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Axel Berg
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Frage von monika h. •

Frage an Axel Berg von monika h. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Berg,
heute habe ich von der Anti-Atomkraft-Initiative "David gegen Goliath" einen newsletter erhalten, in dem Ihr Antwortschreiben auf eine Anfrage bzgl. der Verlängerung von Laufzeiten für AKWs enthalten war.
Ihre Antwort war hoch interessant und ich möchte Sie fragen, ob Sie bereit sind, dieses Schreiben auch hier auf diesem Portal zu veröffentlichen, damit evtl. ein breiteres Publikum diese Informationen erhält.
Mit freundlichen Grüßen
Monika Herz

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Herz,

ich danke Ihnen für die freundlichen Worte. Der Brief, den sie meinen, war eine Antwort von mir zur Novelle des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG). Nach einer Anfrage von Bernhard Fricke von David gegen Goliath, antwortete ich Ihm auf ein Schreiben zur Förderung der Solarenergie im neuen EEG. Die Atomkraft behandelte ich in der Antwort eher am Rande. Ich bin natürlich gern bereit, den Brief an David gegen Goliath auch hier zu veröffentlichen. Da Sie aber vor allen Dingen der Teil um die Laufzeitverlängerungen und damit die Atomkraft interessieren, ergänze ich nach dem Brief noch ein paar Zeilen zu Laufzeitverlängerungen und der Nutzung der Atomenergie, in der Hoffnung, dass dies in Ihrem Sinne ist. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

"Liebe Mitglieder, lieber Bernhard Fricke,

vielen Dank für Eure E-Mail vom 18. Juni 2008, in der Ihr mich nach meiner Haltung zur Novelle des EEGs befragt. Grundsätzlich bin ich immer noch ein radikaler Befürworter des besten Gesetzes zur Förderung der Erneuerbaren Energien weltweit. Nicht nur, dass sich seine Bedeutung in Deutschland anhand der massiven Ausbauzahlen ablesen lässt, sondern auch die Nachfrage in vielen Ländern der Welt unterstreicht den Erfolg des Gesetzes.

Die politischen Vorzeichen sind allerdings im Moment völlig andere als zur Zeit der Einführung des Gesetzes im Jahre 2000 oder bei der ersten Novelle 2004. Wir hatten damals mit den Grünen die treibende Kraft, die selbst die behäbigen Flügel der SPD bewegt haben, als Koalitionspartner an unserer Seite. In der großen Koalition müssen wir unseren Koalitionspartner treiben, der nicht nur bremst, sondern sich zeitweise in Gräben eingebuddelt hat. In einer solchen Situation ist man mit Maximalforderungen schnell auf dem politischen Abstellgleis und verschenkt jeglichen Einfluss. Dies grundsätzlich zu Eurem Vorwurf in meine Richtung. Aber ich will Euch noch genau schildern, was passiert ist und was wir nun letztendlich beschlossen haben.

Grundsätzlich haben wir das Gesetz nun so fortgeschrieben, dass es zu keinem Fadenriss kommt. Wir sahen uns mit tiefen Einschnittsforderungen seitens der Union konfrontiert, die wir im Lauf der Verhandlungen leider nicht vollständig abweisen konnten. Mir ist es sehr wichtig zu betonen, dass die Bundeskanzlerin ambitionierte Klimaschutzziele aufgestellt hat, sich ihre Fraktion im Bundestag allerdings massiv gegen die Umsetzung dieser Ziele stellte. Die SPD - Fraktion hat die Kanzlerin in ihren Zielen unterstützt. Ich war ziemlich erschrocken über die Haltung vieler meiner Kollegen aus der Koalition.

