Frage an Beate Schmidt-Kempe von Hubert Herrmann, D. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Schmidt Kempe,
sie stellen sich bei der anstehenden Bundestagswahl den Bürgern zur Wahl. Das verdient angesichts der schwierigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lage Respekt.
Ein politischer Richtungswechsel wird immer wieder beschworen. Deshalb möchte ich wissen, wie es in der Bundespolitik weiter gehen soll. Deshalb seien mir doch einige Fragen an Sie erlaubt.
Da eine möglichst hohe Transparenz in immer schwierigerer Lage notwendig ist habe ich mich des Instruments “kandidatenwatsch“ des Vereins Mehr Demokratie bedient.
Nun die Fragen, um deren Beantwortung ich bitte:
1. Bildung und Ausbildung:
a)Welche Bedeutung hat für Sie die schulische Bildung unserer Kinder?
(Frühkindliche Förderung, Ganztagsschule)
b)Wie soll Ihrer Meinung nach künftig benach-
teiligten) Jugendlichen der Weg in die Arbeitswelt und zu einem Existenz sichernden Beruf eröffnet werden?
c)Wie sehen Sie das Thema Studiengebühren? Stellen Sie nicht eine weitere Schuldenlast für unserer Kinder dar?
2. Ehrenamt
a)Welche gesellschaftliche Bedeutung soll künftig dem ehrenamtlichenEngagement zukommen? Wie soll es gefördert werden? (Beruf undFreizeit)
b)Wer das Ehrenamt fordert, der muss bürokra-tische Hürden abbauen.Wie stehen Sie dazu?
3.Mitgestaltung von Arbeitswelt und Sozialstaat
a) Welche Möglichkeiten sehen Sie die Arbeitslos-igkeit abzubauen und möglichst viele Menschen in Existenz sichernde Arbeit zu bringen?
b)Sehen Sie im Abbau von bestehenden Arbeitneh-mer(mitsprache)rechten die Möglichkeit Arbeits-plätze zu sichern?
c)Können die sozialen Sicherungssysteme aufrecht erhalten oder müssen mehr steuerfinanzierte Elemente eingeführt werden?
d)Welche Vor- und Nachteile würde eine Bürger-versicherung mit sich bringen? Sollen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapital- erträgen mit in die Beitragspflicht einbezogen werden?
e)Wie kann eine Zweiklassen-Medizin (Stadt-Land, arm – reich) vermieden werden?
f)Der Bürger wird finanziell (Steuern und Abgaben) und ideell (Ehrenamt)
von der Politik gefordert. Kann er aber auch mitgestalten? Wie stehen Sie zur direkten Demokratie, zum Volksbegehren und Volks-entscheid?Sind Sie bereit sich für mehr direkte Demokratie auf Bundesebene zu engagieren?
Mit freundlichem Gruß
H. Herrmann
Hallo Herr Herrmann,
vielen Dank für Ihre Mail. Sie war bei mir untergegangen; deshalb beantworte ich Ihre Fragen erst heute. Ich bitte um Entschuldigung. Gerne beantworte ich Ihre Fragen:
zu 1a) Das wichtigste, was wir unseren Kindern mitgeben können und müssen ist eine gute Bildung. Es ist unbedingt erforderlich, dass der Staat allen Kindern, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern den gleichen Zugang zu Kindergärten, Schulen, Universitäten ermöglicht. Das Angebot der frühkindliche Betreuung muss sehr stark ausgebaut werden. Die Familienstrukturen haben sich geändert. Die Großfamilie, in denen Kinder auch soziales Verhalten lernen ist weitgehend ausgestorben. Das staatliche Angebot sollte das Dorf oder die Großfamilie ersetzen. Kinder lernen in den ersten Lebensjahren sehr schnell. Auch dieser Aspekt wird in unserem heutigen System total vernachlässigt. Eine bessere Förderung ist daher sehr wichtig. Auch für die Chancengleichheit der Mütter im Berufsleben ist frühkindliche Förderung ebenso wie die Ganztagschule von hoher Bedeutung. Immer weniger Akademikerinnen entscheiden sich für Kinder, um den Anschluss nicht zu verpassen.
Insgesamt halte ich eine Kinderförderung und Betreuung nach skandinavischen Muster für wünschenswert. Hierfür setze ich mich ein.
