Axel Voss
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Frage von Benjamin S. •

Frage an Axel Voss von Benjamin S. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Voss,

mit Erschrecken habe ich kürzlich gelesen, dass im Vorfeld der anstehenden Gesetzesreformen zur EU-Datenschutzverordnung offenbar massiv dem Druck internationaler Konzernlobbyisten nachgegeben wird und ungeprüft ganze Textpassagen aus Lobbypapieren als Änderungsvorschläge eingebracht werden. Sollten diese Änderungen demnächst Gesetz werden, wäre die bestehende Datenschutzverordnung bis auf Weiteres gefährlich aufgeweicht und die Abgeordneten hätten wichtige EU-Gesetze völlig ohne Not und gegen ihren erklärten Willen den Wirtschaftsinteressen internationaler (größtenteils außereuropäischer) Großkonzerne angepasst, anstatt im Sinne der BürgerInnen zu handeln, von denen sie gewählt und (über Umwege) auch finanziert werden.

Auf das Thema aufmerksam geworden bin ich durch diesen Artikel...
http://gutjahr.biz/2013/02/lobbyplag/
... und dieses Interview mit Jan Philipp Albrecht, MdEP:
http://www.youtube.com/watch?v=wx6DQjIlcDw#!

Bitte nehmen Sie daher Stellung zu der Frage, wie Sie mein Grundrecht auf Datenschutz verteidigen, aktuell und vor allem im Rahmen der anstehenden Reformverhandlungen.

Vielen Dank und beste Grüße,
Benjamin Schaefer

Axel Voss
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Schaefer,

vielen Dank für Ihre Email/ Ihre Zuschrift hinsichtlich der aktuellen Verhandlungen zum Entwurf einer Datenschutzverordnung (KOM 2012)11)).

Hierbei sprechen Sie zwei Themenkomplexe an:
1) Den Einfluss von Lobbygruppen auf den aktuellen Gesetzgebungsprozess und
2) Inhaltliche Anregungen/ Bedenken zum Inhalt des neuen Rechtsakts.

Zu 1): Bei dem Einfluss von Lobbygruppen stellt sich zunächst die Frage, wer eine solche Lobbygruppe ist. Lobbying bedeutet die Vertretung von Interessen gegenüber Entscheidungsträgern - und hier gibt es keine "guten" und keine "schlechten" Lobbyisten, sondern allenfalls verschiedene Meinungen, die miteinander im Wettbewerb stehen. Menschenrechtsorganisationen und Netzaktivisten sind ebenso Lobbyisten wie große Konzerne oder Industrieverbände. Auch Sie selbst versuchen ja mit Ihrem Schreiben Einfluss auf meine Politikgestaltung zu nehmen. Auch bin ich davon überzeugt, dass gute Politik kann nur dann gelingen kann, wenn sie offen für den Rat von außen ist und nicht in einem abgeschotteten Raum stattfindet. Daher freue ich mich, dass Sie mir Ihre Bedenken mitteilen!

In meiner parlamentarischen Arbeit erhalte ich viele Zuschriften von einzelnen Bürgern und Interessenvertretern und führe viele Gespräche mit ihnen. Dabei kommen Interessenvertreter je nach Sachzusammenhang als Vertreter von Staaten, Firmen, Verbänden, Gewerkschaften, Vereinen oder Parteien (NROs = Nicht-Regierungs-Organisationen) oder anderen Europäischen Institutionen.
Diese Form der Informationsgewinnung ist für meine Arbeit sehr wichtig. Sie hilft mir, die Tragweite und Folgen von Details eines Gesetzgebungsvorschlags abzuschätzen, und vermittelt mir mitunter auch das fachliche Verständnis. Damit geht einher, dass ich auch konkrete Formulierungsvorschläge zu Einzelheiten von Gesetzesvorschlägen der Kommission erhalte. Komplette Gesetzesvorschläge hingegen liegen gar nicht vor. Aber für alle derartigen Informationen und Vorschläge gilt: Ich setze mich nur für Dinge ein, die ich abgewogen habe und von denen ich selbst überzeugt bin.

