Frage an Bärbl Mielich von Ulrich B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Mielich,
voraussichtlich am 16.02. soll dem Kabinett der Referentenentwurf des BAMS iS "Scheinselbständigkeit" präsentiert werden.
Ich möchte Sie bitten, sich gegen diesen Entwurf in der vorliegenden Fassung auszusprechen. Hintergrund ist, dass dieser zwar berechtigterweise die Rechte von Arbeitnehmern stärkt, welche sich zumeist in eher einfachen prekären Beschäftigungsverhältnissen befinden.
Zugleich gefährdet dieser aber in einem Aufwasch den gesamten Berufsstand der Freelancer/Selbständigen (> 2,5 Mio Erwerbstätige in D), da die Kriterien für ein Vorliegen einer etwaigen "Scheinselbständigkeit" so ausgestaltet werden, dass eine selbständige Erbringung von Aufträgen und Arbeiten unmöglich gemacht wird.
Hierbei handelt es sich zumeist NICHT um schutzbedürftige Bürger, deren Arbeitskraft ausgenutzt wird sondern vergleichsweise den Mitgliedern der freien Berufe um Menschen, die sich für diese Art und Weise der Berufsausübung freiwillig entschieden haben und deren Einsatz überdurchschnittlich vergütet wird.
Zudem ist die Industrie auf den Einsatz von selbständigen Fach- und Führungskräften auf Zeit angewiesen, um Vakanzen zu überbrücken, Projekte zu ermöglichen oder die Transformation neuer Prozesse und Geschäftsmodelle zu ermöglichen (z.B. Industrie 4.0).
Die große Unsicherheit durch die neuen Regelungen zur Scheinselbständigkeit gefährdet mittlerweile sogar die Durchführung von Beratungsprojekten, mit noch nicht absehbaren Schäden für die deutsche Wirtschaft.
In diesem Sinne meine Bitte, darauf einzuwirken, dass das Gesetz nicht in der vorliegenden Fassung verabschiedet sondern an den Entwurfsverfasser zurückgegeben wird, mit dem Auftrag, eine sachgerechte Unterscheidung der Behandlung von schutzbedürftigen Arbeitnehmern einerseits und unternehmerisch agierenden Selbständigen andererseits zu ermöglichen.
Sehr gerne stehe ich Ihnen für vertiefende fachliche Informationen und Gespräche zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Baier
Sehr geehrter Herr Baier,
Vielen Dank für Ihre Mail zum Referentenentwurf „Scheinselbständigkeit“. Es handelt sich hierbei um ein Verfahren auf Bundesebene. Dennoch möchte ich Ihnen gerne kurz meine Position darstellen:
Ich unterstütze die Bundesregierung bei dem Vorhaben, illegale Leiharbeit mittels Werkverträge zu unterbinden. Auch die Schein-Selbstständigkeit von Personen, die durch eine wirtschaftliche Abhängigkeit in prekäre Situationen gedrängt werden, muss verhindert werden. Im Ziel bin ich also mit der Bundesregierung einig. Die gewählten Maßnahmen kritisiere ich aber.
Die Bundesregierung hat Abgrenzungskriterien im BGB formuliert und will damit den Missbrauch von Werkverträgen an Drittfirmen und Schein-Selbstständigkeit gleichermaßen mit denselben Kriterien verhindern. Ich meine aber, dass wird den unterschiedlichen Problemen nicht gerecht.
Bei dem Missbrauch von Werkverträgen geht es nicht um Selbstständigkeit, sondern hier handelt es sich um eine Auftragsvergabe an andere Unternehmen mit Beschäftigten, die regulär sozialversicherungspflichtig angestellt sind. Notwendig sind dafür klare rechtssichere Kriterien zur Abgrenzung von Leiharbeit und Werkverträgen. Und diese Kriterien gehören nicht in das BGB, sondern vielmehr in das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.
Die Frage, wann besteht eine Schein-Selbstständigkeit und wann eine echte Selbstständigkeit, ist hingegen viel schwieriger zu beantworten. Manche werden in prekäre Situationen, in eine Schein-Selbstständigkeit, gedrängt. Andere aber haben sich bewusst für die Selbstständigkeit entschieden und viele brauchen - sofern sie tatsächlich für das Alter abgesichert sind - in keiner Weise die Fürsorge des Staates, weil sie gut oder sogar sehr gut von ihrer Selbstständigkeit leben können. Da bin ich ganz bei Ihnen. Es ist auch bekannt, dass viele Selbstständigen und deren Verbände die Statusfeststellungsverfahren zunehmend als Problem wahrnehmen. Sie klagen über unzeitgemäße Abgrenzungskriterien, langwierige Statusfeststellungsverfahren, hohe Bürokratie und über widersprüchliche Gerichtsurteile. Das führt zu Verunsicherung bei den Selbstständigen und Auftraggebenden gleichermaßen. Notwendig sind deshalb klare, aber an eine moderne Arbeitswelt angepasste Kriterien, die zwar gezielt Missbrauch verhindern, aber die echten Selbstständigen in ihrer Tätigkeit nicht beeinträchtigen, sondern vielmehr unterstützen. Die von der Bundesregierung entwickelten Kriterien passen da meiner Meinung nach nicht mehr. Sie entsprechen eben nicht einer sich verändernden, modernen Arbeitswelt.
Vor diesem Hintergrund sind die Maßnahmen der Bundesregierung nicht akzeptabel. Wenn der Gesetzentwurf dennoch in dieser Form eingebracht wird, wird dies - so die Aussage der Arbeitspolitischen Sprecherin der Fraktion GRÜNE im Bundestag - im parlamentarischen Verfahren auch heftig kritisieren werden.
Mit freundlichen Grüßen
Bärbl Mielich