Frage an Axel Berg von Rainer R. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Berg,
als Mitglied der Menschenrechtsorganisation Amnesty International würde mich insbesondere Ihre Meinung zu den folgenden Themen interessieren:
1. Kampf gegen den Terror: Amnesty International fordert von US-Präsident Obama die sofortige Auflösung des Militärgefängnisses Guantanamo Bay. Es ist denkbar, dass sich die US-Regierung mit der Bitte um Aufnahme von Häftlingen auch an die BRD wendet. Wie werden Sie eine Aufnahme dieser Personen unterstützen?
2. Prävention von Menschenrechtsverletzungen: Im Zuge bewaffneter Konflikte kommt es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen an der Zivilibevolkerung - insbesondere Frauen und Kinder werden Opfer von Gewalt und Misshandlung. Welche Maßnahmen planen Sie, um die Rechte von Frauen und Mädchen während und nach bewaffneten Konflikten zu wahren?
3. Rechte und Schutz für die Opfer von Menschenhandel: Mit welcher Priorität unterstützen Sie die Umsetzung der Konvention des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels und die Opferschutzrichtlinie (2004/81/EG)?
Mit freundlichen Grüßen...
Rainer Rickborn (Mitglied von Amnesty International)
Sehr geehrter Herr Rickborn,
vielen Dank für Ihre drei Fragen vom 31. August. Gerne beziehe ich zu diesen Stellung.
zu Frage 1)
Das Lager in Guantánamo ist weltweit zum Symbol für die Rechtsverstöße der Bush-Administration im Kampf gegen den internationalen Terrorismus geworden. Die Haftbedingungen verstoßen sowohl gegen US-amerikanisches Recht als auch gegen das Völkerrecht. Diesen Missständen Rechnung tragend, ordnete der neue Präsident der USA Barack Obama im Januar 2009 an, dass nur noch gesetzeskonforme Verhörmethoden angewandt werden dürfen und dass das Lager innerhalb eines Jahres geschlossen werden soll. Bei der Debatte um die Aufnahme von Guantánamo-Gefangenen geht es um eine kleine Gruppe von etwa 50-60 unschuldigen Gefangenen, die auf ihre Freilassung warten. In vielen Fällen können diese aufgrund einer Bedrohung von Leib und Leben nicht in ihre Heimatländer zurückkehren. Sollte die Schließung des Lagers daran scheitern, dass unschuldige Insassen aufgrund von Verfolgung nicht in ihr Heimatland zurückkehren können, dann darf Deutschland sich nicht entziehen. Alles andere würde unsere Vorwürfe gegen die unmenschlichen Haftbedingungen in Guantánamo als politische Heuchelei entlarven. Oft wird von den Gegnern einer Aufnahme in Deutschland in der Debatte das Argument vorgebracht, die politische und rechtliche Verantwortung läge zunächst mal bei den USA. Das mag in der Sache richtig sein. Allerdings geht es hier nicht um Prinzipien sondern um unsere humanitäre und menschenrechtliche Pflicht, den in Guantánamo inhaftierten und gefolterten Opfern des Anti-Terrror-Kampfs ein Leben in Freiheit zu ermöglichen. Zudem gibt es auch unschuldige Häftlinge, die die USA nach überstandener Folter verständlicherweise nicht zu Ihrer neuen Heimat machen möchte.
Bisher wurden von den USA zwei Anträge auf Aufnahme gestellt – zum einen im Fall der 11 Uiguren, zum anderen in Bezug auf einen Tunesier und einen Syrer. Beide wurden von Bundesinnenminister Schäuble und anderen Unionsinnenpolitikern mit dem Hinweis auf unzureichende Informationen und Sicherheitsbedenken abgelehnt. Der Rot-Grüne Münchner Stadtrat hatte sich im Vorfeld einstimmig für eine Aufnahme der Uiguren ausgesprochen, um die sich die große und gut integrierte uigurische Gemeinschaft in München kümmern wollte.
Als erstes EU-Mitgliedsland hat sich Portugal Ende August dazu bereit erklärt, zwei unschuldige Insassen aufzunehmen. Die SPD-Bundestagsfraktion wird sich weiterhin für die Schließung des Lagers in Guantánamo im Januar 2010 und die Aufnahme von unschuldigen Häftlingen in Deutschland einsetzen.
zu Frage 2)
Bei kriegerischen Auseinandersetzungen sind vor allem die Zivilbevölkerung und hier in erster Linie Mädchen und Frauen die Hauptleidtragenden. Sexualisierte Gewalt wird von vielen Konfliktparteien systematisch als Mittel der Kriegsführung genutzt. Dies haben die Konflikte im Ostkongo, in Darfur, in Ruanda, in Sierra Leone und im ehemaligen Jugoslawien auf furchtbare Weise gezeigt. Im Kongo sind allein 2008 ca. 100.000 Frauen auf brutalste Weise vergewaltigt worden. Die Opfer werden immer jünger und vergewaltigte Frauen werden teilweise stigmatisiert und ausgegrenzt.
