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Behzad Borhani
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Markus H. •

Wenn ich ökologisch wählen möchte, was hat ihre Partei den anderen Parteien diesbezüglich voraus? Und wofür setzen sie sich im WK173 konkret ökologisch/klimaschützend ein?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Hutter,

vielen Dank für Ihre Frage. In unserem Grundsatzprogramm haben wir das Fundament unserer Politik beschrieben:

Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit. Jeder Mensch ist einzigartig und frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Die universellen und unteilbaren Menschenrechte sind Anspruch und Maßstab unserer Politik.

Die Werte, die unsere Politik tragen, sind Ökologie, Gerechtigkeit, Selbstbestim­mung, Demokratie und Frieden. Dieses Fundament bildet für uns die Grundlage für eine solidarische Gesellschaft, in der sich die Freiheit der und des Einzelnen auch in der Achtung der Anderen als Gleiche sowie in ihrer Würde und Freiheit entfaltet.

Die Umwelt zu schützen und zu erhalten, ist Voraussetzung für ein Leben in Würde und Freiheit. Sauberes Wasser und saubere Luft, Artenvielfalt und fruchtbare Böden sind notwendige Bedingungen für unsere Entfaltungsfreiheit und Emanzipation. Eine Politik, welche die natürlichen Lebensgrundlagen schützt, erhält die Möglich­keit zur Selbstbestimmung für uns und künftige Generationen. Das 21. Jahrhundert ist das Zeitalter des Anthropozäns. Darin ist der Mensch zum entscheidenden Ein­flussfaktor dafür geworden, wie sich unsere Erde verändert. Die Natur braucht uns nicht. Wir Menschen brauchen sie als Teil von ihr.

Das Wissen um die planetaren Grenzen ist Leitlinie unserer Politik. Die Menschheit überschreitet derzeit durch ihr Handeln die ökologischen Belastungsgrenzen in Be­reichen wie Artenvielfalt, Klimaerhitzung oder Meeresversauerung und gefährdet so die Stabilität der Ökosysteme und die Lebensgrundlagen der Menschen. Es ist unsere Aufgabe, uns durch sozialen, wirtschaftlichen und technologischen Fort­schritt zum Wohle der Menschen so nachhaltig weiterzuentwickeln, dass wir unsere Lebensgrundlagen bewahren.

Wir haben nur diese eine Erde, in ihrer Schönheit und natürlichen Vielfalt. Men­schen sind nicht die einzigen Lebewesen, die fühlen und empfinden. Daher ist es Pflicht für uns Menschen, das Wohl von Tieren und die gesamte lebendige Natur um ihrer selbst willen zu schützen.

Eine intakte Umwelt ist Voraussetzung für Gesundheit. Der Erhalt unserer natür­lichen Lebensgrundlagen und die Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise verhindern massive Gesundheitsschäden und schützen im Sinne der Vorsorge die Gesundheit zukünftiger Generationen.

Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt. Ziel einer nachhaltigen Ent­wicklung ist auch die ökologische Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Es ist unsere Verpflichtung, nachfolgenden Generationen faire Handlungsspielräume und Entscheidungsfreiheiten zu ermöglichen.

Die Klimakrise und Zerstörung unserer Lebensgrundlagen verschärft bestehende Ungleichheiten und trifft damit insbesondere Frauen. Ökologische Maßnahmen müssen von Frauen und marginalisierten Gruppen wie zum Beispiel der indigenen Bevölkerung mitgestaltet werden. Nachhaltigkeit braucht Geschlechtergerechtig­keit und inklusive Beteiligung.

Unter der Zerstörung der Natur leiden diejenigen früher und am stärksten, die dazu am wenigsten beitragen und ihr am wenigsten entgehen können. Wo reiche Men­schen sich noch teilweise anpassen können, spüren ärmere die Folgen mit brutaler Härte. Umwelt­ und Klimapolitik sind eine Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit. Jedoch können ökologische Maßnahmen in Widerspruch zu sozialen Interessen ge­raten. Daher muss ökologische Politik soziale Interessen immer miteinbeziehen.

