Frage an Arnold Vaatz von Dirk D. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
zunächst einmal vielen Dank, dass sie zu den wenigen Abgeordneten gehören, die sich für die Verfolgten in der ehemaligen DDR/sowj. Besatzungszone interressieren. Ich habe die Vorschläge von CDU/CSU + SPD für die so genannte Opferrente gelesen. Mit Anerkennung für Widerstand gegen die Diktatur/Einsatz für die Demokratie hat dies eher nichts zu tun. Wenn man das zuspitzt sagt der Bundestag: Der Einsatz für die Demokratie verdient miindestens einen Zuschlag von 250 € zum Sozialhilfesatz höchsten jedoch eine Einkommen von 1285 € bei Alleinstehenden/1550 € bei Verheirateten. Für bestimmte Gruppen wie die verfolgten Schüler, von Zersetzungsmaßnahmen Betroffene wird erneut garnichts getan. Dabei ist die Frage aufzuwerfen - Sie haben dies am 1.3.07 ja getan - ob dies wirklich das Mögliche ist. Verwiesen wird auf die Gleichbehandlung mit den NS-Opfern. Ich habe versucht, das Abkommen des BMF mit der Jewisch Claims Conference von 1992 zu finden. Zumindest auf der JCC-Internetseite findet sich etwas zu den aktuellen Bedingungen der Unterstützung (sogen. Article 2 Fund). Demnach erhalten die Opfer seit einer Anhebung 2003 270 € und nicht 250 € monatlich. 20 € sind nicht viel, für die Betroffenen aber sicher nicht unbedeutend. Neben 6-monatiger Haft sind auch weitere Gruppen, so Personen, die mindestens 18 Monate unter inhumanen Bedingungen verborgen, in "offenen" Getthos oder in der Illegalität leben mussten. Dies ist zwar nicht 1 zu 1 auf die Verfolgungssituation in der DDR übertragbar, aber es zeigt, dass auch andere Tatbestände wie leben unter Zersetzungsmaßmnahen oder Verfolgung als Schüler berücksichtigt werden könnten, ohne zu einer Ungleichbehandlung zu kommen. Schließlich ist ausgeführt, dass zwar Einkommensgrenzen gelten, aber ab dem 70. Lebensjahr Sozialeinkommen (z.B. Altersrente) nicht mehr angerechnet wird. Sehen Sie hier noch Verbesserungschancen?
Sehr geehrter Herr Dreßler,
vielen Dank für Ihr Schreiben zum 3. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz. Gern möchte ich Ihnen antworten.
Die Opferrente ist für diejenigen angedacht, die unter der Diktatur der SED besonders schwer gelitten haben: die ehemaligen politischen Häftlinge. Ich verstehe, dass die Opfer der zahlreichen anderen subtilen Maßnahmen – Zersetzungsmaßnahmen usw. – oder die Opfer mit kürzeren Haftzeiten, die nicht anspruchsberechtigt sind, nicht akzeptieren, dass sie außen vor bleiben. Aber bitte berücksichtigen Sie, dass Haft zu DDR-Zeiten im Allgemeinen bedeutete, dass die Zersetzung automatisch hinzukam. Man hat nicht unbehelligt von der Staatssicherheit in Haft gesessen. Vielmehr wurde man in aller Regel mehrmals vor geladen. Es wurden einem dann Dinge angedeutet, die einen wochenlang in Angst und Schrecken versetzten, weil man sich nicht sicher war, wie es den Verwandten und Freunden zu Hause geht. Solche subtilen Methoden sind hinzugekommen. Aus diesem Grund ist die Haft tatsächlich eine Maßnahme, die sich in ihrer Schwere heute wahrscheinlich gar nicht mehr nachvollziehen lässt, weil wir unter Haft in einem Rechtsstaat etwas ganz anderes verstehen.
Ich erinnere auch daran, dass wir bei einer Opferpension die geschichtlichen Vergleichsmaßstäbe zu akzeptieren haben. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass niemand ernsthaft fordern wird, dass die Bundesrepublik Deutschland KZ-Opfer schlechter behandeln soll als SED-Opfer.
Das anstehende Gesetzgebungsverfahren gibt jedem die Möglichkeit, seine Meinung einzubringen. Sollten wir – immer jedoch unter der Prämisse der Gleichbehandlung der Opfer von vor 1945 mit den Opfern nach 1945 – Spielräume übersehen oder nicht genügend ausgeschöpft haben, dann sind wir gesprächsbereit. Ich denke, unser Koalitionspartner wird sich davor nicht verschließen.
Ich bin sehr froh darüber, dass wir zwischenzeitlich erreichen konnten, das Einkommen des Ehegatten oder eines Partners, mit dem der Betroffene in Lebensgemeinschaft lebt, bei der Ermittlung der Einkommensgrenze außen vor zu lassen. Es kommt somit nur auf das Einkommen des Betroffenen an. Hierbei darf es bei einem Alleinstehenden derzeit 1.035 € und bei einem in Partnerschaft lebenden Betroffenen derzeit 1.380 € nicht übersteigen. Begünstigt werden auch Personen, bei denen das ermittelte Einkommen die maßgebliche Einkommensgrenze um einen Betrag, der geringer als die Zuwendung von 250 € ist, übersteigt. In diesem Fall erhält der Berechtigte die Zuwendung in Höhe des Differenzbetrages.
Mit freundlichem Gruß
Arnold Vaatz