Portrait von Behzad Borhani
Behzad Borhani
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Heinz B. •

was sind so ihre Schwerpunktthemen, die sie angehen wollen, wenn sie gewählt werden?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Barfuss,

vielen Dank für Ihre Frage.

Das Schwerpunktthema, das wie ein Damoklesschwert über allen anderen hängt, ist die Frage nach der sozial-ökologischen Transformation und eines sozial gerechten Klimaschutzes. Die Klimakrise ist die Existenzfrage unserer Zeit. Daher ist Klimaschutz keine Zukunftsaufgabe, sondern Klimaschutz ist jetzt. Wenn wir zu Beginn dieses Jahrzehnts konsequent handeln und die sozial-ökologische Transformation einläuten, können wir die Klimakatastrophe noch verhindern und zu einer klimagerechten Welt beitragen. Klimaneutralität ist dabei eine große Chance für höhere Lebensqualität, mehr soziale Gerechtigkeit und einen klimagerechten Wohlstand. Sie gilt es zu ergreifen. Das verlangt Können, Mut und Machen. Wir stellen in einer künftigen Regierung das Pariser Klimaabkommen in den Mittelpunkt und richten
das Handeln aller Ministerien danach aus. Wir lenken all unsere Kraft darauf, Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die uns auf den 1,5-Grad-Pfad führen. Klimagerechtigkeit ist eine Frage des politischen Kanons. Wir begreifen es als unsere Aufgabe, bessere Regeln zu schaffen, nicht den besseren Menschen. Solch klare politische Ordnungsrahmen entlasten auch uns als Menschen im Alltag und schaffen Freiheit.

Der Weg in die Klimaneutralität bietet riesige Chancen auf mehr Lebensqualität: Städte mit weniger Staus und Abgasen, mit Platz, um sicher Rad zu fahren und zu Fuß zu gehen, zu spielen und zu leben. Dörfer, die endlich angebunden sind an den öffentlichen Nahverkehr. Wälder, in denen auch unsere Kinder noch die Schönheit der Natur entdecken können. Gesundes Essen, hergestellt unter Wahrung von Tierrechten und Umweltschutz. Klimaschutz ist so viel mehr als reine Technik, er ist die Voraussetzung für ein gesundes Leben auf einer gesunden Erde.

Neben dieser Mammutaufgabe sind meine Schwerpunktthemen die vielfältige Gesellschaft, Sport, Kultur und Integration. Kurzum, die Frage nach dem Zusammen leben.

Unsere vielfältige Gesellschaft ist stark. Weil Menschen sich engagieren, beim Sport, bei der freiwilligen Feuerwehr, in Musikschulen, in religiösen Gemeinden oder am Sorgentelefon, Junge für Alte, Alte für Junge. Weil es ein breites Kulturangebot gibt, eine vielfältige Medienlandschaft. Weil die Jugend sich einmischt, weil Menschen in Kommunalparlamenten Verantwortung übernehmen, sich Bürger*innen in Foren einbringen und das Schicksal ihrer Orte in die Hand nehmen.

Menschen sind unterschiedlich, aber gleich in ihrer Würde und ihren Rechten. Nur wenn Würde und gleiche Rechte unverhandelbar sind, wenn alle Menschen in unserer Gesellschaft, in unserem Europa gleichen Schutz und gleiche Chancen haben und ihre Rechte in Anspruch nehmen können, kommen Freiheit und Sicherheit – individuelle und gesellschaftliche – heraus und wird Gerechtigkeit befördert. Dieser Anspruch ist jedoch noch nicht voll verwirklicht. Wenn mit Frauen die Hälfte der Bevölkerung nicht gleichberechtigt beteiligt, repräsentiert und bezahlt wird und Menschen noch immer Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus erleben, ist die Demokratie nicht vollkommen. Nötig sind mehr Zugänge, mehr Teilhabe, mehr Selbstwirksamkeit und mehr Repräsentanz, zum Beispiel für Menschen in prekären Lebensverhältnissen, Menschen mit Migrationsgeschichte oder mit Behinderung. Eine gleichberechtigte Gesellschaft braucht Politik, die Strukturen verändert.