Wir denken Ökologie global. Ein Leben in Würde und Freiheit bedeutet ein Recht aller Menschen auf Selbstbestimmung und Teilhabe. Globale Umweltgerechtigkeit nimmt die historische Verantwortung der Industriestaaten für die Zerstörung der Umwelt in den Blick. Deshalb sind wir in der Pflicht, die ökologischen und sozialen Kosten unseres Wirtschaftens zu reduzieren, statt sie in andere Weltregionen zu verlagern, sowie diejenigen zu unterstützen, die schon heute stark von Umwelt­zerstörungen betroffen sind und das in Zukunft noch stärker sein werden.

Eine nachhaltige Wirtschaftsweise schützt nicht nur Lebensgrundlagen, sondern erhöht auch Wohlstand und Lebensqualität. Das erfordert eine grundlegende De­karbonisierung unserer Wirtschaft und unserer Lebensweise, für die in den kom­menden Jahrzehnten erhebliche Investitionen notwendig sind.

Der Weg in eine ökologische Zukunft sichert Demokratie und Selbstbestimmung für heute und für künftige Generationen. Sonst verlieren wir, was wir mit dem Klima schützen: Freiheit und Würde. Demokratische Verfahren bringen die Kreativität und den gesellschaftlichen Zusammenhalt hervor, die es zur Bewältigung der ökologi­schen Krisen braucht.

Unsere vielen konkreten Forderungen können Sie in unserem Wahlprogramm nachschlagen.

Von den anderen Bundestagsparteien unterscheidet uns, dass wir die Nachhaltigkeit zum zentralen Bestandteil unserer Politik machen. Einerseits in dem Verständnis, dass die Transformation zu einer ökologischen Wirtschaft schnellstmöglich passieren muss. Andererseits aber auch in der Erkenntnis, dass durch diese Transformation enorme Chancen für unsere Gesellschaft entstehen - wenn wir die Dinge richtig tun. Damit das gelingt, brauchen wir kluge Spielregeln, innerhalb derer das Marktgeschehen sich abspielt.

Union und FDP wollen die Klimakrise allein mit Geld und Innovation lösen. Sie vertrauen auf die unsichtbare Hand freier Märkte, die aber in den letzten Jahrzehnten immer wieder gezeigt haben, dass sie die Probleme alleine nicht lösen. Und ohne entsprechende Ausgleichsmechanismen verstärken solche Strategien die soziale Ungerechtigkeit. Menschen auf dem Land den Kraftstoff teurer zu machen, ohne gleichzeitig in bezahlbare, umweltfreundliche Alternativen zu investieren, verstärkt lediglich die Kluft zwischen Arm und Reich. Ohne einen sozialen Ausgleichsmechanismus wird Klimaschutzpolitik die Fliehkräfte unserer Gesellschaft weiter vergrößern. Wir fordern, Ökologie und Sozialstaat zusammen zu denken: die sozial-ökologische Marktwirtschaft.

Wo wir in Regierungsverantwortung sind, findet sich diese Handschrift wieder. Auf Bundesebene haben wir den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen und mit dem Erneuerbare Energien Gesetz die Grundlage für die Einführung und Finanzierung der Energiewende geschaffen. Das EEG-Modell hat tausende Jobs geschaffen und dazu geführt, dass Erneuerbare Energien heute einen Anteil von mehr als 50 % an der Stromversorgung haben. Es ist von vielen Staat weltweit kopiert worden und hat dazu beigetragen, dass erneuerbare Energien heute die günstigste Form der Energieerzeugung überhaupt sind.

In 16 Jahren Opposition haben wir gesehen, wie ernst es andere Parteien mit dem Klimaschutz meinen. Zuerst hat die schwarz-gelbe Bundesregierung den Atomausstieg aufgekündigt, nur um den Ausstieg aus dem Ausstieg kurze Zeit später wieder rückgängig zu machen - die Folge waren Milliarden Entschädigungsforderungen durch die Energiekonzerne. Erst unter schwarz-gelb, dann unter schwarz-rot mussten wir mit ansehen, wie das EEG immer weiter verschlimmbessert wurde. Große Energieverbraucher wurden bevorzugt - zu Lasten der Privathaushalte, die Einspeisevergütung immer unattraktiver, die Auflagen immer größer.  Ein herber Schlag gegen die Solar und Windkraftindustrie: Viele tausende Arbeitsplätze wurden vernichtet oder sind ins Ausland abgewandert.

