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Axel Berg
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Frage von Helga M. •

Frage an Axel Berg von Helga M. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Berg
das bisherige Familienministerium sieht in ihrem Familienbericht Familien vordringlich unter dem Aspekt Gewinn. Andere Kriterien wie Freude etc habe ich nicht gefunden.Aufgefallen ist mir auch der Wille zur Frühpädagogik, zu Ganztagesschulen etc. Das geht nicht ohne Kontrolle und Prüfung der Betreffenden ,die so eine Einrichtung in Anspruch nehmen.
-Ist das den jungen Eltern bewußt?
Diese Konzept des derzeitigen Ministerium tendiert meiner Meinung nach nicht nur zur Kontrolle der Familien sondern zielt auf konsumfreudige Individuen ( zu dem die Kinder gemacht werden wenn sie durch ein System extrafamiliärer Einrichtungen vorzeitig sozialisiert werden und keine reifen Ich und Über-ich-Strukturen ausbilden, -s.Marcuse, Mitscherlich u.a.-). Kritisches Bewußtsein oder ein anderer Blick auf die Welt, werden sich kaum noch entwickeln. Vergleichsweis bunt war da doch das Leben in der DDR .Ich wünsche diesen Staat nicht zurück, aber es gab Möglichkeiten sich der totalen Kontrolle zu entziehen. Das sehe ich bei den favorisierten Modellen des Familienministerium nicht. .
-Würden Sie unter den heutigen Bedingungen gern ein Kind in die Welt setzen?
-Und hätten Sie genug Vertrauen in die Einrichtungen hinsichtlich Schweigepflicht gegenüber anderen Ämtern usw. und andernteils daß sie auch transparent genug für die Eltern bleiben?
Das derzeitige Familienministerium läßt sich z.B. beraten von Leuten, die keine Transparenz bei ihrer Fragetechnik etc. zulassen. Jugendämter und juristisch Tätige sind heute schon nicht immer verschwiegen, wie ich es bei einem konkreten Fall miterlebt habe.
Im Bildungswesen ist erwiesen, daß nirgends so stark aussortiert wird bei den Schulkindern wie in Deutschland. Man redet schon wieder vom notwendigen Selektieren!( habe ich selbst in zwei Radiosendungen gehört). Potentielle Eltern müssen viel Mut haben in diesem Land oder ahnungslos sein. -Finden Sie diese Entwicklung berechtigt, bedenklich oder gut?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Müller,

vielen Dank für Ihr Interesse zu einer höchst aktuellen Problematik der gegenwärtigen Familienpolitik.

Die von Ihnen angesprochenen Bedenken kann ich jedoch nur bedingt teilen und - da bin ich ehrlich - möchte und muss ich an einigen Stellen relativieren.

Renate Schmidt hat als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine grundlegende Modernisierung und Erneuerung der Familienpolitik in Deutschland eingeleitet.

Die Familienpolitik in Deutschland hatte in den 16 Jahren der Regierung Helmut Kohls unter antiquierten und familienfeindlichen Strukturen zu leiden. Auch Angela Merkel vermochte in ihrer Zeit als verantwortliche Ministerin zwischen 1990 und 1994 daran nichts zu ändern. Diese verkrusteten Strukturen mussten von der rot-grünen Koalition zunächst aufgebrochen werden.

Dann haben wir uns daran gemacht, die Kinder- und Familienpolitik an die gesellschaftlichen Bedürfnisse anzupassen und neue Strukturen schaffen. Allein durch die Erhöhung des Kindergeldes unter der Rot-Grünen Regierung für das 1. und 2. Kind um 42 Euro (+37 %), also von 112 Euro auf 154 Euro im Monat, konnten wir vielen, gerade einkommensschwächeren Familien helfen, die Entwicklung ihrer Kinder chancengerechter zu unterstützen.

Die Weichen für eine bessere und gerechtere Zukunft unserer Kinder sind nun gestellt.

Insbesondere die Verbesserung der Kinderbetreuung hat für die Ministerin
derzeit oberste Priorität.

Die Verbesserung der Kinderbetreuung zielt einerseits darauf ab, kritische, selbstbewusste und individuelle Persönlichkeiten auf das Heranwachsen in einer modernen Gesellschaft vorzubereiten. Talente werden gefördert, Schwächen ausgeglichen. Nicht überall in Deutschland wachsen Kinder in behüteten Verhältnissen auf, in denen sie entsprechend ihren Möglichkeiten gefördert werden. Leider vertritt auch viel zu oft der Fernseher oder Computer eine fürsorgliche Betreuung durch Vater oder Mutter.

Andererseits soll die Erweiterung der Kinderbetreuung den Eltern die Möglichkeit geben, ihr Erwerbsleben umfassend und unabhängig von ihrem Kinderwunsch gestalten zu können. Hier gibt es in den alten Bundesländern im Vergleich zu den neue Bundesländern und auch unseren europäischen Partnern großen Nachholbedarf.