Im Sport, dem größten Träger der organisierten Zivilgesellschaft und des freiwilligen Engagements, werden täglich demokratische Werte wie Gemeinsamkeit, Toleranz, Integration, Inklusion, Engagement und Gesundheitsprävention gelebt und vermittelt. Damit übernimmt der Sport eine herausragende Rolle für das gesellschaftliche Zusammenleben. Dies werden wir fördern und bessere Rahmenbedingungen schaffen. Wir setzen uns dafür ein, dass sich die Teilhabe von Frauen im Sport und die Diversität von Sportler*innen und Athlet*innen auch in der Besetzung von Entscheidungsgremien niederschlägt. Wir wollen Ideen und Energien bündeln und zusammen mit den Sportverbänden, Ländern, Kommunen, der Wissenschaft und unter Beteiligung der Bürger*innen einen Entwicklungsplan Sport erarbeiten und umsetzen – ähnlich dem Goldenen Plan aus den 1960ern. Ein besonderer Fokus muss dabei vor allem auf strukturschwachen Regionen, gerade in Ostdeutschland, liegen, denn die Diskrepanz zwischen Ost und West ist beim Breitensport auch 30 Jahre nach der friedlichen Revolution ein Problem. Ausreichend vorhandene und barrierefreie Sportstätten und Bewegungsräume zählen in Städten und ländlichen Räumen zur Daseinsvorsorge, deshalb wollen wir, dass Bewegungs- und Sportflächen in der Wohnungsbaupolitik und Quartiersplanung fest verankert und die bestehenden Anlagen unter Beachtung der energetischen Vorschriften durch die Kommunen saniert werden können. Dazu gehören auch insbesondere Schwimmsportstätten, denn unser Anspruch ist, dass jedes Kind schwimmen lernen kann. Das wollen wir mit einem Bundesprogramm zur Sanierung und Instandsetzung von Schwimmstätten erreichen. Sportgroßveranstaltungen sollen klimaneutral, sozial, nachhaltig und menschenrechtskonform ermöglicht, ihre Kosten transparent dargestellt werden, sodass sie auch einen bleibenden Infrastrukturgewinn für die Bürger*innen vor Ort schaffen. Dafür braucht es eine bundesweit einheitliche und föderal abgestimmte Gesamtstrategie, bei der von Beginn an Bürger*innen-beteiligung Teil der Planung ist. Das Prinzip Prävention ist die beste Vorsorge, daher wollen wir für alle zugängliche öffentliche Bewegungsräume unterstützen, die es auch Menschen mit einem geringen Einkommen ermöglichen, Sport zu betreiben. E-Sport ist längst kein Nischenthema mehr und begeistert immer mehr Menschen. Wir wollen neue Wege in Sport- und Jugendvereinen ermöglichen – mit der Anerkennung der Gemeinnützigkeit für E-Sport stärken wir ehrenamtliches Engagement. Potenziale für Nachwuchsgewinnung in IT- und Kreativwirtschaft wollen wir aktivieren. Die Entwicklungen von E-Sport und Gaming werden wir insbesondere im Hinblick auf Diversität, Nachhaltigkeit, Jugendschutz sowie Medienkompetenz fördern und zusammen mit Gamer*innen, Verbänden und Wissenschaft gestalten; gemeinsam mit allen Akteur*innen stellen wir uns gegen Diskriminierung und Hatespeech.

