Axel Voss
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Frage von Anne R. •

Frage an Axel Voss von Anne R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Voss,

Sie sind angetreten die Rechte der Bürger zu vertreten. Wieso machen Sie sich stattdessen zum Sprachrohr der Konzerne und übernehmen schamlos deren Positionen zum Aufweichen des Datenschutzes? Sie machen sich ja noch nicht einmal die Mühe, den Wortlaut der Lobbypapiere zu ändern: http://lobbyplag.eu/map
Warum sind Ihnen die Interessen gewinnorientierter Unternehmen so viel wichtiger, als der Datenschutz der Bürger?

Axel Voss
Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Rothenbach,

die EU-Datenschutzgesetzgebung verfolgt seit jeher zwei gleichrangig wichtige Ziele: Den Schutz der Daten des Einzelnen und aber auch die Möglichkeit der Verwendung vom jeweiligen Nutzer freigegebenen Daten im europäischen Binnenmarkt. Ohne solche Möglichkeiten gäbe es in Zukunft nicht mehr die gewohnten Angebote kostenfreier Email-Accounts oder sozialer Netzwerke - und auch keine innovativen Unternehmensideen im Netz. Bezahldienste für alles: Das ist nicht meine Vision. Ich setze mich für eine Balance und eine gleichzeitige Verwirklichung beider Ziele ein. Wir müssen akzeptieren, dass Europa ohne Wachstum im digitalen Markt in der Zukunft nicht bestehen kann.

Es gilt eines auch als Alltag festzustellen: Es ist üblich, dass Unternehmen, Verbände oder Organisationen jeglicher politischer Ausrichtung an Abgeordnete - und genauso an die nationalen Regierungen und die EU-Kommission - bei Gesetzesvorhaben heran treten, um ihre Interessen zu verdeutlichen und zu formulieren. Alle Änderungsanträge, die im Gesetzgebungsprozess eingebracht werden, haben einen realen Interessenshintergrund. Diese Interessensgrundlagen gilt es zu erkennen und abzuwägen. Die Änderungsanträge kommen also von Datenschutzorganisationen genauso wie von Unternehmen.

Was "LobbyPlag" als vermeintlich spektakulär darstellt, ist folglich eine ganz alltägliche Sache.

Die Website Lobbyplag ist nach meinem Dafürhalten nicht als unabhängige und objektive Opensource Initiative zu sehen, da sie selbst von verschiedensten Interessen geleitet wird. Lobbyplag ist ein Zusammenschluss der Initiative "Europe vs. Facebook" und der privat wirtschaftlichen Medienagentur "OpenDataCity". Bei Lobbyplag haben wir es also nachweislich ebenfalls mit einer Interessensvertretung zu tun. Sowohl Europe vs. Facebook, als auch OpenDataCity verfolgen eigene Ziele. Diese beiden zusammengefasst unter dem Label Lobbyplag haben nun also die Änderungsanträge zur Europäischen Datenschutznovelle nach datenschutz-förderlichen Formulierungen bewertet.

Positiv (=grün) bewertet wurden, gemäß der eigenen Lobbyplag-Skala, Regelungen, welche einen höheren Datenschutz als bisher gewähren. Die Frage nach dem dadurch höheren bürokratischen Aufwand, der Praktikabilität der Forderungen oder deren Sinn wurde nicht gestellt. Auch der Frage, ob ein größtmöglicher Datenschutz den Bedürfnissen und Forderungen der Bürgerinnen und Bürger am Ende entspricht, wurde nicht nachgegangen.

Es steht Ihnen natürlich frei, die von Lobbyplag suggerierte Grundannahme "mehr Datenschutz = besserer Datenschutz" zu teilen. Allerdings macht man es sich so meiner Meinung nach etwas zu einfach. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Sehen Sie sich meinen Änderungsantrag 1176 an, in dem ich kleine Unternehmen von der Informationspflicht gegenüber der betroffenen Person ausnehmen will, solange die Unternehmen Daten ausschließlich zum internen Gebrauch und zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Ansonsten müsste der Bäcker, bei dem Sie eine Geburtstagstorte bestellen und dafür Ihre Telefonnummer und Adresse hinterlassen, Sie in diesem Moment über eine Liste von Dingen aufklären, die im Kommissionsentwurf zur Datenschutzverordnung eine halbe Seite einnehmen. Darunter finden sich beispielsweise der Zeitraum, wie lange die Daten gespeichert werden, oder Ihr Recht, eine Beschwerde an die zuständige Aufsichtsbehörde zu übermitteln sowie die Kontaktdaten derselben. Ist hier mehr Datenschutz wirklich besserer Datenschutz?

Da dieser Antrag den Datenschutz aber de facto senkt, wurde er rot markiert. Dass solche Informationspflichten aber einen unverhältnismäßigen bürokratischen Aufwand für kleine Unternehmen darstellen und so Arbeitsplätze gefährden, bezieht Lobbyplag nicht in die Analyse ein.

Ein anderes Beispiel ist die von mir vorgeschlagene so genannte Haushaltsausnahme (Änderungsantrag 674). Ohne diese Ausnahme würden beispielsweise private eBay-Verkäufer unter die Datenschutzregelungen fallen und müssten sämtliche Vorgaben beachten, von denen die oben genannte Informationspflicht nur ein geringer Teil ist. Auch dies wäre nicht im Sinne einer bürgerfreundlichen Regelung und würde die Qualität des Datenschutzes sicherlich nicht verbessern.

Ich denke, dass Datenschutz ein wichtiges Bürgerrecht ist, das aber nicht absolut betrachtet werden kann. Wer für einen sehr strengen Datenschutz plädiert, sollte gleichzeitig einsehen, dass er damit den wirtschaftlichen Spielraum beispielsweise für innovative online-Unternehmen stark einschränkt. Ich setze mich deshalb für eine Balance zwischen starken Individualrechten und wirtschaftlichem Spielraum ein. Nicht umsonst ist das zweite Ziel der neuen Datenschutzverordnung der freie Fluss von Daten im Binnenmarkt. Leider wird zu häufig nur die eine Seite der Medaille betrachtet.

Nun zu der Anzahl vermeintlich "schlechter" (weil rot markierter) Änderungsanträge, was meinen angeblich schlechten Einfluss auf die Datenschutzverordnung belegen soll. Lassen Sie mich diese Einschätzung relativieren.

Wenn Sie sich die Anzahl der von mir eingereichten Änderungsanträge ansehen, sehen Sie, dass ich mich damit in der Spitzengruppe befinde. Dies liegt daran, dass ich der Berichterstatter der EVP-Fraktion und deshalb sehr aktiv in diesem Dossier bin. Lobbyplag hat die Tabelle der "Top 10 for less data privacy in Europe" nach der Differenz zwischen grün/rot erstellt. Allein aufgrund der von mir eingebrachten Anträge liege ich deshalb vorne. Wenn Sie sich jedoch mein Verhältnis von grünen/roten Änderungsanträgen ansehen und mit anderen MEPs vergleichen, befinde ich mich eher im Mittelfeld dieses Rankings. Auch unter der fälschlichen Annahme, dass mehr Datenschutz immer besser ist, bietet sich doch so ein ganz anderes Bild.

Im Auftrag der EVP setze ich mich dafür ein, dass im Rahmen der Datenschutznovelle Individualrechte ebenso gestärkt werden, wie ein Wachstum des digitalen Binnenmarktes. Den Datenschutz zu verwässern ist sicherlich nicht meine Intention. Die Standards der 1995er Datenschutzrichtlinie sollen nicht unterschritten werden.

Herzlich,

Ihr

Axel Voss

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