Frage an Bärbl Mielich von Oliver S. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Mielich,
als Einwohner des Wahlkreis Breisgau und als in der Schweiz tätiger Verkehrsspezialist (SPV) möchte ich mich bei ihnen v.a. bzgl. des Ausbaus des ÖPNV im Raum Breisach/Freiburg/Basel erkundigen (gerne aber auch nehme ich Ihre Antworten zu einer Gesamtverkehrlichen Entwicklung entgegen, danke):
1) welches sind ihre persönliche Ziele diesbzgl. bzw. welche Ziele ihrer Partei sind hierfür vorgesehen?
2) wie sollen diese dann umgesetzt werden (auch bis wann) und wie können/möchten sie persönlich dazu beitragen? Welche Massnahmen sehen sie als dringlich und hoch-prioritär an?
3) wie stehen sie zum Ausbau der Breisgau S-Bahn und in welchem zeitlichen Horizont sehen sie eine realistische Umsetzung dieses "Grossvorhabens"? Sehen sie eine realisitische Chance, dass dieser (überfälliger) Ausbau bis in den kommenden 8-10 Jahren umgesetzt werden kann.
4) Wie sehen Sie den Ausbau der "4-Spur Karlsruhe-Basel" und wie können Sie als (mögliches)MdL dieses (europaweit) wichtige Vorhaben pushen und weitere Verzögerungen beim Ausbau verhindern?
5) wie sehen sie die anstehende Ausschreibung (2014ff.) der ÖPNV-Verkehre auf der Schiene in BaWü? Wird das Land bzw. die MdL´s wiederum nur auf den Preis der eingegehende Angebote schauen od können/sollten nicht auch Kriterien wie Angebotsdichte und Qualität sowie Kundennähe der (neuen) Betreiber einen grosse Rolle bei der Vergabe von Leistungen an die Verkehrsunternehmen spielen?
Des weiteren habe ich noch eine weitere Frage bzgl. der Finanzierung der öffentlichen Haushalte - was und wo sehen sie als Kanditatin dringlichen Handlungsbedarf und wie bzw. wo sollte die Politik in der nächsten Legislatur ihre Schwerpunkte legen. Sollte der Statt weitere Investitionen (auch "auf Pump") vornehmen od muss aus Ihrer Sicht eine konsequente Sparpolitik gelten?
Vielen Dank für die Beantwortung meiner (umfangreichen) Fragen!
Freundliche Grüsse und viele Erfolg für die Landtagswahl 2011,
O.Specker
Sehr geehrter Herr Specker,
1.Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) und -fernverkehr muss eine verlässliche Alternative zum Autoverkehr werden. Eisenbahn (Regionalzug und S-Bahn), Stadtbahn, Omnibus und Anrufsammeltaxi sind so miteinander zu vertakten, dass jede Gemeinde von 5-24 Uhr mindestens stündlich angefahren wird. Nachtzüge oder -busse sollen in den Nachtstunden für mehr Verkehrssicherheit sorgen. Damit gerade Kinder, Jugendliche und mobilitätseingeschränkte Menschen auf dem Land auch ohne Auto mobil bleiben, müssen zusätzlich zum Linienverkehr vermehrt Rufbusse oder Anrufsammeltaxis eingesetzt werden. Der ÖPNV muss allen Menschen Teilhabe und Mobilität ermöglichen. Deshalb wollen wir künftig noch stärker darauf achten, dass die Tarife im ÖPNV bezahlbar sind. Wir GRÜNEN setzen uns dafür ein, dass der ÖPNV endlich Vorrang vor dem Individualverkehr erhält. Wir wollen, dass der Schienennahverkehr landesweit mit einem dichten und regelmäßigen Taktfahrplan und mit modernen und komfortablen Fahrzeugen fährt.
Für die Rheintalbahn ist tagsüber zwischen Basel und Freiburg ein Halbstundentakt plus eine zusätzlichen Verbindung zwischen Müllheim und Freiburg (Verbindung nach Mulhouse) und stündliche Verbindungen in den Nachtstunden bis ca. 1.00 Uhr, sowie zusätzliche Nachtbusse oder Nachtzüge am Wochenende notwendig.
Längerfristig wollen wir erreichen, dass es in ganz Südbaden nur noch einen Tarifverbund gibt.
Kurzfristig wollen wir erreichen, dass die Verbundtarife auch in einem bestimmten Bereichen des Nachbarverbundes gelten.
