in unserem Land. Selbst einkaufen zu können, gehört zur Humanität dazu. Sie wollten schließlich gerade keine Belieferung mit Lebensmitteln mehr, schon gar keine, deren Mindesthaltbarkeitsdatum bald erreicht ist. Hinzu kommt eine befürchtete Überlastung des Teams der Tafel. Derzeit sind rund 1.200 Menschen berechtigt, in der Dachauer Tafel Lebensmittel zu beziehen. Aktuell gibt es ähnlich viele Asylbewerber im Landkreis Dachau: 1.200. Eine Verdoppelung der Zahl der Kunden aber würde weder das Team noch die derzeitige Infrastruktur der Dachauer Tafel bewältigen können.
Da zwei Drittel der Kunden der Dachauer Tafel Ausländer sind, ist klar, dass die Dachauer Tafel schon aktuell Ausländer weder diskriminiert noch Ressentiments gegen Ausländer schürt.
Aufgrund der aktuell intensiven öffentlichen Diskussion wird sich der Vorstand des BRK Dachau in der nächsten Woche in einer außerordentlichen Vorstandssitzung zudem mit der Frage befassen, ob künftig auch Asylbewerber durch die Dachauer Tafel Lebensmittel beziehen können.
So hoffe ich, Ihnen mit diesen Angaben weitergeholfen zu haben, und grüße Sie freundlich
Bernhard Seidenath