Frage an Barbara Hendricks von Herbert D. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Hendricks,
die Glaubwürdigkeit und das Ansehen von Poliker*innen ist schlicht gesagt miserabel, die Politik(er)verdrossenheit hoch.
Wie werden Sie dem entgegenwirken?
Die Zustände in der deutschen Fleischindustrie sind den Politiker*innen seit mindestens 15 Jahren bekannt, gehandelt wurde wenig bis gar nicht. Mangelnde Hygiene, Ausbeutung der Wanderarbeiter, Verletzung der Arbeitszeitregelung, Verletzung von Arbeits- und Gesundheitsschutz, Verletzung der Menschenrechte, Tierquälerei sind an der Tagesordnung und die Politik hat im Interesse der Fleischindustrie (und in eigenem Interesse? Schönen Gruß an Ihren Kollegen Herrn Johannes Röring aus Vreden-Ellewick: https://lobbypedia.de/wiki/Johannes_R%C3%B6ring) weggeschaut und die Misstände geduldet.
Nun plötzlich - in Zeiten der Pandemie - schreckt die Politik auf und beklagt heuchelerisch die Missstände ....handelt aber immer noch nicht so wie es nötig wäre. Zwar soll es nun ein Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft geben. Aber warum soll das Verbot von Werkverträgen erst ab 2021 gelten, warum werden nicht auch sachgrundlose Befristungen verboten, warum gibt es nach wie vor zu wenig Kontrolleure und Kontrollen und keine wirklich abschreckenden Strafen?
Mehr noch: Da der Fehler im System steckt, muss etwas gegen die Konzentration bei Schlachthöfen & Tierhaltung getan werden.
Könnten Sie mir bitte darauf eine Antwort geben?
Seit Jahren beschweren sich unsere Nachbarländer über das deutsche Lohndumping in der Fleischwirtschaft. Es ist ein Skandal, dass man bis heute nicht mit der gnadenlosen Ausbeutung von Wanderarbeitern ausgeräumt hat, die oft genug selbst um den mickrigen Mindestlohn betrogen werden und denen man hohe Kosten für schäbige Sammelunterkünfte noch vom Lohn abzieht.
Können Sie mir erklären, wieso so etwas im reichsten Land Europas sein darf und welche Werte die SPD-Politiker*innen damit vorleben wollen? Unternehmerwerte oder neoliberale Werte? Oder etwa 'humanistische Werte'? Warum bleiben dann die Menschenrechte auf der Strecke?
Es ist sehr bedauerlich und beschämend wie der CDU-Politikern Laschet und Herr Tönnies sich zu dem Vorfall in Gütersloh geäußert haben und die Schuld für den erneuten Ausbruch im Kreis Gütersloh (Fleischindustrie Tönnies) den Wanderarbeitern in die Schuhe schoben. Das ist fremdenfeindlich und sozialrassistisch.
Für diese schlimmen Folgen muss man Herrn Tönnies zur Rechenschaft ziehen, er sollte Schmerzensgeld an seine Mitarbeiter zahlen, er sollte für den Schaden haften, den er in Gütersloh angerichtet hat!
Wie ist Ihre Meinung dazu?
Es schrieb Ihnen aus Kleve
Herbert Derksen
Sehr geehrter Herr D.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr berechtigtes Anliegen.
Wie Sie völlig richtig sagen, sind die gravierenden Mängel in der Land- und Ernährungswirtschaft nicht vom Himmel gefallen. Mehr Arbeitsschutz, bessere Kontrollen und Hygiene und der Stopp organisierter Verantwortungslosigkeit in Sub-Unternehmerkonstruktionen sind der richtige Weg. Die Ausbeutung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern muss ein Ende haben. Doch notwendige Änderungen für mehr Arbeitnehmerschutz wurden seit Jahren von Seiten der Lobby und der CDU/CSU verhindert. Bei uns im Kreis Kleve kommt erschwerend hinzu, dass die Schlachtbetriebe in den Niederlanden liegen und die Arbeitnehmer im deutschen Grenzraum in schlechten Wohnungen zusammengepfercht werden. In diesem Zusammenhang habe ich auch im Sinne vieler Bürgerinnen und Bürger meines Heimatwahlkreises einen Appell an die Bundesregierung gerichtet, zu prüfen, wie zusammen mit der niederländischen Reichsregierung hier für die dringend notwendige Abhilfe gesorgt werden kann.
Um auf diese Missstände zu reagieren, haben Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und die SPD-Fraktion im Bundestag nun Maßnahmen erarbeitet, die die Stärkung des Arbeitsschutzes und der Rechte für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Angriff nehmen. Wir stellen uns unserer bundespolitischen Verantwortung und sorgen für ein Verbot von Werksvertragsarbeit im jeweiligen Kerngeschäft und Beschränkung von Leiharbeit. Ab dem 1. Januar 2021 werden das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch im Sinne des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes nur noch von Arbeitnehmern des eigenen Betriebes zulässig sein. Damit wären Werkvertragsgestaltungen und Arbeitnehmerüberlassungen nicht mehr möglich.
Wenn es nach mir ginge, könnte das Gesetz bereits viel früher in Kraft treten, aber wir benötigen Rechtssicherheit, da wir mit Klagen aus der Fleischwirtschaft rechnen müssen und das Übel bei der Wurzel packen müssen. Mit dem vorhandenen System der Werksverträge erleben wir organisierte Verantwortungslosigkeit.
Dennoch kann die Bundesregierung bereits jetzt Maßnahmen ergreifen. Dazu gehört, dass die Arbeitsschutzregeln überwacht und eingehalten werden und die Landesbehörden bei ihrem Kontrollauftrag unterstützt werden. Arbeitsminister Hubertus Heil hat schon vor den nun publik gewordenen Missständen die Landesarbeitsminister aufgefordert, streng zu kontrollieren. Offensichtlich hat man sich hier nicht an Regeln gehalten.
Weiterhin soll die Kontrolle der Arbeitszeit durch die Einführung einer verpflichtenden digitalen Arbeitszeiterfassung im Rahmen des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) verbessert werden. Zudem ist die EU-Entsenderichtlinie, die dafür sorgen soll, dass Beschäftigte aus dem EU-Ausland künftig stärker von den in Deutschland geltenden Arbeitsbedingungen profitieren, ohne Abstriche umzusetzen. Um eine effektive Kontrolle von Unterbringungsbedingungen insbesondere in der Fleischbranche zu ermöglichen, werden die eine Unterkunft stellenden Arbeitgeber verpflichtet, die zuständigen Behörden über den Einsatz sowie den Wohnort ihrer ausländischen Arbeitskräfte zu informieren.
Arbeitsminister Heil hat das Eckpunktepapier „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“ bereits im Bundeskabinett durchgesetzt. Jetzt gilt es, dieses zügig 1:1 umzusetzen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat das immer wieder zum Thema gemacht und bereits 2017 in der Regierung das Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft durchgesetzt. Hier gab es bereits Vorgaben für Zeiterfassung, Nachunternehmerhaftung, Arbeitsschutz und mehr. Aktuelle Missstände zeigen, dass weiterer Handlungsbedarf besteht. Deshalb müssen die Regeln jetzt weiter verschärft werden.
Mit freundlichen Grüßen
Barbara Hendricks