Frage an Barbara Hendricks von Paul T. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Hendricks,
Mit Berufung auf den kommunalen Anschluß- und Benutzungszwang werden Bürger daran gehindert, ihr Abwasser gemäß ökologischen Vorgaben selber zu reinigen und wiederzuverwerten. Vor diesem Hintergrund bitte ich um
Beantwortung der nachfolgenden Punkte:
1.) Kommunale Satzungen werden regelmäßig über höherrangiges Recht (WHG, EU-WRRL, LWG) gestellt. Gibt es eine Rechtsgrundlage die den Kommunen dieses gestattet ?
2.) Bei vorh. Kanalisation bestehen die Kommunen regelmäßig auf den bedingungslosen Zwangsanschluß obwohl ohl es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt. Wie stehen Sie dazu ?
3.) Bürger werden gezwungen ihr gekauftes Wasser nach einmaligem Gebrauch der Kommune anzudienen. Die Möglichkeit einer Wiederverwendung wurde zwischenzeitlich gerichtlich bestätigt (VfGBbg Brandenburg 11/06). Mit welchem Recht geschieht dies ?
4.) Der Staat darf nicht willkürlich wesentlich Gleiches ungleich bzw. wesentlich Ungleiches gleich behandeln, trotzdem wird der kommunalen Abwasserreinigung regelmäßig ein besserer Umweltstandard bescheinigt. Laut Umfrage sind ca. 30 % des öffentl. Leitungssystem undicht und marode (IKT-Institut für Unterirdische Infrastruktur). Warum wird nicht zur Kenntnis genommen, dass das Gesetz keinen Vorrang zentraler gegenüber dezentralen Anlagen kennt (§ 18a WHG)?
5.) Gemäß WHG § 1a sind die Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu sichern….und eine Beschleunigung des Wasserabflusses verhindert wird. Mit welcher Begründung wird am kommunalen Anschluss- und Benutzungszwang festgehalten anstatt Nutzwasserrückgewinnungsanlagen zuzulassen?
6.) Auf der einen Seite werden Bürger zum sparsamen Umgang mit Energie und Wasser angehalten, im gleichen Zuge aber zur Verschwendung des wohl kostbarsten Guts Wasser gezwungen indem einmal gebrauchtes Wasser in die Kanalsisation einzulei-ten ist. Ist dies im Sinne der Bundes-/Landesregierung?
mit freundlichen Grüßen
Paul Tiskens
Sehr geehrter Herr Tiskens,
Wasser als Lebensmittel und weltweit knappe Ressource gerät immer mehr in den Mittelpunkt ökologischer und wirtschaftlicher Interessen. Ich finde es gut, dass Sie sich Gedanken machen, wie Sie mit Ihren eigenen Mitteln am besten einen ökologischen Beitrag leisten können. Jede Gemeinde ist gut beraten, ihre Bürger bei solchen Vorhaben zu informieren und zu unterstützen.
Es bleibt aber eine öffentliche Aufgabe, die Versorgung der Einwohner mit Frischwasser und die Entsorgung von Abwasser auf dem Stand der Technik und ökologischen Forschung zu gewährleisten. Wasser als knappe und lebenswichtige natürliche Ressource ist ein Gut der Allgemeinheit, für dessen haushälterische Bewirtschaftung der Staat verantwortlich ist, abzuleiten aus Artikel 20a Grundgesetz. Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) enthält nähere Bestimmungen über die Benutzung, die Unterhaltung und den Ausbau von Gewässern. Es ist ein Rahmengesetz, das durch gesetzliche Vorschriften der Länder ausgefüllt und ergänzt wird. Für NRW regelt §53 des Landeswassergesetzes die Abwasserbeseitigungspflicht, auf Gemeindeebene wird die konkrete Umsetzung und die Gebührensatzung beschlossen. Artikel 28 GG garantiert, dass Gemeinden im Rahmen der Selbstverwaltung auch die Umlage von Bereitstellungskosten und Nutzungsgebühren auf die Bürger beschließen dürfen.