2. Ich werde mich wo immer möglich für eine Verbesserung der Nahverkehrsleistungen einsetzen. Um die Verkehrsinfrastruktur im Nahverkehr zu verbessern, wollen wir den größten Teil der Investitionszuschüsse nicht mehr projektbezogen ausgeben, sondern den Kommunen pauschal zur Verfügung stellen: Zwei Drittel des Geldes sollen für kleinere Projekte an die Gemeinden fließen, die davon mindestens 50 Prozent in den ÖPNV investieren müssen. Fahrgäste müssen sich auf den Service im Öffentlichen Nahverkehr verlassen können. Die Qualitätsstandards (z.B. im Hinblick auf Pünktlichkeit, Anschlusssicherheit, Sauberkeit, Verkaufsstellennetz) wollen wir vertraglich festlegen. Die Verbesserung des Zugangebotes ist nur durch Vergaben im Wettbewerb zu finanzieren. Hier sind wir bis 2016 an den bestehenden Verkehrsvertrag mit der DB gebunden, bei dem es zu einer deutlichen Überkompensation zu Gunsten der DB kommt. Sofern nicht die juristische Möglichkeit besteht aus diesem für das Land sehr ungünstigen Vertrag herauszukommen können wir in der folgenden Legislaturperiode keine großen Sprünge bei der Angebotsverbesserung machen und müssten uns damit begnügen, durch eine überlegte Ausschreibungspolitik für die Zeit ab 2016 möglichst viele Verbesserungen zu erreichen. Auch gegenüber den Verbünden besteht erst dann für eine Landesregierung mit grüner Beteiligung eine wirksame Durchgriffsmöglichkeit, wenn die laufenden Verbundförderverträge ablaufen. Wann dies in unserer Region konkret der Fall sein wird entzieht sich leider meiner Kenntnis.
3. Die Entscheidungen über den Ausbau der Breisgau-S-Bahn fallen im Kreistag und im ZRF. Von Landesseite werden solche Maßnahmen bezuschusst. Der Ausbau der Strecke nach Breisach ist Teil des Projekts 2020 des ZRF das auch von grüner Seit unterstützt wird. Die Nachfrage auf der Strecke Breisach-Freiburg erfordert dringend die Elektrifizierung und Ertüchtigung der Strecke. Wir streben an, den finanziellen Spielraum des Landes für solche sehr sinnvollen Maßnahmen zu erhöhen, indem aus dem teuren und schädlichen Projekt Stuttgart 21 ausgestiegen wird.
4. Neben der Verbesserung regionaler Verkehrsverbindungen hat für uns der zügige und menschengerechte Ausbau der Rheintalstrecke im Schienenverkehr Priorität. Die Rheintalbahn ist die zentrale europäische Güterzugverbindung. Wir wollen mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagern und stehen zum viergleisigen Ausbau der heute schon überlasteten Strecke.
Wir lehnen „Stuttgart 21“ und die Schnellfahrstrecke Wendlingen am Neckar-Ulm in ihrer derzeitigen Planung ab, da die Projekte verkehrspolitisch fragwürdig und viel zu teuer sind.
5. Fahrgäste müssen sich auf den Service im Öffentlichen Nahverkehr verlassen können. Die Qualitätsstandards (z.B. im Hinblick auf Pünktlichkeit, Anschlusssicherheit, Sauberkeit, Verkaufsstellennetz) wollen wir vertraglich festlegen. In den Ausschreibungsverfahren sind die entsprechenden Kriterien ebenfalls zu Grunde zu legen. Durch für die Bieter schmerzhafte Vertragsstrafen bei Nichteinhaltung und eine wirksame Kontrolle wollen wir gewährleisten, dass vereinbarte Qualitätsstandards auch eingehalten werden.
6. Die Grünen setzen sich für eine nachhaltige Finanzpolitik ein, die nicht weiter Schulden zu Lasten künftiger Generationen macht. Ohne Kredit - oder nicht auf Pump - wie Sie schreiben, zu finanzieren, heißt, die Aufgaben und die Einnahmen zur Übereinstimmung zu bringen. Der Staat muss sich auf seine Kernaufgaben wie Bildung und Soziale Sicherung beschränken und wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern auch offen sagen, dass bei einer hohen Qualität staatlicher Leistungen Steuersenkungen nicht möglich sind, wenn der Staat nicht mehr ausgeben soll als er einnimmt.
Ich hoffe, das beantwortet Ihre Fragen.
Mit freundlichem Gruß
Bärbl Mielich