Würde eine Halbierung der Diäten nicht dazu führen, dass Abgeordnete nicht mehr ihre Mitarbeiter bezahlen können, und macht dass sie nicht viel angreifbarer für Bestechung?
Vielen Dank für diese interessante ( und nicht selten geäußerte ) Frage.
Die Bezahlung der Mitarbeiter von Abgeordneten ist unabhängig von den Diäten, die heutzutage zumeist "Abgeordnetenentschädigung" genannt werden, weil sie mit den früheren Sitzungs- oder Tagegeldern (Diäten) nicht mehr viel zu tun haben.
Im Bundestag erhalten die Abgeordneten z.B. neben ihren "Diäten" von z.Zt. 10013,89 Euro (brutto) eine Mitarbeiterpauschale von etwa 22400 Euro ( pro Monat brutto), von der sie zumeist etwa fünf bis zehn Mitarbeiter mit unterschiedlichen Bezahlungen einstellen können. Die Verwaltung (Abrechnung, auch die zusätzlichen Sozialabgaben) wird dabei von der Bundestagsverwaltung übernommen. Genauere Angaben zur den Abgeordnetenprivilegien finden Sie auch z.B. auf Wikipedia ( allerdings z.T. mit auffällig veralteten und geschönten Formulierungen). Sowohl die Diäten als auch die Mitarbeiterpauschale wird übrigens zumeist zur verfassungswidrigen Neben-Finanzierung der Parteien verwendet. So müssen Abgeordnete zumeist etwa 1000 Euro als "Mandatsträgerspende" an ihre Partei abführen. Diese "Spenden" werden "natürlich" von der Steuer abgesetzt und dadurch vom Steuerzahler noch einmal verdoppelt.
Und als Mitarbeiter werden oftmals ebenfalls Parteifunktionäre eingestellt, die nicht selten ( verfassungswidrig und mit staatlicher Bezahlung) in die innerparteiliche Meinungsbildung eingreifen und die Wiederwahl der bestehenden Filzstrukturen beitragen.
Im Berliner Abgeordnetenhaus stehen den Abgeordneten neben ihren Diäten von z.Zt ca. 6500 Euro ( nach der letzten skandalösen Erhöhung von 58% im letzten Jahr) eine Mitarbeiterpauschale von ca. 3000 Euro zur Verfügung, die zumeist für zwei Mitarbeiter verwendet wird. Manch ein Abgeordneter hat aber auch mehr Mitarbeiter , die er entsprechend schlechter bezahlt , z.T. auch mit Minijobs.
In meinen 45 Jahren als unabhängiger Sozialdemokrat habe ich insgesamt die Erfahrung gemacht, dass die Gefährdung durch Bestechung bei "Geringverdienern" nicht größer ist als bei "Großverdienern". Im Gegenteil habe ich oft die Beobachtung machen können, dass hohe Einkommen und entsprechender "Lebenswandel" sowohl die Gelegenheiten, als auch den Antrieb zu Bestechung entsprechend vergrößern. Bei einem ( von mir gewünschten) gering- oder normal-verdienenden Abgeordneten wäre es entsprechend auffälliger, wenn er plötzlich durch bestochenen höheren Lebenswandel ( z.B. durch teure Fahrzeuge oder Immobilien oder Aktienpakete ( z.B. Amthor)) in Erscheinung treten würde.
Im übrigen fordere ich auch das Transparent-machen der Steuerbescheide von Abgeordneten, wie dies z.B. schon in Britannien geregelt ist. Dort müssen Abgeordnete ihre Wertpapierpakete und Immobilien angeben.
Wer für die "öffentliche Hand" tätig werden will, sollte per Gesetz wissen, dass die "öffentliche Hand" d.h. die Gesellschaft der Steuerzahler ( auch der Mehrwertsteuer) wissen muss, was gespielt wird.
Heutzutage ist die "öffentliche Hand" in den wesentlichen Entscheidungen ( v.a. auch bei Immobiliengeschäften ) eine "Geheimgesellschaft".
Zusätzlich zu den o.g. "Diäten" und Mitarbeiterpauschalen können die Abgeordneten übrigens auch über eine steuerfreie "Aufwandspauschale" ( im wesentlichen ohne Überprüfung ) ( z.B. für Büromieten und andere Sachkosten ) verfügen. Im Bundestag sind dies etwa 4500 Euro, im Berliner Abgeordnetenhaus etwa 3000 Euro.
Besonders skandalös und wie ich meine skrupellos war die Erhöhung der Diäten im Berliner Abgeordnetenhaus um 58% ab 1.Januar 2020. Die Fraktionen von CDU, FDP, Grüne, SPD und Linke legten dazu im September 2019 eine Gesetzentwurf ohne die gesetzlich vorgeschrieben schriftliche Begründung vor und zogen den Gesetzgebungsprozess in einem Monat durch. Die genauen Zusammenhänge können Sie z.B. in dem Büchlein des Staatsrechtlers Prof. v. Arnim nachlesen mit dem Titel " Der Griff in Kasse. Wie das Abgeordnetenhaus von Berlin seine Bezüge maßlos erhöht - und wie diese Selbstbereicherung noch gestoppt werden kann. Ein Stück aus dem Tollhaus" ( Heyne Verlag ca. 8 Euro ).
Als ( mündliche ) Begründung wurde vor allem angegeben, die Abgeordneten würden in Zukunft 18 statt 16 Sitzungswochen tagen und in Ausschüssen drei statt zwei Stunden sitzen. Aber allein dies macht deutlich, dass 34 Jahreswochen ohne Plenartagungen und daher "frei" sind. ( Halbjahresjob ).
Und in einer schriftlichen Begründung hätte auch stehen müssen, warum auch die Pensionsansprüche der Abgeordneten für die letzten zwanzig Jahre ebenfalls um 58% erhöht wurden. Für langjährige Abgeordnete erhöhten sich dadurch ihre versicherungsmathematischen Pensionsansprüche um bis zu 400.000 Euro.
Diese zu hoch bezahlte politische Klasse hat offenbar den Bezug zur Bevölkerung weitgehend verloren.
Natürlich soll und wird es in Parlamenten auch immer "reiche" Leute geben ( z.B. durch "Nebenverdienste") Solange diese Nebenversdienste transparenter angegeben werden (Steuerbescheid) ist dagegen nichts zu sagen. Aber in den Parlamenten sollte sich ansatzweise die gesamte Bevölkerung wiederfinden. Also nicht nur "Pensionäre", sondern auch Rentner, Normalverdiener und nicht nur "Besserverdiener ( 6500 brutto)" .
Zur Zeit befindet sich in unseren Parlamenten nur arrogante Oberschicht, die der Bevölkerung Anteilnahme offensichtlich lediglich vorspielt, also gutbezahlte Staatsschauspieler, die Gesetze letztlich nur für diese Oberschicht zustande bringen und für die unteren 90% der Bevölkerung nur noch Krümel vom Kuchen; und die die Bevölkerung dazu auch noch in imperiale Kriege führt.
Für weitere Fragen und z.B. Unterstützung für unseren Plan eine Volksentscheides für die Halbierung der Diäten ( zunächst in Berlin, aber dann natürlich auch in den anderen Bundesländern, im Bund und der EU) wäre ich sehr dankbar.
Denn wenn es nicht gelingt, dass durch gigantische Geldflüsse immer mehr aus der Anständigkeit gelöste Fundament der Demokratie wieder zu begradigen, wird die Zivilisation mit Sicherheit untergehen.
Mit freundlich-optimistischen Grüßen
Bernd Hinz