Der Anschlusszwang hat ganz naheliegende und einleuchtende Gründe. Das Gemeinwohl erfordert die ordentliche Entsorgung und am Gemeinwohl sind alle Bürger beteiligt - alle müssen sich also im Prinzip an den Kosten der Bereitstellung der entsprechenden Technik und an der Nutzung dieser Technik beteiligen. Man kann ja zum Beispiel auch nicht seine Steuerlast kürzen mit dem Argument, man nutze keine Autobahn. Die Gemeinde kann auch Ausnahmen vom Anschlusszwang in der Satzung festlegen. In der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserversorgungssatzung der Stadt Kevelaer sind derartige Ausnahmen aber nicht vorgesehen.
Sie erwähnen den Beschluss des Landesverfassungsgerichts Brandenburg. Dort heißt es: " Indem die Beschwerdeführerin einen uneingeschränkten Anschluss- und Benutzungszwang unterstellt und beanstandet, dass bereits nach dem Erstgebrauch des Trinkwassers ein Ableitungszwang in die öffentliche Abwasserentsorgungseinrichtung bestehe und sie "nur das Recht des Wassererstgebrauchs und nicht des Wassermehrgebrauchs" habe, geht sie von falschen Voraussetzungen aus. Sie nimmt insoweit die Entscheidung und die Begründung der angegriffenen Gerichtsentscheidungen, namentlich des Oberverwaltungsgerichts (S. 5 f. des Beschlusses), auch nach dem betreffenden Hinweis des Verfassungsgerichts nicht zur Kenntnis. Sie bleibt berechtigt, das bezogene Frischwasser mehrfach zu nutzen, muss es aber nach der letzten Nutzung der öffentlichen Abwasserbeseitigung zuführen. Für die behauptete Beschwer ist nichts ersichtlich." und: "Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen".
Der grundsätzliche Anschlusszwang wurde also bestätigt. Die Lage in den ostdeutschen Ländern nach der Wende ist aber aus vielen Gründen, vor allem aber wegen der geringen Bevölkerungsdichte nicht mit den alten Bundesländern vergleichbar, auch nicht mit ländlichen Gebieten wie dem Kreis Kleve. Wegen der relativ hohen Anschlusskosten und hoher laufender Gebühren hatten Bürger deshalb ein besonders starkes Interesse, ihre - allerdings meist veralteten - privaten Kläranlagen zu behalten. Interessant ist aber, dass von dieser Möglichkeit nun kaum Gebrauch gemacht wird, weil die Investitions- und Wartungskosten privater Anlagen letztlich doch über den kommunalen Gebühren liegen. Das dürfte besonders auf die alten Bundesländer zutreffen, die im Durchschnitt erheblich niedrigere Gebühren erheben. Denn auch private Entsorger müssen sich am Stand der Technik ausrichten. Sofern man die Wahl hat, helfen Kostenrechner für Kleinkläranlagen, zum Beispiel " klaeranlagen-vergleich.de " bei der Entscheidung.
Ich bin persönlich der Meinung, dass die Kategorie des Nutzwassers neben Frisch- und Abwasser auch in der kommunalen Wasserwirtschaft stärker berücksichtigt werden sollte. Auch andere innovative Konzepte sind als Leitfigur für Weichenstellungen kommunaler Investitionen wichtig. Bei der Abwasserentsorgung wird heute auch wieder in Richtung Verrieselung gedacht, um die kanalisierte Wasserentsorgung zu entschleunigen. Dies ist aber eine Frage von Fachleuten und Kommunalpolitikern vor Ort und sicher ein länger andauernder Prozess.
Ich empfehle Ihnen deshalb, sich mit Ihrem Anliegen auch an den benannten Kevelaerer Bürgermeisterkandidaten und Landtagsabgeordneten Norbert Killewald zu wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Barbara Hendricks