In den derzeit laufenden Beratungen zur Datenschutznovelle erleben wir natürlich einen starken Ansturm von Interessenvertretern, was schlicht daran liegt, dass jedes Unternehmen, das in irgendeiner Form mit der Verarbeitung von Daten befasst ist, und jeder einzelne Bürger von der Novelle betroffen ist. Das war aber auch allen Beteiligten von vornherein klar. Wie auf www.europe-v-facebook.org aber mittlerweile deutlich zu sehen ist, kann - wenn überhaupt - nicht von einer einseitigen, wirtschaftsfreundlichen Einflussnahme gesprochen werden. Denn so hat beispielsweise der Berichterstatter der Grünen, Jan P. Albrecht, zahlreiche seiner Änderungsanträge von einer NRO übernommen. Bitte nehmen Sie in diesem Zusammenhang auch den Kommentar von Meike Laaff aus der TAZ vom 15. Februar 2013 zur Kenntnis, der sich im Anhang befindet.

Zu 2) Zur Novellierung der Datenschutz-Richtlinie lege ich Ihnen gerne die Kernpunkte dar, die ich für richtig erachte. Ich setze mich für einen ausgewogenen Datenschutz ein, der dem Einzelnen starke Rechte und starken Schutz vermittelt und den Wirtschaftsteilnehmern genügend Entfaltungsmöglichkeiten lässt.

1. Im neuen Europäischen Datenschutzgesetz sollen stärkere Sanktionen festgelegt werden, die von den nationalen Aufsichtsbehörden verhängt werden. Alle Aufsichtsbehörden in den EU-Ländern kooperieren in einem Europäischen Datenschutz-Ausschuss. Ein europaweites Sanktionsregister sollte für zusätzliche Transparenz sorgen.

2. Das Recht des Einzelnen auf die Löschung vorhandener Daten im Netz ist schon heute ein wichtiges Element und sollte noch stärker durchgesetzt werden. Dies darf jedoch nicht mit einem ´Recht auf Vergessenwerden´ gleich gesetzt werden. Es gibt keinerlei technische Möglichkeit, kopierte und weitergegebene Daten umfassend wieder einzufangen.

3. Die Frage der Nutzung von personenbezogenen Daten in der Werbewirtschaft muss differenziert abgewogen werden. Auf der einen Seite hat der Verbraucher den Wunsch nach kostenlosen Diensten, zugeschnittenem Service und innovativem Internet und auf der anderen Seite auch den Wunsch nach einem hohen Datenschutz. Sie schreiben mir Ihre Email wahrscheinlich auch von einem Emaildienst, der Ihnen kostenlos zur Verfügung steht?

Sehr strenge Regelungen für die Werbewirtschaft, die die Einwilligung des Verbrauchers benötigen, können z.B. zu kostenpflichtigen Emailkonten führen. Denn auch wenn es bisher nicht so wahrgenommen wird: Der Verbraucher "zahlt" kostenfreie Dienste mit der Möglichkeit der Anbieter zur Nutzung seiner Daten. Der Mehrwert werbefinanzierter Dienste wird auf ca. 40,- EUR pro Nutzer und Monat geschätzt. Ob im Gegenzug Nutzer bereit wären, 40,- EUR pro Monat für Online-Dienste zu bezahlen, erscheint mir sehr fraglich. Deshalb sollte man im Interesse des Nutzers einen noch ausgewogeneren Ansatz finden.

Hier kann man dann zu einer Lösung kommen, wenn für die Industrie Anreize geschaffen werden, für verhaltensbasierte Werbung keine personenbezogenen sondern pseudonymisierte Daten zu verwenden. Mehr Datenschutz und ein Erhalt des Wettbewerbs können so nebeneinander realisiert werden.

4. Der Europäische Datenschutz betrifft nicht nur jedes Unternehmen, sondern auch jede Privatperson. Deshalb muss sichergestellt werden, dass freie Meinungsäußerungen des Einzelnen in einem Blog oder auch Privatverkäufe bei Auktionen usw. nicht erfasst werden.

Die Novellierung der europäischen Datenschutz-Richtlinie geht im Europäischen Parlament nun in die entscheidende Beratungsphase: Bis Ende April kann das Parlament Änderungen diskutieren und verabschieden. Im Mai beginnen dann die Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament in Brüssel.

Herzliche Grüße

Ihr
Axel Voss

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