Dem Schutz von Frauen und Mädchen vor sexualisierter Gewalt in Konfliktsituationen kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu. Auf internationaler Ebene gab es in diesem Zusammenhang zwei VN-Sicherheitsratsresolutionen. Bereits 2000 wurde eine Resolution (1320) verabschiedet, in der die in den Konflikt involvierten Parteien dazu aufgefordert werden, spezielle Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Mädchen vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu ergreifen. Außerdem wird die volle und gleichberechtigte Einbeziehung von Frauen in allen Entscheidungsprozessen vor, während und nach Konflikten betont.
Jedoch gelang es erst 2008 mit der VN-Sicherheitsratsresolution 1820, an dessen Erarbeitung auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) mitgewirkt hat, sexuelle Gewalt als Kriegsverbrechen zu ahnden. Das ist ein Meilenstein. Erstmals werden Vergewaltigungen und andere Formen sexualisierter Gewalt als Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkannt. Durch diese werden Sanktionen gegen Verantwortliche und Schritte zur Verhinderung von Gewalt möglich.
Bei dem Thema „Gewalt gegen Frauen in bewaffneten Konflikten“ sind sowohl die deutsche Außenpolitik als auch die Entwicklungspolitik gefordert. Krisenprävention im Bereich der Außenpolitik kann kriegerische Auseinandersetzungen verhindern. In diesem Kontext messe ich dem Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ der Bundesregierung von 2004 große Bedeutung zu, der das Ziel hat, Krisenprävention als „feste[n] Bestandteil deutscher Friedenspolitik [...] in der Gestaltung der einzelnen Politikbereiche“ zu verankern. Der Aktionsplan trägt der Erkenntnis Rechnung, dass ein frühes Eingreifen in eskalationsgefährdete Konflikte die hohen Kosten von Friedenserzwingung und Post-Conflict Peacebuilding vermeidet, aber nur dann erfolgversprechend ist, wenn die verschiedenen Maßnahmen koordiniert werden, die von internationalen Organisationen, staatlichen Stellen und NGOs durchgeführt werden. Koordination und Kooperation ist eine zentrale Voraussetzung für effektive und kohärente Krisenpräventionspolitik. Zweitens folgt der Aktionsplan der Erkenntnis, dass die heutigen bewaffneten Konflikte mit militärischen Mitteln nur unzureichend bearbeitet werden können. Der Aktionsplan muss endlich konsequent umgesetzt werden, das Anliegen ziviler Krisenprävention könnte durch eine parlamentarische Initiative in der nächsten Legislaturperiode wieder neue Dynamik gewinnen. Das BMZ wirkt im Nationalen Ressortkreis Krisenprävention mit, um im Rahmen des Aktionsplans genderrelevante Inhalte in die Offiziersausbildung an der Führungsakademie zu integrieren.
Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) unter Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul unterstützt bereits eine Vielzahl von Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen, wie psychologische und medizinische Hilfe für Opfer sexueller Gewalttaten in Konfliktländern. Bereits seit vier Jahren unterstützt die deutsche Regierung (KfW) in Kooperation mit der Welthungerhilfe im Ostkongo die Rehabilitation der Opfer. Darüber hinaus engagiert sich Deutschland auch bei der Sensibilisierung von Sicherheitskräften. In Ghana fördert das BMZ Training am "Kofi Annan International Peacekeeping Training Center", damit Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von zivilen und militärischen Organisationen besser auf den Umgang mit und die aktive Einbeziehung von Frauen vorbereitet sind.
Dennoch hat die deutsche EZ erkannt, dass in diesem Bereich noch viel mehr getan werden muss. Insbesondere muss die EZ noch stärker darauf ausgerichtet werden, präventiv Gewalt gegen Frauen zu vermeiden und die spezifischen Belange der Frauen in und nach Konflikten in Maßnahmen zu integrieren. In diesem Kontext hat das BMZ im März 2009 anlässlich des Weltfrauentages eine Konferenz mit dem Titel „Gewalt gegen Frauen in Konflikten – Was kann die Entwicklungspolitik tun?“ mit konkreten Fragestellungen durchgeführt, die Grundlage für weitere Schritte der EZ in diesem Bereich darstellen sollen. Diskutiert wurde, welche Schritte in den Bereichen "Konzeption der Strategien für Sicherheitskräfte", "Stärkung des Rechtsschutzes", "Betreuung und Rehabilitation von Gewaltopfern" sowie "Maßnahmen zur Vorbeugung von Gewalt gegen Frauen" konkret unternommen werden müssen, um Gewalt gegen Frauen zu beenden. Besonders deutlich ist bei der Konferenz geworden, dass im Sinne der Prävention v.a. die Ursachen sexualisierter Gewalt gegen Frauen bekämpft werden müssen - wie das Fehlen eines öffentlichen Bewusstseins, die unkontrollierte Verbreitung von Waffen, die zunehmende Verrohung in der Gesellschaft durch Konflikte und den mangelnden Schutz von Frauen durch die Sicherheitskräfte.
