Frage an Axel Voss von Reinhard G. bezüglich Recht
Kürzlich haben die USA Sanktionen gegen Richter des Internationalen Strafgerichtshofes veranlasst. Wie reagiert die EU darauf? Glauben Sie, dass dadurch die Handlungsfähigkeit des Strafgerichtshofes beeinträchtigt ist? Ist er noch frei, unabhängig zu ermitteln?
Wäre es Sache des Internationalen Strafgerichtshofes, den Fall Nawalny zu untersuchen? Manche fordern in letzter Zeit, nur wegen eines bestimmten Verdachtes in dem Fall, weitreichende Sanktionen. Sollte nicht, bevor darüber entschieden wird, das Urteil eines unabhängigen Gerichtes abgewartet werden?
Seit Ende 2019 wird Nord Stream 2 wegen US-Sanktionsdrohungen nicht weiter gebaut. EU-Länder sollen so genötigt werden, Fracking-Gas aus den USA anstelle von russischem Erdgas zu beziehen. Bei der Förderung von Fracking-Gas werden große Mengen Methan frei, das 25-mal klimaschädlicher ist als CO2. Knappes Wasser wird mit Chemikalien versetzt. Es ist kaum mit dem „Green Deal“ und den Klimazielen der EU zu vereinbaren, noch mehr Fracking-Gas zu beziehen. Was sagen Sie zu den Sanktionen?
Der Bau von Nord Stream 2 hat Milliarden gekostet. Vielleicht gibt es Zusagen, Erdgas abzunehmen. Wer würde voraussichtlich eine Entschädigung zahlen, falls das Projekt kurz vor Fertigstellung beendet wird? Vielleicht die USA, weil sie die Fertigstellung sanktionieren? Oder möglicherweise die EU? Könnte es möglicherweise einen Konflikt wegen der Angelegenheit geben?
Manchmal kann die Wahrheit eine andere sein, als es zunächst den Anschein hat. Als beispielsweise in den 80igern immer wieder vermeintliche sowjetische U-Boote vor der Küste Schwedens auftauchten, hatte das Auswirkungen auf die Politik von Olof Palme. Heute weiß man, dass es keine sowjetischen U-Boote waren. Die Vorfälle werden einem „Komitee für Täuschungsoperationen“ zugerechnet. Nach dem Zerfall der Sowjetunion konnten Kriminelle an alle Kampfstoffe kommen und diese verkaufen. Daraufhin wurden die chemischen Kampfstoffe mit westlicher Hilfe vernichtet.
Sehr geehrter Herr Großmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu den US-Sanktionen gegen Mitglieder des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) und zum Bau von Nord Stream 2. Hierzu kann ich Ihnen folgendes mitteilen.
Der Internationale Strafgerichtshof ist eine eigenständige internationale Organisation im Sinne des Völkerrechts. Der Gerichtshof befasst sich mit Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression. Dabei kann dieser nur über natürliche Personen und nicht über Staaten urteilen. Die USA haben, genau wie Russland auch, das Abkommen über den IStGH unterzeichnet und später wieder ihre Unterschrift zurückgezogen. Damit darf der Gerichtshof nicht über Verbrechen entscheiden, die innerhalb der USA oder Russlands begangen worden sind, sodass auch der Fall Nawalny nicht vom Gerichtshof untersucht werden darf.
Allerdings ermächtigt der Gründungsvertrag des IStGH, das so genannte Römische Statut, das Gericht dazu, Verbrechen in den derzeit mehr als 120 Mitgliedstaaten zu verfolgen. Da Afghanistan dem Vertrag beigetreten ist, kann das Gericht alle Verbrechen auf afghanischem Staatsgebiet verfolgen, darunter auch Verbrechen, die von US-Bürgern dort begangen wurden.
Die Sanktionen der US-Regierung gegen Mitarbeiter des Internationalen Strafgerichtshofes halte ich für ein verheerendes Signal. Es nicht hinnehmbar, dass nun die Menschen, die Verbrechen und den Bruch des Völkerrechts aufklären sollen, selbst Zielscheibe von Sanktionen eines Rechtstaates werden.
Zu Nord Stream 2: Ich bin wie auch die deutsche Bundesregierung der Auffassung, dass Nord Stream 2 als privatwirtschaftliches Projekt dazu beitragen wird, langfristig eine günstige und sichere Versorgung mit Erdgas in Deutschland und auch in Europa zu gewährleisten. Da allerdings dieses Projekt auch innerhalb der EU kritisch gesehen wird, ist es nicht realistisch, auf die Sanktionen der USA eine europäische Antwort zu geben.
Die Vertragsinhalte und möglichen Strafen sind mir als Europaabgeordneten nicht bekannt, da es sich um ein privatwirtschaftliches Projekt handelt, dass von der deutschen Bundesregierung begleitet wird.
Mit freundlichen Grüßen
Axel Voss