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Frage von Pascal J. •

Frage an Bernd Siebert von Pascal J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Siebert,

die Regierung plant eine Aenderung des Telemediengesetzes zum Sperren von Internetseiten auf denen kinderpornographisches Material gezeigt wird.

Zuerst moechte ich an dieser Steller explizit darauf hinweisen, dass ich nicht nach ihrer persoenlichen Meinung zu Kinderpornographie fragen moechte. Die Ablehnung dieser widerwaertigen Dokumentationen schwerer Straftaten ist in dieser Debatte, auf beiden Seiten, vollkommener Konsens, und bedarf keiner weiteren Erwaehnung.

Desweiteren zu den Sperren: Die Internetseiten sollen nicht vollkommen gesperrt werden, sondern nur die Domains. (bspw. www.google.de) Die Internetseite bleibt weiterhin erreichbar, indem man z. B. einen anderen DNS-Server im Ausland (Domainaufloesungsserver, er wandelt zb www.google.de in eine IP-Adresse um) in den Browser eintraegt, oder die IP-Adresse der Kinderpornoseite direkt eingibt. Die Sperren sind also fuer wirkliche Paedokriminelle aufs Einfachste zum umgehen.
Desweiteren waere der Kampf gegen die KiPo wesentlich einfacher und effektiver zu bewerkstelligen, wenn man die Seiten aufspuert und die Provider anschreibt, diese vom Netz zu nehmen. Die Server stehen zumeist in Staaten, die selbst harte Gesetzgebungen bzgl. KiPo besitzen, und eine Abschaltung der Seiten deshalb ohne Weiteres moeglich waere. Dies hat die Kinderschutzorganisation Carechild durch eine Abschaltaktion bewiesen. *

Zudem treibt sich die grosse Sorge um, dass auch Seiten, die keine kinderpornographischen Inhalte zeigen, auf die Sperrliste gelangen koennten und eine Zensurinfrastruktur entstehen koennte. Diese Sorge wird dadurch verschaerft, dass es keine richterliche Kontrolle gibt, ob eine Seite auf dieser Liste landet, sondern dies durch einen BKA-Beamten entschieden wird.

Meine Frage an Sie ist: Welche Meinung und Begruendung dieser, haben Sie selbst zu den geplanten Sperren?

Mit freundlichen Gruessen
Pascal Jaeger

* http://www.carechild.de/component/option,com_docman/Itemid,0/task,doc_download/gid,7/

Portrait von Bernd Siebert
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Jaeger,

vielen Dank für Ihre Mail vom 12. Mai 2009.
Zunächst möchte ich Ihnen versichern, dass ich den Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet mit der gebotenen Sorgfalt und Sensibilität behandele. Dies ist bei diesem Thema allerdings nicht immer der Fall. Denn ich erlebe immer wieder, dass bei der Diskussion berechtigte Anliegen und ungerechtfertigte Ängste fälschlich miteinander verwoben werden. Bitte gestatten Sie mir hierzu daher einige Ausführungen:
Kinderpornographie ist ein abscheuliches Verbrechen. Kinder werden missbraucht und anschließend wird der Missbrauch auch noch vermarktet und damit Geld verdient oder - was genauso schlimm ist - getauscht. Dabei werden die Opfer immer jünger; betroffen sind auch kleine, ja sogar kleinste Kinder. Da packt alle das kalte Grauen. Selbstverständlich muss man diese Verbrechen an der Wurzel bekämpfen, die Kriminellen ergreifen und ihrem Tun ein Ende setzen.
Bei der Kinderpornographie geht es rechtlich grundsätzlich um zwei Komplexe:
Zum einen bedroht § 184b des Strafgesetzbuches (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften) all diejenigen mit Strafe,
. die kinderpornographische Schriften, wozu auch Ton- und Bildträger sowie Datenspeicher gehören, verbreiten,
. solche Schriften öffentlich ausstellen, anschlagen, vorführen oder sonst zugänglich machen oder
. die diese Machwerke herstellen, beziehen, liefern, vorrätig halten, anbieten, ankündigen, anpreisen, einzuführen oder auszuführen unternehmen.

Dies sind - grosso modo - diejenigen, die kinderpornographische Inhalte ins Netz stellen. Hier genügt oft ein Hinweis an die Betreiber der Server, um dem Spuk ein Ende zu bereiten. In manchen Ländern allerdings bleibt dies leider fruchtlos.
Gemäß § 184b des Strafgesetzbuches gilt grundsätzlich aber auch, dass sich strafbar macht, wer es unternimmt, sich kinderpornographische Schriften - dazu gehören auch Dateien und das Betrachten von Bildern im Netz - zu verschaffen. Der Bundesgerichtshof hat dies folgendermaßen präzisiert: "Auch mit der bloßen Speicherung solcher Dateien im Cache-Speicher eines PC-Systems erlangt dessen Benutzer Besitz, weil es ihm möglich ist, jederzeit diese Dateien wieder aufzurufen, solange sie nicht manuell oder systembedingt automatisch gelöscht wurden" (BGH 1 StR 430/06 - Beschluss vom 10.10.2006). Entsprechend ist die Sperrung einer derartigen Seite als die Verhinderung einer Straftat zu qualifizieren. Dies unterscheidet diesen Fall z.B. von dem der Sperrung einer Seite, die vielleicht einen strafwürdigen Inhalt hat, wo es aber nicht strafbar ist, sie sich zu verschaffen.

Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist es unerträglich, dass wir in Deutschland bisher noch nicht umfassend gegen die in der zweiten Alternative genannte Beschaffung von kinderpornographischen Schriften vorgegangen sind. Die Bundesregierung hat darüber unter Federführung der BM´in Dr. von der Leyen in den letzten Wochen und Monaten intensive Gespräche und Verhandlungen mit der betroffenen Wirtschaft geführt. Dabei sind zwei Dinge deutlich geworden: Erstens sind die Access-Provider dazu bereit, den Zugang zu kinderpornographischen Inhalten zu erschweren und so die Beschaffungskriminalität einzudämmen. Fünf große Unternehmen haben sich inzwischen auf vertraglicher Basis dazu verpflichtet. Und zweitens brauchen wir eine gesetzliche Regelung. Lassen Sie mich deren wichtigste Punkte hervorheben:

. Alle großen Internetzugangsanbieter werden verpflichtet, durch geeignete technische Maßnahmen den Zugang zu kinderpornographischen Inhalten zu erschweren. Basis sind täglich aktualisierte Sperrlisten des Bundeskriminalamts.
. Aus präventiven Gründen wird gegenüber den betroffenen Nutzern über eine Stopp-Meldung klargestellt, warum der Zugang zu einem kinderpornographischen Angebot erschwert wird.
. Die Zugangsanbieter haften nur, wenn und soweit sie die Sperrliste des Bundeskriminalamts nicht ordnungsgemäß umsetzen. Die anfallenden Daten können für die Strafverfolgung genutzt werden, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen.
. Da mit den Regelungen gesetzgeberisches Neuland betreten wird, sollen sie innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten evaluiert werden.
Besonders wichtig ist mir, klar zu stellen, dass es sich bei der genannten Sperrliste und bei der Verpflichtung der Internet Provider, die auf dieser Liste enthaltenen Internet-Seiten zu sperren, eben nicht um eine Zensur des Internets handelt, bei der der Staat - aus welchen Gründen auch immer - einige Internetseiten sperren lässt, um seine Bürgerinnen und Bürgern mehr oder weniger willkürlich an der Nutzung des Internets zu hindern. Läge die Sache so, würde ich Ihre Bedenken - insbesondere hinsichtlich der Zusammenstellung der Sperrliste und ihrer Überprüfung - uneingeschränkt teilen und den Gesetzentwurf nicht unterstützen. Die Sache liegt aber anders, denn hier geht es um die Verhinderung von Straftaten gem. § 184b des Strafgesetzbuches.

In der öffentlichen Diskussion ist leider bisher nicht ausreichend verdeutlicht worden, dass die Einschränkungen des Zugangs und die Strafverfolgung sich nur auf die besondere Struktur des § 184b des Strafgesetzbuches beziehen, d.h. - wie schon oben gesagt - auf die Verschaffung der Kinderpornographie. Es ist nicht daran gedacht, ähnliche Maßnahmen auch bei anderen Rechtsverletzungen zu ergreifen, bei denen z.B. das Betrachten der Seite straflos ist und eine weitere Handlung - möglicherweise ein Download einer Datei - hinzutreten muss, um ein Rechtsgut zu verletzen.
Insofern bin ich fest davon überzeugt, dass dieses Gesetzesvorhaben die Grundrechte der Bürger nicht tangieren wird.

Es ist sehr schwer, konkret quantitativ zu beurteilen, ob und inwiefern dieses Gesetz den Konsum von Kinderpornographie und die Produktion von Kinderpornographie verhindert oder erschwert. Eine Patentlösung wird es nicht geben. Dies sollte uns aber nicht daran hindern, Maßnahmen zu ergreifen, die zumindest einige Straftaten verhindern. Das ist nicht perfekt, aber besser, als den Kopf in den Sand zu stecken.

Mir ist klar, dass das Gesetz kein Allheilmittel ist. Aber es ist ein weiterer Baustein in unserer Gesamtstrategie, die Kinder zu schützen und den Markt für Kinderpornographie soweit es geht auszutrocknen. Jetzt ist es Zeit, entschlossen handeln. Denn uns alle eint das Ziel: Mehr Schutz für Kinder.

Mit freundlichen Grüßen

i.A. Peter Scheben
Wiss. Mitarbeiter und Büroleiter von Bernd Siebert MdB