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Frage von Herbert D. •

Frage an Barbara Hendricks von Herbert D. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Werte Frau Dr. Hendricks,

mit Ottmar Schreiner ist ein mutiger und aufrechter Sozialdemokrat ( http://www.taz.de/Ottmar-Schreiner-ist-tot/!114108/ ) von uns gegangen. Sein Mut, sich für Jahre hinweg – teilweise gegen entschiedenen Widerstand der SPD-Führung – für die Interessen der Arbeitnehmerschaft eingesetzt zu haben, ist Anlass genug für Respekt und Dankbarkeit!

Heute musste ich mit Entsetzen hören, dass die Bundesagentur für Arbeit Jagd auf kranke Hartz-IV-Empfänger macht ( http://www.nachdenkseiten.de/?p=16795 ). Es wird diesen Menschen unterstellt sich dem Arbeitsmarkt zu entziehen und den Sozialstaat zu schaden. Auf der anderen Seite schädigen nach Schätzungen der OECD Steuerhinterzieher den deutschen Staat mit jährlich mehr als 100 Mrd. Euro ( http://www.boeckler.de/41281_41291.htm ). Hier sind die deutschen Behörden gegenüber den Kriminellen wohlwollender ( http://www.heise.de/tp/artikel/35/35176/1.html ). Die Verhältnismäßigkeiten sind meiner Meinung nach nicht gewahrt. Wie wird die SPD Stellung beziehen und wird sie die Arbeitssuchenden vor dem Unbill der Agentur für Arbeit (AfA) schützen?

Laut DIHK-Chef Schweitzer benötige Deutschland bis 2025 etwa 1,5 Millionen Fachkräfte aus dem Ausland ( http://www.nachdenkseiten.de/?p=16784#h02 ). Wieso kann dann die AfA den Arbeitssuchenden (Arbeitslose und Niedriglöhner) keine angemessene und gutbezahlte Arbeitsstelle vermitteln? Worin sehen Sie die Ursache, dass rund 7 Millionen Arbeitssuchende und die weit über sieben Millionen Niedriglöhner sowie 300.000 Jugendliche (siehe Anmerkungen zum obigen Artikelausschnitt) keine geeignete Anstellung bzw. Lehrstelle finden? Mag es mit unzulänglicher Ausbildung(sfähigkeit), unzureichenden Kenntnissen, zu hohen Lohnforderungen oder mit dem Müßiggang der Arbeitskräfte zusammenhängen? Wie wird die SPD diesen Menschen - insbesondere den jungen Menschen, unsere Zukunft - beistehen?

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Herbert Derksen
(Dipl.-Physiker)

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Derksen,

ja, Sie haben recht: Ottmar Schreiner war als linker Sozialdemokrat ein wichtiger Wegweiser für die SPD und sein Tod ist ein großer Verlust für uns. Bei den Sozialdemokraten, in Deutschlands linker Volkspartei, sah er die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen am besten aufgehoben.

Sie fragen, wie die SPD Menschen in schwierigen Phasen ihres Lebens beistehen will, das heißt, welches Gesellschaftsbild wir haben. Wir wollen eine solidarische Arbeitsgesellschaft, in der die Menschen für sich selbst sorgen und eine Familie ernähren können, von der sie notfalls aber auch aufgefangen werden können. Eine gute Arbeit gehört zur Menschenwürde und ist der Weg aus sozialer Ungleichheit. Heute haben wir aber das Problem, dass die Reallöhne für zu viele Beschäftigte gesunken sind, während die Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen zugenommen hat. Leiharbeit wird missbraucht, um Tariflöhne zu umgehen. Der Staat muss jedes Jahr Milliarden von Euro zahlen, um Dumpinglöhne aufzustocken, von denen die Menschen nicht leben können. Werkverträge werden missbraucht, so dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schutzlosen Tagelöhnern werden. Diese Entwicklung höhlt die soziale Marktwirtschaft aus und bedroht den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Deshalb wollen wir in unserem Regierungsprogramm einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro und die Tariflöhne stärken, wozu auch eine leichtere Allgemeinverbindlichkeitserklärung zählt. Wir bekennen uns zur Tarifeinheit. Wir wollen das Prinzip des gleichen Lohns für gleiche und gleichwertige Arbeit für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer. Wir wollen Entgeltgleichheit für Frauen. Ein Recht auf die Rückkehr in Vollzeitarbeit soll vor allem Frauen vor der Sackgasse langjähriger erzwungener Teilzeitbeschäftigung bewahren. All das sind notwendige Initiativen zur Stärkung der Arbeitsgesellschaft und zur Teilhabe an der Wohlstandsentwicklung.

Die wichtigste Initiative – das muss unser zentrales Projekt für Deutschland im Jahr 2020 sein – ist für uns aber die Verbesserung der Bildungschancen. Jedes Jahr verlassen Zehntausende Jugendliche ohne Abschluss die Schule. Seit zehn Jahren gibt es keine Verbesserung bei den Jugendlichen ohne Berufsausbildung – aktuell 1,5 Millionen junge Erwachsene zwischen 20 und 30 Jahren starten so in ein Arbeitsleben ohne Perspektiven. Deshalb werden wir die Bildungsinvestitionen steigern! Und wir sagen klar: Wer bessere Bildung will, ohne neue Schulden zu machen, der muss auch bereit sein, für diejenigen, die in den letzten Jahren die größten Einkommenszuwächse hatten, die Steuern zu erhöhen.

Die jetzige Regierung handelt nicht, sondern sie reagiert nur und profitiert von vergangenen Entscheidungen. Deutschland braucht aber zur Sicherung seiner Zukunft eine entschlossene, vorausschauende und mutige Reformpolitik. Dazu zählt der Infrastrukturkonsens für unser Land: Schluss mit dem Verfall lebenswichtiger Infrastruktur, Schluss mit der Blockade zentraler Innovationen, Trendwende zu höheren Investitionen in Verkehrs-, Strom- und Breitbandnetze. Eines hat die Regierung Merkel nie begriffen: Die Reformen, die wir vor zehn Jahren begonnen haben, konnten ihre Wirkung nur entfalten, weil wir zugleich massiv in Bildung und Infrastruktur investiert haben.

Sehr geehrter Herr D., wie Sie selbst andeuten, sind die Gründe für Arbeitslosigkeit im Einzelnen vielfältig und verschieden. Deshalb gibt es auch keine einfachen und kurzen Antworten. Ich habe Ihnen skizziert, welche Politik die SPD für Deutschland für notwendig hält, damit unsere Gesellschaft die kommenden Herausforderungen gemeinsam und voll Zuversicht bestehen kann. In unserem Regierungsprogramm, das wir jetzt in Augsburg vorgestellt haben, finden Sie Mehr zu unseren Vorstellungen und Umsetzungsplänen.

Mit freundlichen Grüßen
Barbara Hendricks