Ein starker Breitensport braucht Vorbilder. Im Leistungssport muss es um die bestmögliche Förderung von Talenten gehen und nicht allein um die Fixierung auf eine bestimmte Medaillenanzahl. Deshalb wollen wir bei der Förderung des Spitzensports die Bedingungen und Perspektiven für Leistungssportler*innen insbesondere für den Nachwuchs in den Mittelpunkt stellen. Die bisherigen staatlichen Beschäftigungsmöglichkeiten für Leistungssportler*innen werden durch zivile Alternativen ergänzt. Die wichtige soziale und pädagogische Arbeit von Trainer*innen im Ehrenamt und Hauptberuf wollen wir aufwerten. Bei der Doping-Prävention und im Anti-Doping-Kampf stärken wir die NADA und fordern auf internationaler Ebene weitreichende Reformen der WADA, die ihre Aufgaben vollständig unabhängig ausführen und Athlet*innen echte Mitbestimmung ermöglichen muss. Die Dopingvergangenheit gilt es lückenlos aufzuklären, Dopingopfer unterstützen wir angemessen. Auch Korruptionsskandale auf höchster Ebene der Sportfunktionär*innen sowie die zunehmende Kommerzialisierung bedrohen den Spitzensport. Gerade beim Fußball als Publikumssport gilt es die Partizipationsmöglichkeiten von Fans zu erhöhen und ihn wieder stärker gesellschaftlich zu verankern. Deswegen sollen Transparenz und Good Governance auch im Sport vorangetrieben werden.
Die Einhaltung von Menschenrechten muss von Sportverbänden auf Grundlage der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte umgesetzt und bei der Vergabe von Sportgroßereignissen zur Voraus
setzung gemacht werden. Wir setzen uns für eine nationale Strategie gegen psychische, physische und sexualisierte Gewalt im Sport ein, bei der der Aufbau eines unabhängigen Zentrums für Safe Sport ein integraler Bestandteil ist. Gegen Rechtsextremismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Sport gehen wir mit einem langfristigen finanziell starken Bundesprogramm vor, das von einer unabhängigen Stelle beraten wird. Für die sozialpädagogischen Fußballfanprojekte und deren Koordinationsstelle sichern wir verläss-liche Rahmenbedingungen. Wir schützen die Bürger*innenrechte von Fans und diese vor ausufernden Datensammlungen und Kollektivstrafen. Noch immer vorhandene sexistische Strukturen müssen aufgebrochen und Sportstätten gendersensibel geplant werden.

Die Künste sind frei und müssen keinen Zweck erfüllen. Sie sind gleichzeitig von zentraler Bedeutung für die Selbstreflexion der
Gesellschaft, den Zusammenhalt und die Persönlichkeitsbildung der/des Einzelnen. Wir wollen, dass die Kulturlandschaft nach der Pan
demie mit ihren monatelangen Schließungen zu neuer Lebendigkeit, Vielfalt und Reichhaltigkeit findet und Kultur und kulturelle Bildung endlich selbstverständlicher Teil der Daseinsvorsorge werden. Deswegen wollen wir Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankern. Eine nachhaltige (Wiederaufbau-)Strategie muss die Kommunalfinanzen als eine wichtige Grundlage für das Kulturleben stärken, das Zuwendungsrecht reformieren, mehr Kooperationen zwischen Bund, Ländern und Kommunen bei der Finanzierung von Kultureinrichtungen und -projekten ermöglichen sowie einen Fonds zum Schutz von Kultureinrichtungen vor Verdrängung und Abriss einrichten, der Kulturorte wie beispielsweise Clubs langfristig absichert. Die öffentliche Kulturförderung soll künftig partizipativ, inklusiv und geschlechtergerecht abgestimmt sowie nach transparenten Kriterien angelegt sein. Ebenso braucht es eine gleiche Wertschätzung bei der Finanzierung und den Rahmenbedingungen für alle Kulturformen und -sparten, für die freie Szene und institutionell geförderte Kultureinrichtungen.