Gleichzeitig erleben wir in den letzten Jahren, wie die Bundesregierung in Sachen Ökologie verschläft oder sogar ausbremst. Mit dem Kohleausstiegsgesetz wurde de facto ein Kohleausstiegsverzögerungsgesetz geschaffen, das den Betrieb von Kohlekraftwerken bis 2038 ermöglicht und den Betreibern diesen verspäteten Ausstieg sogar noch vergoldet. Die Bundesregierung hat jahrelang die Elektromobilität verschlafen und schläft jetzt wieder beim Aufbau der Ladeinfrastruktur. Seit Jahren wird Deutschland von der EU-Kommission verklagt, weil die Nitratbelastung in unseren Grundwässern zu hoch ist.

Wir sind überzeugt, dass es einen Kurswechsel braucht, hin zu einer Regierung, die Ökologie ernst meint. Ein Weiter so darf es nicht geben. Dafür setzen wir uns auf Bundesebene ein. Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Daher unser Wahlspruch: „Bereit, weil ihr es seid“.

Im Wahlkreis 173 setzen wir uns dafür ein, die oben beschriebenen Ziele auf lokaler Ebene umzusetzen. Das bedeutet Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen, in klimafreundliche Infrastruktur, in ökologische Bildung, in die Bewahrung von intakter Natur vor Ort und vieles mehr. Der Wahlkreis 173 umfasst mit der Stadt Gießen sowohl das städtische Oberzentrum von Mittelhessen, gleichzeitig aber auch die ländlichen Bereiche des Landkreises Gießen sowie des Vogelsbergkreises.

In der Stadt Gießen geht es vor allem um die Fragen: Wie schaffen wir die Verkehrswende, mit weniger Abhängigkeit von fossilen Verbrennerautos, hin zu nachhaltiger Mobilität für alle? Wie teilen wir den Verkehrsraum entsprechend auf, sodass sich Radfahrerinnen und Fußgänger:innen sicher und effizient durch die Stadt bewegen können? Wie schaffen wir es, die vielen Gebäude klimafreundlich zu sanieren und gleichzeitig Mieten bezahlbar zu halten? Wie werden wir dem Wunsch vieler Menschen, in die Stadt zu ziehen, gerecht, ohne immer weiter Flächen zu versiegeln?

Auch im ländlichen Raum beschäftigen wir uns damit, wie wir die Abhängigkeit vom Auto verringern können. Müssen wir eigentlich mitansehen, wie lokale Einrichtungen wie Geschäfte, Schulen, Schwimmbäder und andere kommunale Einrichtungen immer mehr zentralisiert werden und aus den Orten verschwinden? Wie schaffen wir es überhaupt, genügend Betriebe zu finden, um Häuser schnell genug zu sanieren? Wie schaffen wir die Energiewende vor Ort?

In den vergangenen Jahren konnte dank Grüner Beteiligung in den Kommunen im Wahlkreis 173 schon viel auf den Weg gebracht werden. So hat sich die Stadt Gießen zum Ziel gesetzt, voran zu gehen und bis 2035 vollständig klimaneutral zu werden. Ein Beschluss, der mit dem Erscheinen des jüngsten Bericht des Weltklimarats noch einmal an Relevanz gewonnen hat. In meinem Heimatwahlkreis haben wir den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs immer weiter vorangetrieben und uns auch für die Koalitionen nach den Kommunalwahlen viel vorgenommen. Wir treiben die Reaktivierung von stillgelegen Bahnstrecken voran, wobei auch Gewerbegebiete angeschlossen werden, damit wieder mehr Verkehr auf die Schiene kommt. Unser Wahlkreis ist Teil von gleich zwei Ökomodell-Regionen: Lahn-Dill und Vogelsberg.

Herzliche Grüße,
Behzad Borhani