Obwohl inzwischen niemand mehr den Erfolg des Erneuerbaren Energien Gesetzes in Abrede stellt, bleibt doch die Umsetzung hinter den vielen Sonntagsreden zurück. Die Union kämpfte nicht für, sondern gegen dieses Gesetz. Aber öffentlich sagen, dass die Förderung der Erneuerbaren Energien nicht sinnvoll ist, traut sich keiner mehr. Selbst die bayrische Staatsregierung postuliert inzwischen das massive Vorantreiben der Erneuerbaren Energien, obwohl viele landesrechtlichen Regulierungen dies verhindern. So werden beispielsweise günstigste Windstandorte oder die vielen Flüsse und Bäche in Bayern nicht für die energetische Nutzung ausgewiesen. Auffallend ist, dass vor allem diejenigen Länder, die mit administrativen Hemmnissen den Ausbau der Erneuerbaren Energien verhindern, am lautesten Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken fordern. Ein Schuft, wer Arges dabei denkt.

Du hast in Deinem Schreiben ganz konkret die Vergütung für aus Photovoltaikanlagen gewonnen Strom angesprochen. Hier hätte ich mir persönlich sehr viel mehr gewünscht als jetzt als Kompromiss im Gesetz steht. Große Anlagen auf der freien Fläche und auf Dächern werden ab 2009 nur schwer rentabel zu betreiben sein. Das hat die Union klipp und klar gefordert. Wir konnten in den letzten Tagen noch verhindern, dass die gesamte Vergütung um 30% gekürzt wurde. Die jetzt gefundene Lösung mit der Differenzierung der Anlagengrößen bringt es zumindest mit sich, dass sich kleine Anlagen noch wirtschaftlich betreiben lassen. Das bedeutet, dass der deutsche Markt nicht völlig in seiner Existenz bedroht ist. Auch die Degressionsstufen bewegen sich nach unserer Ansicht in der Spanne der Effizienzsteigerungsmöglichkeiten in der gesamten Wertschöpfungskette von der Produktion der Zellen bis zur Installation. Es kann hier ja nicht darum gehen einen einzelnen Industriezweig Gewinnmargen zu ermöglichen, die außerhalb jeglicher marktwirtschaftlichen Verträglichkeit sind. Die Effizienzgewinne innerhalb der Kette werden leider nur zu selten an die Verbraucher weitergegeben.

Ich will es aber noch einmal betonen, wir haben uns als SPD in der Abwehrschlacht gegen eine drastischere Absenkung der Vergütungen befunden. Die deutlich schärferen und wahrscheinlich für die Branche todbringenden Vergütungsabsenkungen hatte die Union gefordert.

Das nächste Jahr wird zeigen, inwieweit der Boom der Erneuerbaren Energien anhalten wird. Sollte es zu einer deutlichen Stagnation des Ausbaus kommen, dann werden wir die Union auf ihre Verantwortung hinweisen müssen und dies auch im Wahlkampf ganz deutlich ansprechen.

Ich hoffe Ihr könnt nun meine Haltung und vor allem meine Zustimmung zu der Novelle verstehen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Axel Berg"

So weit der Brief, der an Bernhard Fricke ging. Jetzt möchte ich Ihnen noch ein paar grundsätzliche Gedanken und Fakten zur Atomkraft nachreichen.
Mit dem Atomkonsens und der Atomgesetz-Novelle haben wir bereits unter der Regierung von Gerhard Schröder einen Schlussstrich unter ein teures Kapitel deutscher Energiepolitik gesetzt. Und wir haben mit dem Ausstieg aus der riskanten Atomkraft die Voraussetzungen für den Aufbau und Ausbau einer dezentralen klimafreundlichen Energieversorgung geschaffen. Der Ausstieg wird allerdings gerade von der Union in Frage gestellt. Wir werden uns aber gegen diese Entwicklung stellen. Atomenergie hat nur Nachteile und wirft uns auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung um Jahre zurück.

