Frage an Barbara Cárdenas Alfonso von Manfred M. bezüglich Gesundheit
Guten Tag,
sehen Sie als "Die Linke" eine Legalisierung von Cannabis vor?
Sehr geehrter Herr Meier,
gerne antworte ich auf Ihre Frage, auch wenn ich zwar verantwortlich für den Offenbacher Wahlkreis, aber nicht die fachliche Expertin für diese Frage bin.
Unser Wahlprogramm zur Landtagswahl 2008 enthielt folgenden fachlichen Anhang zur Drogenpolitik:
Drogenpolitik: Für rationale und humane Veränderungen!
Die gegenwärtige Drogenpolitik schafft eine Vielzahl von Problemen:
Das materielle und psychische Elend von Drogenkranken ist nicht nur in Ballungsräumen sichtbar und die Zahl der Drogentoten ist wieder gestiegen. Dies ist zu einem erheblichen Teil auch die Folge einer verfehlten Drogen- und Repressionspolitik der Landesregierung.
Die Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Drogen folgt keinem nachvollziehbaren Prinzip, sondern ist zufällig und willkürlich. Vielfältige Erfahrungen zeigen, dass staatliche Verbote nur selten vom Drogenkonsum abhalten können. Stattdessen wird durch die Prohibitionspolitik (Verbotspolitik) ein illegaler Wirtschaftszweig befördert. Die Alkohol-Prohibition in den USA von 1919 bis 1933 ist hierfür ein abschreckendes Beispiel.
Die derzeitige Kriminalisierung von drogengebrauchenden Menschen schafft durch Zerstörung von Lebensläufen, Vertrauensverhältnissen, Freundschaften und Familien mehr Probleme, als sie vorgibt zu lösen!
Eine Drogenpolitik, die den Vorgaben von Vernunft und Humanität folgen will, wird für Menschen mit problematischen Konsummustern (im Sinne von Abhängigkeit und Krankheit), letztendlich nur durch eine enge Verbindung von Prävention durch glaubhafte und sachgerechte Aufklärung, ausstiegsorientierten Hilfen, Drogensubstitution und weiteren Gesundheitshilfen für Drogenkranke erfolgreich sein.
Um die Kriminalisierung von DrogengebraucherInnen zu beenden, treten wir für eine Änderung des Betäubungsmittelrechts im Sinne einer deutlichen Liberalisierung ein.
Unser Ziel ist ein humanes und fachlich überzeugendes Konzept, welches abhängigen Betroffenen eine grundsätzliche Perspektive für den Ausstieg aus der Sucht ermöglicht.
Ein wichtiger Unterpunkt der Ausgrenzung von DrogenkonsummentInnen durch Diskriminierung und Kriminalisierung ist die Anwendung des Fahrerlaubnisrechts gegen DrogenkonsumentInnen auch ohne akut berauschte Teilnahme am Straßenverkehr:
Seit 1998 wird das Fahrerlaubnisrecht, vor allem gegenüber CannabiskonsumentInnen, zunehmend als »strafrechtliches« Mittel missbraucht: Während Alkohol und andere »harte« Drogen sich im Blut linear auf- und abbauen, baut sich Cannabis in Halbwertzeiten ab, so dass Restwerte auch nach langer Zeit seit dem letzten Konsum noch nachweisbar sind. Dieser Sachverhalt, und schwammige Vorgaben im Fahrerlaubnisrecht führen dazu, dass CannabisgebraucherInnen auch dann mit führerscheinrechtlichen Maßnahmen (MPU, Drogenscreening, Führerscheinentzug) »bestraft« werden, wenn sie nicht unter Rauscheinwirkung am Straßenverkehr teilgenommen haben. Wir werden zu dieser Problematik aufklären, um wissenschaftlich nachvollziehbare THC (psychoaktiver Cannabiswirkstoff) -Grenzwerte für die Anwendung des Fahrerlaubnisrechts zu erreichen.
Daher treten wir ein für:
die Regelversorgung von sogenannten »Schwerstabhängigen« mit Diamorphin/Heroin;
ausreichende Konsumräume mit hygienischen Bedingungen;
ausreichende und bedarfsorientierte psychosoziale Begleitung und Betreuung von Rauschmittelabhängigen auf freiwilliger (!) Behandlungsgrundlage;
niedrigschwellige und akzeptanzorientierte Drogenhilfe;
mehr Finanzmittel des Landes für psychosoziale Beratungs- und Betreuungsstellen und eine deutlich bessere Unterstützung für Nachsorge-Projekte und Selbsthilfegruppen: Entwicklung und Ausbau von Rechts- und Sozialberatung, sowie vor allem Ausbau der Hilfe zur Wiedereingliederung in Beruf und Ausbildung und die Förderung von Arbeitsprojekten;
Entkriminalisierung von DrogenkonsumentInnen durch Festlegung geringer Mengen, bei denen kein Strafverfahren eingeleitet wird;
nachvollziehbare THC-Grenzwerte auf wissenschaftlich gesicherter Grundlage für die Teilnahme am Straßenverkehr;
die Regulierung des derzeitigen völlig »freien« Drogenmarktes durch eine Bundesratsinitiative oder ein hessisches Modellprojekt für Cannabis, welches den Besitz, Erwerb, Anbau und Handel unter Berücksichtigung des Jugendschutzes legalisiert;
mittel- und langfristig: die Entwicklung eines Modells von Drogenfachgeschäften, wo dann weitere z. Zt. illegalisierten Substanzen verkauft werden können;
Einführung einer Unterrichtseinheit »Genuss- und Rauschmittelkunde« an den Hessischen Schulen als Teil einer glaubhaften Prävention durch objektive Aufklärung über mögliche Folgen des Drogenkonsums.
Soweit unsere differenzierte Position
Vielleicht noch ein paar links, in denen Sie selbst stöbern können:
Bereits 2008 forderte die Linke in Bayern, den Eigenanbau zu legalisieren:
http://www.die-linke-bayern.de/politik/presse/detail/archiv/2008/januar/zurueck/archiv/artikel/eigenanbau-von-cannabis-legalisieren-grossrazzia-rechtlich-fragwuerdig/
Die Legalisierung könnte auch Geld in die öffentlichen Kassen spülen:
http://www.derwesten.de/nachrichten/politik/Linke-will-in-der-Krise-Cannabis-legalisieren-id314335.html
Zur Einordnung in die allgemeine Drogenpolitik siehe:
http://die-linke.de/politik/themen/themenaz/ad/drogen/
und
http://www.linke-drogenpolitik.de/
Auch hat unsere Bundestagsfraktion dieses Jahr eine kleine Anfrage zur Entkriminalisierung beim Besitz sog. Geringer Mengen gestartet. Siehe:
http://www.hanfjournal.de/hajo-website/artikel/2011/128_maerz/s31_0311_geringe_menge.php
Ich hoffe, Ihre Frage damit beantwortet zu haben. Bei Nachfragen wenden Sie sich gerne wieder an uns. Ich würde dann Ihre Fragen an unseren fachlich zuständigen Sprecher weiter leiten.
Mit freundlichen Grüßen
Barbara Cárdenas