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Bernd Sibler
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Frage von Maria S. •

Frage an Bernd Sibler von Maria S. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Minister Siebler,

die Ausschüsse des Bundesrats tagten gestern erneut zum Masernschutzgesetz, das am 14.11.2019 vom Bundestag beschlossen wurde.

Die Ausschussempfehlungen des federführenden Gesundheitsausschusses, in dem Sie Mitglied sind, und dem Kulturausschuss differieren insofern, als dass der Kulturausschuss empfiehlt, einen Vermittlungsausschuss einzuberufen und das Inkrafttreten des Masernschutzgesetzes um ein Jahr, also auf den 1. März 2021 bzw. 31. März 2022 zu verschieben, der Gesundheitsausschuss jedoch offenbar einen Vermittlungsausschuss für nicht notwendig erachtet. (1)

Der Bundesrat wird am 20. Dezember 2019 über die Ausschussempfehlung abstimmen.

Fragen hierzu:
1. Haben Sie der nicht-öffentlichen Sitzung des Gesundheitsausschusses beigewohnt? Wenn ja, sind Sie persönlich mit der empfohlenen Nicht-Einberufung des Vermittlungsausschusses einverstanden?
2. Denken Sie, dass es tatsächlich in der Kürze der Zeit, quasi in gut zwei Monaten, möglich sein wird, die Umsetzbarkeit der Masern-Impfpflicht zu etablieren? Der Kulturausschuss bezweifelt dies.
3. Offenbar gibt es in den aktuellen Ausschussempfehlungen keine Bedenken mehr bezüglich der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes wie es noch in den Drucksachen 358/1/19 und 358/19(B) der Fall war. Warum nicht? Im vom Bundestag beschlossenen Masernschutzgesetz hat sich diesbezüglich nichts verändert.

Vielen Dank für die konkrete Beantwortung meiner Fragen.

Mit freundlichen Grüßen

M. S.

(1) https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2019/0601-0700/629-1-19.pdf?__blob=publicationFile&v=1

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Antwort von
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1. Nein, ich war nicht anwesend.

2. Obwohl Überzeugung besser als Zwang ist, wurde eine ausreichend hohe Impfquote bisher nicht erreicht. Daher unterstützte ich das Masernschutzgesetz, das am 1.3.2020 in Kraft treten soll. Mit dem Gesetz soll eine Impfnachweispflicht für in Gemeinschaftseinrichtungen (u.a. Schulen, Kitas) Betreute und dort Tätige sowie Personen, die in bestimmten medizinischen Einrichtungen tätig sind, eingeführt werden. Ziele des Gesetzes sind der bessere individuelle Schutz insbesondere von besonders schützenswerten Personengruppen sowie ein ausreichender Gemeinschaftsschutz vor Maserninfektionen angesichts der bundesweit betrachtet noch zu niedrigen Durchimpfungsquoten.

3. Noch immer sterben weltweit etwa 70.000 Menschen im Jahr an Masern, darunter viele Kinder. Die meisten Todesfälle gibt es in den armen Ländern Afrikas und Asiens. Wir sehen es als ein großes Privileg an, dass wir uns und unsere Kinder heute durch eine Impfung vor gefährlichen Infektionserkrankungen schützen können.
Es ist zutreffend, dass die im Masernschutzgesetz vorgesehene Impfpflicht in den Schutzbereich mehrerer Grundrechte eingreift und deshalb einer Rechtfertigung bedarf. Sie liegt vor, wenn das Gesetz verhältnismäßig ist.

Die Verhältnismäßigkeit wird unterschiedlich beurteilt, überwiegend jedoch bejaht. Das Bundesgesundheitsministerium ist der Auffassung, dass das Gesetz verfassungsgemäß ist. Auch das Bundesjustizministerium hatte den Gesetzentwurf geprüft. Eine finale verfassungsrechtliche Entscheidung kann nur durch das Bundesverfassungsgericht getroffen werden. Zu berücksichtigen ist jedenfalls, dass dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zusteht, ob mit einem Gesetz ein legitimes Ziel verfolgt wird.

Impfungen gehören laut der nach § 20 Abs. 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) am Robert Koch-Institut (RKI) eingerichteten ständigen Impfkommission (STIKO) zu den wirksamsten und wichtigsten präventiven medizinischen Maßnahmen. Bei den Pocken war die Impfpflicht erfolgreich und hat entscheidend zur weltweiten Ausrottung der Pocken beigetragen. Eine Masern-Impfpflicht scheint daher geeignet, das angestrebte Ziel einer höheren Durchimpfungsquote und damit der Vermeidung der Ansteckung, der Bekämpfung und Ausrottung der Masern zu erreichen.

Die erforderliche Durchimpfungsquote von 95% bei der 2. Masernimpfung wird in Deutschland trotz umfangreicher Aufklärung und Beratung (vgl. z.B. § 34 Abs. 10 a IfSG) bisher unterschritten. Es ist daher vertretbar – wenn auch umstritten –, anzunehmen, dass die Aufklärungsarbeit kein milderes und gleich effektives Mittel darstellt.

Das Risiko von schweren, teils tödlichen Komplikationen einer Infektion mit dem Wildvirus überwiegt ganz eindeutig die möglichen Nebenwirkungen oder Risiken der Impfung. Schwere und auch tödliche Verläufe sind bei einer Maserninfektion trotz aller Fortschritte der begleitenden Therapie weiterhin möglich. Die Impfpflicht dient damit auch dem Schutz der Gesundheit und des Lebens Dritter. Bei dem Schutz von Gesundheit und dem Leben Dritter handelt es sich um ein verfassungsrechtlich geschütztes Gut, das prinzipiell zur Rechtfertigung geeignet ist. Personen, für die die Impfung aus körperlichen Gründen zu einer Gefahr werden könnte oder die zu jung für eine Impfung sind, sind auf den ausreichenden Schutz anderer angewiesen.

Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen, z.B. Schulen und Kitas, haben einen Anspruch darauf, vor vermeidbaren Gefährdungen geschützt zu werden.

Mit diesen Argumenten lassen sich sowohl der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG als auch in das Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 GG rechtfertigen. Hinzu kommt, dass die „Impfpflicht“ als Impfnachweispflicht ausgestaltet ist, sodass eine zwangsweise Durchführung der Impfung durch das Gesundheitsamt unter keinen Umständen in Betracht kommt.

Beste Grüße,
Christian Jaeger                              
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Abgeordnetenbüro