Die Atomenergie ist keine Lösung für den Klimaschutz, im Gegenteil: Zu den Gefahren der Atomenergie im laufenden Betrieb und der ungelösten Endlagerfrage kommen auch die Verfestigung zentraler und auf großen Verbrauch hin angelegter Strukturen hinzu, die für den Treibhauseffekt mitverantwortlich sind. Die angebliche Klimafreundlichkeit der Atomenergie ist ein Märchen. Bei der Förderung, der Verarbeitung und dem Transport von Uran werden Treibhausgase freigesetzt. Wir haben heute Atomstrom und vielfach einzelne Raumwärmeanlagen in unseren Wohnungen und Gebäuden. Es wäre bereits wesentlich klimafreundlicher, wenn wir diesen Strom und die Wärme z. B. in gasbetriebenen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen herstellten. Atomkraft ersetzt kein Öl. Mit Atomkraft lassen sich weder Häuser beheizen noch Autos fortbewegen.

Vor allem ist es wichtig festzuhalten, warum die Atomenergie vermeintlich günstig ist: Die Kosten und Risiken trägt die Allgemeinheit, die Gewinne sacken sich die 4 großen Energiekonzerne und deren Aktionäre ein. Atomkraftwerke sind nicht ausreichend versichert. Schäden eines atomaren Super-GAU´s liegen im Bereich von mehreren hundert Milliarden Euro. Die Versicherungssumme beläuft sich gerade einmal auf ca. 2,5 Mrd. Euro pro Unfall. Wenn Atomkraftwerke richtig versichert wären, dann wäre der Strom wesentlich teurer.

Zudem sollten aus Wettbewerbsgründen die Brennmaterialien besteuert werden. Diese Nichtbesteuerung ist eine Art Subvention, die vom Steuerzahler an die großen Energieunternehmen geht. Desweiteren dürfen die Rücklagen, die AKW-Betreiber bilden müssen, nicht mehr investiert werden, sondern sollten als festes Kapital zurückgestellt werden, ebenfalls aus Wettbewerbsgründen.
Es gibt viele Ideen, was mit den Gewinnen der Energiekonzerne passieren könnte. Die Strompreise sollen sinken oder 1 Cent pro Kilowattstunde Atomstrom solle für den Ausbau der Erneuerbaren genutzt werden. Aber wie soll das geschehen? Die Konzerne sind auf Gewinne aus und wollen diese an die Aktionäre ausschütten. Glaubt irgendwer, dass die Betreiber einfach einen Großteil der Gewinne verschenken und die Aktionäre dabei nicht protestieren? Warum tun die Betreiber das dann nicht schon heute? Sollen die Betreiber doch in Vorleistung gehen, wenn der Strom so günstig ist!
Zudem wird die Unseriösität der Energieversorgungsunternehmen dadurch deutlich, dass sie den Vertrag zum Atomausstieg einseitig gekündigt haben. Der Vertrag kam zu Stande, weil beide Seiten Zugeständnisse gemacht haben, um einen Rechtsstreit zu vermeiden und schnellstmöglich die Energieversorgung umstellen zu können. Wenn aber der Vertrag von einer Seite gekündigt ist, ist doch klar, dass die Forderungen der anderen Seite (also unserer) auch wieder erhoben werden: Versicherungspflicht und Besteuerung von Brennelementen und Rückstellungen!
Bei allem Diskutieren über teuren Strom sollte man die Gefahren nicht vergessen. Ein einziger Unfall wäre für die gesamte Republik unbezahlbar und würde vor allem viele Menschenleben kosten. Wie wahrscheinlich ein Unfall ist, konnte man in den letzten Tagen und Wochen immer wieder hören. In Frankreich gab es mehrere Zwischenfälle. Diese wurden erst Stunden später gemeldet. Dabei wurde absolut deutlich, dass es nicht darum geht, menschenfreundlich zu sein oder die Strompreise zu senken! Es geht ausschließlich um Gewinne. Derart gewissenlosen Menschen sollen wir glauben, dass sie diese Gewinne einfach abtreten?
Ich kämpfe innerhalb der SPD für eine nachhaltige Energieversorgung. Die Atomenergie belastet auch ohne Super-GAU die zukünftigen Generationen für zehntausende von Jahren. Falls ein Super-GAU eintritt, tötet er viele Menschen und verseucht zudem große Teile Europas für Generationen. Dies würde ich nicht als nachhaltige Versorgung bezeichnen.

