Frage an Axel Berg von Christof W. bezüglich Recht
Lieber Herr Berg,
folgende Fragen habe ich an Sie:
1. Sind Sie sich bewusst, dass wir keine Gewaltenteilung in der EU haben?
Finden Sie das gut?
2. Welche Nebentätigkeiten haben Sie bzw. für welche anderen Interessen außer die der Bürger würden Sie noch im Bundestag sitzen?
3a. Sind Sie für oder gegen Softwarepatente?
3b. Finden Sie die zunehmende Kommerzialisierung von Information und Wissen gut? Wenn ja, warum?
4. Sind Sie für oder gegen die Privatisierung kommunaler Daseinsvorsorge? (Energie, Gesundheit, Rente, Verkehr etc.)
5. Sind Sie für oder gegen die Auflockerung des Verbots von Folter? (Fall Daschner)
6. Finden Sie das EEG sinnvoll?
Lieber Herr Weise,
vielen Dank für Ihr Interesse. Nun zu Ihren Fragen vom 30.08.2005:
1) Wenn Sie sich für Gewaltenteilung interessieren, sollten Sie mal einen Blick auf unser schönes Bayern werfen. De facto haben wir hier nämlich keine Gewaltenteilung mehr, weil Kontrolleure und Kontrollierte in der Regel in der Regel gut bekannte CSU-Mitglieder sind. Nur ein Indiz: leider bin ich der einzige in Bayern direkt gewählte Sozialdemokrat auf den vier Ebenen: Europäisches Parlament, Bundestag, Landtag und Bezirkstag. Soviel zur Lage der Gewaltenteilung in Bayern im Besonderen; für die Gewaltenteilung gilt im Allgemeinen:
Die Gewaltenteilung ist die unerlässliche Grundlage jedes demokratischen Staates. Ihre stärkste Ausprägung findet sie in den Vereinigten Staaten mit dem System der checks an balances. Die EU ist mit den Vereinigten Staaten in dieser Hinsicht nicht zu vergleichen. Während die Vereinigten Staaten ein Staatenbund sind in dem die Grundsätze der Gewaltenteilung unmittelbar gelten, ist die EU aber nur ein Staatenbündnis. In einem Staatenbündnis gelten natürlich auch alle demokratischen Grundsätze. Sie müssen aber nicht unmittelbar gelten, weil die Bürgerinnen und Bürger in der EU schon über ihre staatlichen Parlamente als Souverän an der Gestaltung an der EU mitwirken.
Die Bürgerinnen und Bürger dürfen durch Wahlen zum EU-Parlament dessen Zusammensetzung bestimmen und nehmen damit unmittelbar Einfluss auf die Geschicke der EU.
Die Hauptarbeit in der EU findet aber in der Kommission statt, die durch Verordnungen und Richtlinien gesetzesähnliche Vorgaben erlassen kann, ohne dass das Parlament ein Mitbestimmungsrecht hätte.
Aber der Souverän wird hier nicht demokratiefeindlich behandelt, sondern wirkt - wie oben angesprochen - durch seine eigene von ihm bestellte Regierung an der Besetzung der EU-Kommission mit. Dies ist nämlich Sache des EU-Ministerrates, also der Versammlung aller Regierungschefs der Mitgliedstaaten.
Das Handeln der europäischen Exekutive ist so legitimiert durch die Wahl der Regierung im Mitgliedstaat.
Die EU verfügt demnach über die zur Gewaltenteilung notwendigen Organe Parlament, Kommission und Europäischer Gerichtshof.
2) Als Anhänger der Kampagne "Gläserner Abgeordneter" habe ich alle meine Nebentätigkeiten auf der Homepage www.axel-berg.de offen gelegt. Diese Nebentätigkeiten sind alle ehrenamtlich.
3a) Auf europäischer Ebene sind gegenwärtig verschiedene Entwürfe eines Vorschlages für eine Richtlinie über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen in der Beratung. Ich begrüße zwar die Initiative zu einer Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtspraxis grundsätzlich. Der vom Bundestag am 17. Februar 2005 einstimmig beschlossene interfraktionelle Antrag "Wettbewerb und Innovationsdynamik im Softwarebereich sichern - Patentierung von Computerprogrammen effektiv begrenzen" weist aber zugleich auf folgendes hin: Weder der Kommissionsentwurf noch der Entwurf zu einem gemeinsamen Standpunkt des Rates zu einer Richtlinie konnte bisher hinsichtlich der Gewährleistung von Rechtssicherheit und Wahrung der Interessen mittelständischer Softwareunternehmen überzeugen. Im Mittelpunkt des interfraktionellen Antrages stehen daher Forderungen nach einem eindeutigen und trennscharfen Technikbegriff, einem Ausschluss von Trivialpatenten und so genannten Programmansprüchen sowie der Sicherung der Interoperabilität zwischen unterschiedlichen Computersystemen. Grundsätzlich sollen Computerprogramme aber weiterhin primär urheberrechtlich geschützt werden. Dies ist auch meine Ansicht.