Die Corona-Krise zeigt, unter welch prekären Bedingungen viele Kultur- und Medienschaffende arbeiten. Für eine vielfältige Kulturlandschaft braucht es eine Absicherung, die Freiräume bietet und künsterisches und kreatives Schaffen ermöglicht. Wir setzen uns für gute Arbeits- und Ausbildungsbedingungen und faire Bezahlung ein, damit an privaten und insbesondere öffentlichen Kulturinstitutionen prekäre Arbeitsverhältnisse überwunden werden. Solo-Selbständige und Kulturschaffende sollen für die Zeit der Corona-Krise mit einem Existenzgeld von 1.200 Euro im Monat abgesichert werden. Eine Absicherung braucht es aber auch darüber hinaus. Die Künstlersozialkasse (KSK) muss finanziell gestärkt, Rechtssicherheit für die Mitgliedschaft in der KSK, auch für Künstler*innen, die nur zeitweise für Produktionen versicherungspflichtig angestellt sind, geschaffen und die freiwillige Weiterversicherung für Selbständige in der Arbeitslosenversicherung vereinfacht werden. Es muss sichergestellt werden, dass Urheber*innen für ihre Werke eine angemessene Vergütung erhalten. Eine angemessene Beteiligung, insbesondere an den Gewinnen der Vertriebsplattformen, sorgt dafür, dass Kultur- und Medienschaffende weiter an ihren Werken verdienen können. Nutzer*innen sollen bei digitalen Inhalten bei der Ausleihe und Weiterveräußerung nicht schlechtergestellt werden als bei analogen Gütern. Aus diesem Grund sollen Bibliotheken unter denselben Bedingungen E-Books verleihen dürfen, die sich für physische Bücher bewährt haben, ohne dafür Lizenzverträge abschließen zu müssen.