1b) Benachteiligte Jugendliche, dass sind Jugendliche, die z.B. aus sozialschwachen Familien kommen, aus Familien mit Integrationshintergrund oder Menschen, die unter einer Behinderung leiden.Benachteiligt sind auch die Jugendlichen aus den neuen Bundesländern, weil hier nur wenig Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. Es muss natürlich genau hingeschaut werden, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die jungen Menschen in den Ausbildungsprozess zu integrieren. Staatliche und betriebliche Fördermassnahmen, Berufspraktia, Qualifizierung, finanzielle Unterstützung bei notwendigem Umzug,schulische und pädagische Angebote müssen der jeweiligen Notwendigkeit entsprechend in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Die Wirtschaft muss sich auch hier beteiligen. Eine Ausbildungsplatzabgabe sollte gesetzlich verankert werden, wenn der Ausbildungspakt nicht eingehalten wird.
1c) Ich lehne Studiengebühren generell ab. Sie benachteiligen Menschen, die aus Familien mit kleinen bzw. mittleren Einkommen stammen. Sie haben Recht, wenn Sie die These vertreten, junge Menschen werden mit einem zusätzlichen Schuldenberg belastet. Ich weiss aus eigener Erfahrung:
Nach Beendigung des Studiums schließt sich in der Regel die Gründung einer Familie an. Als Universitätsabgänger ist das zu erzielende Einkommen gerade im mittleren Bereich. Es bleibt kaum Zeit, Geld anzusparen etwa für die Wohnungseinrichtung, so das es erforderlich ist, einen Kredit aufzunehmen.
Unabhängig davon braucht unser Land hoch qualifizierte Menschen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Daher ist es notwendig und wünschenwert, wenn junge Menschen sich für ein Studium entscheiden. Der Staat ist m.E. verpflichtet, ihnen einen freien und kostenlosen Zugang zur Universität zu ermöglichen.
2) Natürlich ist jede Regierung auf das Ehrenamt angewiesen. Es verdient daher eine staatliche und möglichst unbürokratische Förderung.Und das Ehrenamt verdient natürlich auch Anerkennung. Wir müssen allerdings der Gefahr, dass das ehrenamt hauptberufliche Tätigkeit ersetzt, entgegenwirken.
3) Politik kann nur Rahmenbedingungen schaffen um Arbeitslosigkeit abzubauen. Diese können z. B. sein: Investion in Forschung und Bildung, Freiräume schaffen, um Innovation zu fördern,
Umstrukturierung der Unternehmenshierachien, um Kreativität am Arbeitsplatz zu förden, der Mittelstand muss ausreichend Investitionskapital zur Verfügung haben, Steuerliche Begünstigungen bei Investitionen im Inland, Löhne nach dem Herkunfslandprinzip, Stärkung der Binnennachfrage auch durch den Mindestlohn, Rückforderung von Subventionen bei Verlagerung der Produktion ins Ausland.
b) Die Lockerung des Kündigungsschutzes oder der Mitbestimmung wird nicht zu weniger, sondern zu mehr Arbeitslosigkeit führen. Dieses belegen Statistiken eindeutig. Menschen mit sicheren und fairen Einkommen sind bereit, zu konsumieren. Der fehlende Konsum lähmt die Wirtschaft.
c) ich bin für die Beibehaltung des solidarischen Systems, d. h. Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen jeweils 50 % in die Sozialkassen. Zusätzlich sollte immer die Möglichkeit bestehen, je nach Leistungsfähigkeit eine zusätzliche Versorgung aufzubauen.
Ich finde, die Bürgerversicherung sollte ist gerecht. Jeder Bürger, auch Beamte und Freiberufler oder Politiker sollten hier einzahlen. Es ist richtig, alle Einkommensarten, auch Einnahmen aus Kapitalvermögen einzubeziehen. Einnahmen aus Mieten sollten einbezogen werden, aber erst ab einer Freigrenze. Alle notwendigen medizinischen Leistungen müssen versichert sein.. So ist eine unterschiedliche Behandlung der armen und der reichen Menschen jedenfalls eingeschränkt. Was medizinisch notwendig ist, muss auch aufgrund des medizinischen Fortschrittes mindestens ein Mal jährlich neu definiert werden.
4. Natürlich bin ich für mehr Beteiligung der Bürger, etwa durch Volksentscheid. Der Bürger wird sich sehr viel intensiver mit Politik auseinandersetzen, wenn seine Stimme gefragt ist. Die derzeitige Politikverdrossenheit ist demokratieschädlich.
Mit freundlichen Grüssen
B. Schmidt-Kempe