3b) Wir leben in einer Welt, die zunehmend von Dienstleistungen geprägt wird. Dienstleistungen kosten Geld. Wissen und Information sind aufgrund ihrer Komplexität heute teilweise zu Dienstleitungsgütern geworden. Wissen und Information sind heute aber auch mehr denn je hochsensible und unschätzbar wertvolle Gesellschaftsgüter, gerade in einem rohstoffarmen Land wie Deutschland. Ich möchte, dass alle Menschen in unserem Land die gleichen Bildungschancen haben und zwar unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Dies schließt ein, dass Wissen und Information, auch auf höchstem Niveau jedem zugänglich sein müssen und zwar kostenlos oder nur zu den Verursachungskosten. Sobald diese Kulturgüter Gegenstand von Kommerzialisierung und Vermarktung werden, verlieren sie ihr humanes Antlitz. Ergo: Wissen und Informationen dürfen nur das kosten, was ihre Herstellung und ihre Bereitstellung kosten.
4) Die kommunale Daseinsvorsorge ist ein weiter Begriff. Bei der Rente halte ich die von der SPD eingeführte Zwei-Säulen-Lösung für ein gutes Modell. Niemand soll im Alter ohne Rente dastehen. Aber genauso wichtig ist es, privat vorzusorgen.
Die Energieversorgung aus privater Hand hat sowohl Vor- als auch Nachteile: Langfristig werden die Strompreise sinken, da die Versorger im Wettbewerb stehen. Dies ist ein klarer Vorteil für die Verbraucher. Nachteilig ist aber, dass die Unternehmen eben aus Wettbewerbsgründen nicht mehr genug in die Netze investieren könnten und es zu ähnlichen "Black-outs" wie in den USA kommen könnte. Hier muss eine staatliche Aufsicht bzw. Kontrolle erfolgen.
Die Versorgung der Bürger mit Wasser und die Erhaltung der Trinkwasserqualität ist eine ureigene kommunale Aufgabe. Dabei soll es auch bleiben. Schon aus einem Grund liegt es hier anders als beim Strom: Qualitativ guten oder schlechten Strom gibt es nicht. Bezüglich der Wasserqualität ist dies aber von entscheidender Bedeutung.
5) Der Fall Daschner in dem einem mutmaßlichen Erpresser und Mörder unter Androhung von Folter der Aufenthaltsort seines Opfers entlockt werden sollte, hat gezeigt, wie schmal der Grat zwischen unabdingbaren Rechtsstaat und gerade noch zulässiger strafprozessualer Verfolgung auch in Deutschland ist.
Ich finde, Art. 104 des Grundgesetzes ist sehr eindeutig. Das Folterverbot gilt absolut. Ebenso sieht es die Strafprozessordnung in ihrem § 136a. Für viele Bürgerinnen und Bürger ist es manchmal schwer nachzuvollziehen, warum bei schweren und schwersten Straftaten und bei Bedrohung durch Terroristen von dem Folterverbot innerhalb enger Grenzen nicht eine Ausnahme zulässig sein sollte. Hier müssen wir die Bürger besser aufklären und ihnen klar entgegnen, warum wir- übrigens auch im europäischen Kontext wegen Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention- die Folter als Mittel präventivpolizeilicher Maßnahmen ablehnen und uns in diesem Punkt auch nicht einen Zentimeter in Richtung einer Aufweichung des Verbots bewegen werden. Gerade die Erfahrungen, die wir Deutschen mit Faschismus und totalitärem Sozialismus in Deutschland gemacht haben, schließen eine andere, als die unumstößliche Ablehnung von Folter aus.
6) Ich finde das EEG überaus sinnvoll - schließlich bin ich einer seiner Autoren. Das EEG hilft Deutschland, seine Verpflichtungen zum Klimaschutz zu erfüllen. Durch das EEG ist Deutschland Spitzenreiter in den Technologien zur Nutzung der Erneuerbaren Energien geworden. Die guten Bedingungen für Erneuerbare Energien im deutschen Markt führen zu zunehmenden Exporterfolgen deutscher Firmen dieser Branche. Das EEG ist das weltweit erfolgreichste Modell zur Förderung der Erneuerbaren Energien und wurde bisher von über 40 anderen Staaten übernommen, darunter Frankreich, Spanien, Brasilien und sogar China. Das EEG vermindert Deutschlands Abhängigkeit von Energie-Importen aus politisch instabilen Weltregionen. Das EEG schafft eine nachhaltige Energiebasis für die deutsche Wirtschaft. Das EEG trägt zur Generationengerechtigkeit bei. Atomare und fossile Energieerzeugung verursachen hohe volkswirtschaftliche Kosten. Das EEG verringert diese Kosten und ist damit ein unmittelbarer volkswirtschaftlicher Gewinn- auch wenn wir im zurzeit die Erneuerbaren Energien noch unterstützen müssen, um ihnen den Marktzutritt zu ermöglichen. Das EEG hat zu günstigeren Strompreisen für Erneuerbare Energien geführt als die Fördermodelle anderer Staaten. Durch die Förderung Erneuerbarer Energien wurden in Deutschland über 150.000 neue Jobs geschaffen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Axel Berg MdB