Aktives Kulturleben ist die Basis von demokratischen Gesellschaften. Hier findet die Auseinandersetzung darüber statt, wie wir leben wollen. Deshalb muss die Gesellschaft in ihrer ganzen Vielfalt im Kulturschaffen sichtbar sein. Wir wollen Kultureinrichtungen öffnen und stärken, damit jede*r einfachen Zugang zu ihnen hat und ihre Angebote nutzen und gestalten kann. Bestehende soziale, finanzielle oder bauliche Hürden müssen dafür abgebaut werden, etwa durch den kostenlosen Eintritt für Schüler*innen in staatlichen Museen, durch die Sonntagsöffnung von öffentlichen Bibliotheken oder durch einen Kulturpass für Menschen mit geringem Einkommen. Wir wollen gerade solche Kulturangebote kontinuierlich und flächendeckend fördern, die die Situation und die Bedürfnisse in ihrer Stadt oder ihrer Gemeinde mitdenken und das als ihre zentrale Zukunftsaufgabe ver-stehen. In ländlichen Regionen, aber auch in urbanen Zentren sollen Kultureinrichtungen Knotenpunkte von Begegnungen und zu sogenannten „Dritten Orten“ werden, die auch Menschen einen Zugang zu Kultur ermöglichen, die davon bislang wenig profitieren. Bei der Besetzung von Intendanzen, bei der Zusammensetzung von staatlich geförderten Kulturbetrieben, bei der Vergabe von Stipendien und Werksaufträgen und bei staatlichen Jurys wollen wir eine Quotenregelung einführen, um Geschlechtergerechtigkeit zu gewährleisten, sowie flache Hierarchien und partizipative Strukturen fördern. Zudem muss auf angemessene Repräsentanz der vielfältigen Gesellschaft geachtet werden. Themen wie Nachhaltigkeit, Diversität und inklusive Teilhabe müssen fester Bestandteil der Ausbildung zu Kulturberufen sein. Auch kulturelle Vielfalt sowie Transkulturalität, also die gegenseitige Durchdringung von Kulturen, wollen wir fördern.
Der Kulturbetrieb und die Künste können eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der Klimakrise spielen. Es gibt viele Initiativen und Akteur*innen, die mit großem Einsatz versuchen, ressourcenschonender zu arbeiten und den Kulturbetrieb ökologisch auszurichten. Die-ses Engagement werden wir durch eine zentrale Beratungsstelle, den Green Culture Desk, unterstützen und einen Green-Culture-Fonds als Förderinstrument einrichten. Künstler*innen geben außerdem wichtige Impulse für die nachhaltige Transformation. Wir wollen im Sinne eines Fonds für Ästhetik und Nachhaltigkeit ein Instrument zur ressortübergreifenden,  transdisziplinären Förderung schaffen, das den Aufbau von langfristigen Strukturen ermöglicht sowie freie Experimentier- und Handlungsräume schafft. Damit sind auch hybride Modelle der Kooperation zwischen Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Akteur*innen der Zivilgesellschaft gemeint.
Den Film als prägendes Medium des Bewegtbildes und Kinos als öffentliche Kulturorte wollen wir angesichts des schnellen Wandels der Produktions- und Vertriebsformen stärken. Um die künstlerische Qualität und Anziehungskraft des deutschen und europäischen Films zu steigern, vereinfachen wir Entscheidungsprozesse: Wir entflechten die Struktur aus Fernsehsendern und einer Vielzahl an Gremien zugunsten kriterienbasierter, automatischer Förderungen und richten unser Augenmerk verstärkt auf die Förderung von Stoffen und Dreh-büchern sowie des Nachwuchses. Verbindliche Quoten sorgen dafür, dass Frauen im Film gleiche Chancen haben. Soziale Mindeststandards und faire Verwertungswege verbessern die ökonomische Lage der Filmschaffenden. Ökologische Produktion wird mit finanziellen Anreizen belohnt. Kinos und Festivals unterstützen wir durch verlässliche Förderinstrumente.
Erinnerungskultur trägt entscheidend zur Selbstverständigung und zum Zusammenhalt bei und ist eine grundlegende Voraussetzung für den Schutz unserer Demokratie. Doch noch immer gibt es Leerstellen in der Aufarbeitung der deutschen Verbrechensgeschichte. Der Nationalsozialismus muss weiter konsequent aufgearbeitet werden. Bisher wenig beachtete Opfergruppen wie die sogenannten „Asozialen“, „Berufsverbrecher“ und „Euthanasie“-Opfer wollen wir würdigen und durch eine angemessene Entschädigung anerkennen. Ihre Lebensgeschichten sowie die Tatorte der Morde sollen erforscht und gekennzeichnet werden. Die finanzielle Förderung der Forschungsarbeiten, die Weiterentwicklung der pädagogischen und wissenschaftlichen Arbeit der Gedenkstätten sowie die weitere Aufarbeitung und Rückgabe von NS-Raubkunst stehen im Mittelpunkt. Dazu gehört auch, den weiteren Verpflichtungen gegenüber Ländern, die unter der deutschen Besatzung gelitten haben, nachzukommen. Auch die SED-Diktatur soll durch die Fortsetzung der Forschung und der politischen Bildungsarbeit an den Außenstellen des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen weiter aufgearbeitet werden. Erinnerungsorte an die friedliche Revolution von 1989, die deutsche Wiedervereinigung und die folgenden tiefgreifenden Transformationsprozesse in Ostdeutschland werden wir in Bundesträgerschaft fördern. Auch die regionalen Aufarbeitungsinitiativen wollen wir stärker in ihrer Arbeit unterstützen und setzen uns für unbürokratische und höhere Ent-schädigungsleistungen für die Opfer und Verfolgten der SED-Diktatur ein. Wir wollen außerdem rechtliche Regelungen für die Rückgabe von Raubkunst der NS- und der DDR-Zeit schaffen. Durch eine zentrale Erinnerungs- und Lernstätte werden wir die Kontinuitäten des Kolonialismus ins Bewusstsein rücken und so eine gesellschaftliche Debatte über unser koloniales Erbe fördern, die eine antirassistische Perspektive auf Geschichte und Gesellschaft ermöglicht. Dazu sind die kritische Aufarbeitung der kolonialen Verbrechen und die Dekolonisierung öffentlicher Räume zentral und es bedarf einer umfänglichen Provenienzforschung, Digitalisierung und transparenten Veröffentlichung sowie verbindlicher Regelungen zur Restitution von Kulturerbe aus kolonialen Kontexten. Das gelingt nur in enger Zusammenarbeit mit den Nachkommen und zivilgesellschaftlichen Initiativen der ehemals Kolonisierten und Geschädigten weltweit. Gleichzeitig muss sich die deutsche Erinnerungskultur für die vielfältigen Erfahrungen und Geschichten der Menschen öffnen, die nach Deutschland eingewandert sind oder deren Geschichte mit der deutschen verwoben ist, und das Gedenkstättenkonzept muss entsprechend weiterentwickelt werden. Wir werden uns auch für eine aktive Erinnerungskultur in allen öffentlichen Institutionen einsetzen.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage umfassend beantworten.
 

Herzliche Grüße,

Behzad Borhani