Zudem ist der Themenkomplex „Frauen in bewaffneten Konflikten und ihre Rolle bei der Konfliktbearbeitung“ einer der vier Schwerpunkte in dem „Entwicklungspolitischen Gender-Aktionsplan 2009 – 2012“ des BMZ, der auch im März 2009 vorgestellt wurde. In dem Aktionsplan werden anknüpfend an die beiden VN-Sicherheitsratsresolutionen ähnlich der Aspekte bei der Konferenz eine Reihe von Zielen formuliert, die mit Maßnahmen für 2009 -2012 erreicht werden sollen. Prioritäten sind: die Einbindung der Zivilgesellschaft und ausreichende Bereitstellung von Mitteln für zivilgesellschaftliche Organisationen, da diese auf lokaler Ebene am besten Rechtsberatung, medizinische, psychologische, soziale und ökonomische Hilfe leisten können; die Vernetzung mit anderen Ressorts, d.h. die Außenministerien müssen das Problem im Politikdialog ansprechen, bei den Vereinten Nationen vorantreiben und Justiz- und Innenministerien müssen bei internationaler Strafverfolgung zusammenarbeiten. In Partnerländern müssen Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Strafverfolgung entwickelt und umgesetzt werden.
zu Frage 3)
In einer kürzlich erschienenen Studie des deutschen Instituts für Menschenrechte zum Menschenhandel, werden die Themen Opferschutzrichtline und Europaratskonvention behandelt. Die SPD-Fraktion hält diese Studie für hoch interessant und begrüßt sie ausdrücklich. Sie enthält auch Empfehlungen an die Politik, welche die SPD für die weitere politische Arbeit und Befassung mit dem Thema zugrunde legen wird.
Menschenhandel ist eine schwere Form von organisierter, grenzüberschreitender Kriminalität und ein schwerwiegender Verstoß gegen die Menschenrechte. Menschenhandel ist ein globales Phänomen, von dem überproportional Frauen und Kinder betroffen sind. Frauenhandel in die Prostitution und andere Zweige der Sexindustrie macht den größten Anteil des Handels mit Menschen nach Westeuropa aus und ist in vielen Fällen mit gravierenden Verletzungen des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung und Gewalterfahrungen verbunden. Die betroffenen Frauen erleiden dadurch zum Teil schwere Traumatisierungen.
Der Rat der Europäischen Union hat 2004 eine Richtlinie „über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind […] und die mit den zuständigen Behörden kooperieren“ erlassen (Opferschutzrichtlinie). Mit dieser Richtlinie soll in den Mitgliedsstaaten für Opfer von Menschenhandel ein Aufenthaltstitel eingeführt werden, der den Opfern Anreize für eine Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden bietet. Der Deutsche Bundestag hat im Juni 2007 durch das „Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU“ Änderungen im Zuwanderungsrecht beschlossen. Damit wurde u.a. die Opferschutzrichtline umgesetzt. Die Umsetzung ist grundsätzlich zu begrüßen, allerdings sollte aufgrund von praktischen Erfahrungen von Organisationen, die in diesem Bereich tätig sind und Opfer von Menschenhandel beraten, über mögliche Nachbesserungen nachgedacht werden. Hierzu gehört beispielsweise die Frage, ob es sinnvoll ist, Opfer von Menschenhandel in Sammelunterkünften unterzubringen, da dies den Sicherheits- und Schutzbedürfnissen der Betroffenen u.U. nicht gerecht wird. Darüberhinaus muss sichergestellt sein, dass adäquate medizinische Behandlung und/oder Therapiemöglichkeiten für die oft traumatisierten Frauen zur Verfügung stehen. Schließlich ist zu prüfen, ob die Bedenkzeit verlängert werden muss.
Am 1. Februar 2008 trat die Europaratskonvention zur Bekämpfung des Menschenhandels in Kraft. Dem deutschen Menschenrechtsinstitut zufolge seien die menschenrechtlichen Verpflichtungen der Staaten zwar nicht umfassend in die Konvention eingeflossen, insgesamt lasse sich in vielen Bereichen aber eine Fortentwicklung der Standards feststellen. So enthielte die Konvention interessante Ansätze, etwa hinsichtlich eines genderresonanten und kinderrechtlichen Ansatzes. Besonders sinnvoll finde ich die Einrichtung eines Vertragsorgans, das die Umsetzung der Konvention durch die Vertragsstaaten überprüft (GRETA-Mechanismus).
Die Bundesregierung hat das Übereinkommen des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels am 17. November 2005 unterzeichnet, also bereits durch die letzte Regierung unter Rot/Grün. Nach den Informationen der SPD war die Ratifizierung durch die Bundesregierung für das Jahr 2009 vorgesehen. Warum dies durch das federführende Ressort des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bisher nicht erfolgt ist, wird nicht deutlich. In einer Beantwortung einer Kleinen Anfrage (16/13271) vom 2. Juni 2009 wird mitgeteilt, dass die Bundesregierung die Absicht hat, die Gesetzentwürfe zu diesem Übereinkommen dem Deutschen Bundestag vorzulegen. “Dies wird aber erst in der nächsten Legislaturperiode geschehen können.” Die SPD wird sich weiter konsequent für eine zügige Ratifizierung einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Axel Berg MdB