Diese zwei Säulen sind für eine moderne Familienpolitik elementar und unabdingbar. Sie sind aber auch Voraussetzung für eine Geschlechtergerechtigkeit.

Gerade Frauen müssen wir unbedingt die Gelegenheit geben, nach einer Babypause schnell wieder in den Beruf einzusteigen, weil die brachliegenden Fähigkeiten aus meiner Sicht eine Vergeudung darstellen. Wir wollen, dass Frauen die gleichen Karrierechancen und den gleichberechtigten Zugang zu Führungspositionen in der Wirtschaft, der Wissenschaft und in der Forschung erhalten. Dafür ist eine verlässliche Kinderbetreuung die Voraussetzung. Hier hat sich in der letzten Zeit schon eine ganze Menge getan, aber wir haben noch jede Menge Nachholbedarf.

Keineswegs kann bei dieser Politik, die nun wirklich das Wohl der Kinder im Auge hat, davon die Rede sein, man wolle die Kinder familienextern zu einer neuen "Generation Konsum" erziehen. In diesem Punkt widerspreche ich deutlich. Die Kinder sollen zu mündigen Bürgern heranwachsen, die ihr Leben eigenverantwortlich, kreativ und individuell gestalten können und nicht zu einer bloßen Konsumentenschar gedeihen.

Die Kinder werden durch eine frühe Betreuung nicht zu konsumfreudigen Individuen gemacht. Im Gegenteil: Bestandteil einer guten Erziehung ist auch, dass Kinder später im Leben als kritische Verbraucher frei ausgewogene Entscheidungen treffen und gerade nicht konsumanfällig agieren.

In ihrer Entwicklung werden die Kinder von gut ausgebildeten Pädagoginnen und Pädagogen angeleitet. Die Qualifikation der Personen, die unsere Kinder in ihrer Entwicklung begleiten, werden wir proportional zum Ausbau der Betreuungsangebote verbessern.

Ihre Hinweise auf die Handhabe der Erziehung in der ehemaligen DDR finde ich nicht kritisch genug. Wir wissen, dass die DDR den jungen Familien ein breites Betreuungsangebot für die Kinder gemacht hat. Was auch richtig war. Wir wissen aber auch, dass gerade die in der DDR praktizierte Form der Erziehung stark vor einem ideologischen Hintergrund stattgefunden hat

Richtig ist, dass die Kinder heutzutage anderen und stärkeren Schlüsselreizen ausgesetzt sind, als sie es noch vor ein oder zwei Jahrzehnten waren.

Dazu gehört auch, dass Leistungsdruck weitergereicht wird, der schon die jüngsten fordert und zum Teil auch überfordert. Dies geschieht jedoch mitnichten von staatlicher Seite und seinen Institutionen, sondern allzu oft durch das eigene Elternhaus.

An diesem Punkt müssen wir aufpassen, dass Biografien nicht schon in den
Kinder- und Jugendjahren geschädigt werden.

Die PISA-Ergebnisse haben offenbart, dass in Deutschland die Bildungs- und Lebenschancen eines Kindes, wie in kaum einem anderen Land von der sozialen Herkunft abhängig sind. Unserem gegenwärtigen Bildungssystem gelingt es bis jetzt nur unzureichend, Benachteiligungen auf Grund der sozialen Lage und der ethnischen Zugehörigkeit auszugleichen. Ich empfinde das als unerträglich. Doch dies ändert sich nun:

Der Nationale Aktionsplan soll der Reform des Elementarbereichs und der Schule weitere Schubkraft geben, um der frühen und individuellen Förderung unserer Kinder den gesellschaftlichen Stellenwert zu verleihen, den sie benötigt.

In einem fördernden Bildungssystem müssen Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder verstärkt als Einheit verstanden und bei Bildungsreformen gleichermaßen in den Blick genommen werden.

Ganztagsschulen und gemeinsames Lernen bis zur 9. Klasse sind nur einige Ideen, die auch dazu dienen, den selektiven Leistungsdruck auf die Schulkinder, bei gleichzeitiger Herausforderung, abzuschwächen. Mit solchen Projekten haben die skandinavischen Länder herausragende Leistungen in der Bildung ihrer Kinder erzielt.

Ich werde weiter dafür kämpfen, dass wir den zukünftigen Generationen eine lebenswerte und sozial gerechte Welt hinterlassen. Ich hoffe Ihnen gezeigt zu haben, dass dies nicht nur zentrales Anliegen meiner Energie- und Umweltpolitik ist, sondern ich die gleichen Maßstäbe auch meiner Politik für unsere Kinder und Familien zugrunde lege.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Axel Berg MdB