Wenn die Atomenergie wirklich ausgebaut werden sollte, wie es einige Länder zumindest planen, müssten sie auf eine Plutoniumwirtschaft umsteigen. Was ein weltweiter atomarer Kreislauf für die Sicherheit bedeutet, kann man sich in Zeiten des Terrorismus ausmalen. Es wird ein einziger Wettlauf gegen schmutzige Bomben oder vielleicht sogar Atombomben in Händen, in denen man sie nicht sehen möchte.

Niemand sollte sich mit dem Argument der Energiepreise oder vermeintlicher Energieengpässe locken oder verführen lassen. Wenn Atomkraft billig wäre, wären die Strompreise nicht jetzt schon billiger? Günstig ist sie ausschließlich für die Unternehmen. Eine wirtschaftliche Betrachtung muss drei Aspekte beachten. Die Anfangsinvestitionen, die Betriebskosten und die Entsorgungskosten.
Die Anfangsinvestitionen, das waren vor allem die bis zu 100 Mrd Euro Entwicklungskosten, hat allein der Staat und damit jeder einzelne Steuerzahler aufgebracht. Das ist günstig für die Betreiber von Atomkraftwerken.
Die Betriebskosten sind, wie zur Zeit durch die Presse bekannt ist, verhältnismäßig günstig. Uran ist noch günstig, weil Reserven von angereichertem Uran für Atomwaffen aus dem Kalten Krieg genutzt werden. Diese gehen bald zu Ende, aber noch ist der Stoff günstig und deshalb ebenfalls gut für die Betreiber.
Die Entsorgung überlassen wir einfach den nachfolgenden Generationen. Wir haben bereits Berge von strahlendem, giftigem Müll fabriziert und haben keine Ahnung, wo wir ihn für die nächsten zehntausend Jahre endlagern sollen. Und das Beste, was uns einfällt ist: wir produzieren noch mehr von dem Müll! Das ist nur eine Lösung für Konzerne, die kurzfristige und enorm hohe Gewinne einfahren wollen, ohne Rücksicht auf irgendetwas. Für eine Gesellschaft, die auch nur ein wenig an die Zukunft und an ihre Kinder und Enkel denkt, kann dies keine Lösung sein.
Ein weiteres Totschlagargument sind die Arbeitsplätze. Natürlich wäre es um jeden Arbeitsplatz schade, der eingespart wird oder gar nicht erst geschaffen wird. Aber dieses Argument zieht im Bereich der Atomkraft gar nicht. Die Meiler laufen noch mindestens bis 2020, wie im Atomausstieg vereinbart. Danach brauchen wir noch über Jahrzehnte Spezialisten, die für den Rückbau der Anlagen verantwortlich sind. Die 30.000 Arbeitsplätze, die es in der Atombranche gibt, werden weiterhin gebraucht.
Wir dürfen aber nicht den Fehler begehen, den größten Wachstumsmarkt zu vernachlässigen, weil die Energiekonzerne erzählen, sichere Arbeitsplätze gingen verloren. Im Bereich der Erneuerbaren sind über 250.000 Menschen angestellt. Der Markt wächst mit enormen Zahlen und wird in wenigen Jahren wichtiger sein, als die Automobilindustrie und auch als die Informationstechnologie. In diesem Zusammenhang sollte man die Debatte um die Arbeitsplätze in der Atomenergie auch betrachten. Dann kann man dies Argument als widerlegt betrachten. Konzentrieren wir uns also auf die Zukunft und lassen Sie uns aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.

Fest steht: Die Strukturen einer klimafreundlichen und zukunftsfähigen Energieversorgung sind auf Effizienz angelegt, bauen auf Vermeidungseffekte aufgrund von Energieeinsparung, sind dezentral strukturiert und wesentlich auf erneuerbare Energien begründet, immer weniger fossil und schon gar nicht atomar. Wir haben uns gegenüber der Union im Koalitionsvertrag durchgesetzt. Es bleibt beim Ausstieg aus dieser gefährlichen Technik.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Axel Berg