Frage an Bernd Siebert von Paul H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Siebert,
seit einiger Zeit interessiert mich die Frage inwiefern der Wehrdienst in der heutigen Form noch als sinnvoll erscheint. Sicherlich war der Wehrdienst verteidigungspolitisch in den 1990er Jahren noch vertretbar gewesen. Doch mit zunehmenden Teilnahmen an Auslandseinsätzen, die ich teilweise auch befürworte, haben sich aus meiner Sicht, neben der eigentlichen Aufgabe der Bundeswehr (Verteidigung), neue entwickelt bzw. sind neue hinzugekommen. Die neuen Aufgaben können sicherlich nur mit gut ausgebildeten Soldaten bewerkstelligt werden. Schließlich hat sich - soweit ich mich erinnere - vor einigen Jahren eine Kommission mit der Thematik "Wehrpflicht" befasst, unter deren Leitung auch der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker angehörte. M.E. ist die Kommission zur Ansicht gelangt, dass die "Wehrgerechtigkeit", wo letztlich jeder wehrfähige eingezogen wird, nicht mehr gegeben ist. Daher meine Frage, ob es nicht Alternativen zur Wehrpflicht, in Form eines sozialen Jahres in unterschiedlichen Bereichen, gibt? Hinzu kommt, dass nunmehr bis auf ein, zwei Nachbarländer Deutschlands die Wehrpflicht ausgesetzt oder gar abgeschafft haben. Weshalb tut sich die deutsche Verteidigungspolitik in Punkt so schwer, sich zu bewegen? Für eine Antwort Ihrerseits bedanke ich mich im Voraus sehr.
Mit freundlichen Grüßen
Paul Hanel
Sehr geehrter Herr Hanel,
ich danke Ihnen für Ihre Anfrage zur Ausgestaltung der Wehrpflicht. Mit Ihrer Frage zeigen Sie Ihr Interesse an der Außen- und Sicherheitspolitik unseres Staates und nehmen Anteil an den Aufgaben unserer Soldatinnen und Soldaten.
Ich stimme Ihnen zu, dass in den letzten Jahren eine Reihe von neuen Aufgaben im Rahmen der Krisen- und Konfliktbewältigung durch die Bundeswehr wahrgenommen wurden. Gleichwohl bleibt festzustellen, dass die Kernaufgabe der Bundeswehr - die Landes- und abgeleitet die Bündnisverteidigung - weiter Bestand hat. Eine verantwortungsvolle zukunftsorientierte Sicherheitsvorsorge muss die sich aus der Wehrpflicht ergebenden Möglichkeiten berücksichtigen. Ein "soziales Jahr" würde zwar ebenso wie die Wehrpflicht den Dienst für die Gemeinschaft beinhalten, den sicherheitspolitischen Anforderungen gleichzeitig aber nicht entsprechen. Die Wehrdienstzeit beträgt derzeit 9 Monate. In dieser Zeit erhält der Grundwehrdienstleistende eine umfangreiche Ausbildung in militärischen Grundfertigkeiten, wird körperlich und geistig gefordert, über rechtliche Grundlagen und sicherheitspolitische Entscheidungen informiert und in einer spezifischen Verwendung ausgebildet und eingesetzt. Viele Wehrdienstleistende entscheiden sich für einen freiwillig längeren Dienst bei der Bundeswehr- sei es einige Monate als Mannschaftsdienstgrad oder als Unteroffizier bzw. Offizier für zunächst 12 Jahre -, weil sie der Teamgeist, die Herausforderungen oder die vielfältigen Ausbildungsmöglichkeiten überzeugt haben. Tatsächlich entbehrt die Annahme, es gäbe derzeit keine Wehrgerechtigkeit, statistischer Grundlagen, da die Quote der Wehrdienstleistenden eines Jahrganges diejenigen Wehrpflichtigen berücksichtigen muss, die aus gesundheitlichen Gründen zurückgestellt wurden oder aufgrund anderer Ausschließungsgründe - laufende Ausbildung o.ä. - ihren Wehrdienst nicht leisten können. Im Übrigen wird auch der demographische Wandel die Quote der Wehrdienstleistenden eines Jahrganges in zunehmendem Maße beeinflussen. Entscheidungen anderer Staaten können für die Diskussion um die Ausgestaltung der Wehrpflicht nur bedingt herangezogen werden. Die Bedeutung der Wehrpflicht in Deutschland ergibt sich aus der besonderen Geschichte Deutschlands ebenso wie aus der Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis oder der Europäischen Union. Durch die Wehrpflicht werden die Streitkräfte vorbehaltlos in die Gesellschaft integriert, das damit im Zusammenhang stehende Konzept vom Staatsbürger in Uniform findet weltweit großes Interesse. Zugleich weisen gerade die Erfahrungen anderer Staaten darauf hin, dass die Abschaffung der Wehrpflicht die Probleme der Nachwuchsgewinnung wie auch die finanziellen Belastungen für den jeweiligen Staatshaushalt deutlich vergrößert.
Die Wehrpflicht in der Bundeswehr ist eine Erfolgsgeschichte. Die CDU/ CSU-Fraktion wird sich daher auch in Zukunft mit ganzer Kraft für ihren Erhalt, aber auch für ihre stetige Weiterentwicklung einsetzen. Ziel ist eine Wehrpflicht, die sicherheitspolitischen Anforderungen gerecht wird und gleichzeitig attraktiv für den Wehrdienstleistenden ist. Ich freue mich, in dieser Angelegenheit den Dialog mit Ihnen fortzusetzen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Bernd Siebert MdB