Frage an Armin Schuster von Wolfgang F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schuster,
im Regierungsprogramm 2017 der CDU (lt. Internet das CDU Wahlprogramm) führen Sie unter Sicherheit im Innerem und nach außen im Abschnitt Menschen in Not helfen, Migration steuern und reduzieren, abgelehnte Bewerber konsequent zurückführen auf Seite 63 bei den letzten Sätzen im 1. Absatz Wir wollen, dass die Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, dauerhaft niedrig bleibt. Das macht es möglich, dass wir unseren humanitären Verpflichtungen durch Resettlement und Relocation nachkommen.
Die Worte Resettlement und Relocation bedeuten Umsiedlung und Umzug!
Hier nun meine Fragen zu diesem Absatz bzw. den beiden Sätzen:
1. Welche humanitären Verpflichtungen hat Deutschland gegenüber wem?
2. Weshalb müssen Flüchtlingen zu uns umziehen und somit umgesiedelt werden?
3. Weshalb ist dies ein Regierungsprogramm?
4. Flüchtlinge sind normalerweise Menschen, die nur kurze Zeit an einem „fremden“ Ort verweilen, um dann wieder zurück in ihr Herkunftsland zu gehen, oder ist dieser Abschnitt anders zu erstehen?
5. Weshalb muss also für eine kurze Periode ein Familiennachzug erfolgen und dies auch dann noch, wenn die hier im Moment lebenden „Flüchtlinge“ ihre Angehörigen per vom deutschen Steuerzahler bezahlten Urlaub in dem Land besuchen, aus denen sie unbedingt fliehen mussten?
6. Abweichend vom Abschnitt warum wurden uns von der CDU die 2015 eingereisten Menschen als Facharbeiter benannt, was nicht stimmt?
7. Weshalb spricht die Integrationsbeauftragte von Deutschland und dies als Regierungsmitglied, als ein Land ohne Geschichte und Kultur?
8. Weshalb werden keine konsequenten Grenzkontrollen durchgeführt und Menschen ohne Ausweis abgewiesen?
Für Ihre Antworten besten Dank im Voraus
W. F.
Sehr geehrter Herr Frommann,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 5. September 2017, in der Sie um Beantwortung verschiedener Fragen zum Themenkomplex der Flüchtlingspolitik im Regierungsprogramm von CDU und CSU bitten. Als Abgeordneter für Ihren Wahlkreis Lörrach-Müllheim antworte ich Ihnen gerne mit meiner Einschätzung.
1. Welche humanitären Verpflichtungen hat Deutschland gegenüber wem?
Mit Ihrer Frage beziehen Sie sich auf die Begriffe Relocation und Resettlement. Bei Relocation und Resettlement handelt es sich um zwei Verfahren, die eine zahlenmäßig kontrollierte Aufnahme für schutzbedürftige Menschen ermöglichen. Relocation bezieht sich auf die Umplatzierung eines Flüchtlings von einem EU-Staat in einen anderen. Resettlement hingegen bezeichnet die Aufnahme von Flüchtlingen aus einem Drittstaat (Nicht-EU-Staat) in einem EU-Mitgliedstaat.
Aufgrund der stark angestiegenen Zuwanderung von Schutzsuchenden innerhalb der Europäischen Union wurden 2015 zwei neue Relocation-Programme beschlossen. Im Mai 2015 wurde von der Europäischen Union zunächst ein Relocation-Programm für 40.000 Personen aus Italien und Griechenland verabschiedet. Dem folgte ein weiteres Umsiedlungsprogramm für 120.000 Schutzsuchende im September 2015. Laut diesen Beschlüssen sollen insgesamt 160.000 Personen aus Griechenland, Italien und Ungarn innerhalb von 2 Jahren von verschiedenen EU-Ländern aufgenommen werden. Seit Sommer 2016 nimmt Deutschland 500 Flüchtlinge im Monat auf und hat diese Zahl im Sommer dieses Jahres im Rahmen der Beschlüsse auf 750 Flüchtlinge im Monat erhöht.
Resettlement ermöglicht die dauerhafte Aufnahme von Flüchtlingen aus Drittstaaten, wenn sie im Land ihrer ersten Zuflucht keine Perspektive auf Integration noch auf eine Rückkehr in ihr Herkunftsland haben. Der sogenannte Resettlementbedarf wird vom UNHCR festgestellt. In der Pilotphase von 2012 bis 2014 wurden pro Jahr 300 Schutzbedürftige aufgenommen. Die Resettlementquote für das Jahr 2015 wurde in Einvernehmen zwischen Bund und Ländern auf jährlich 500 Personen angehoben. Die 500er-Quote wird in den Jahren 2016/2017 mit dem Resettlementprogramm der EU-KOM (Migrationsagenda) verrechnet. Aktuell wird diese Quote für den 1:1-Mechanismus des EU-Türkei Abkommens für die Aufnahme von syrischen Flüchtlingen genutzt. Zudem sollen ca. 200 Menschen aus dem Libanon aufgenommen werden. Schutzsuchende, die über das Resettlementprogramm nach Deutschland kommen, erhalten temporären humanitären Schutzstatus. Durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386), welches am 1. August 2015 in Kraft trat, wurde mit § 23 Abs. 4 AufenthG eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Aufnahme von Resettlement-Flüchtlingen geschaffen. Durch das Gesetz wurden die Rechte dieser Personengruppe in vielen Bereichen, wie etwa der Erteilung der Niederlassungserlaubnis und dem Familiennachzug, an diejenigen von im nationalen Asylverfahren anerkannten Flüchtlingen angeglichen.
2. Weshalb müssen Flüchtlinge zu uns umziehen und somit umgesiedelt werden?
Die Relocation-Programme wurden verabschiedet, um die EU-Mitgliedstaaten Griechenland und Italien, die durch den Flüchtlingsandrang überfordert sind, zu entlasten und innerhalb Europas zu einer gerechteren Lastenverteilung bei der Aufnahme von Schutzsuchenden zu kommen. Im Übrigen verweise ich auf meine Antwort zu Frage 1.
3. Weshalb ist dies ein Regierungsprogramm?
Relocation und Resettlement sind Programme zur Aufnahme und Umsiedlung von Flüchtlingen. CDU und CSU bekennen sich zu den Verpflichtungen, die Deutschland im Rahmen diesbezüglicher Beschlüsse eingegangen ist.
4. Flüchtlinge sind normalerweise Menschen, die nur kurze Zeit an einem „fremden“ Ort verweilen, um dann wieder zurück in ihr Herkunftsland zu gehen, oder ist dieser Abschnitt anders zu verstehen?
Für die Durchführung des Asylverfahrens und Entscheidungen über Asylanträge ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig. Die Dauer des Aufenthaltsrechts ergibt sich aus den gesetzlichen Grundlagen für Asyl, Flüchtlingsschutz und subsidiären Schutz, ist zeitlich begrenzt und wird in regelmäßigen Abständen neu evaluiert.
5. Weshalb muss also für eine kurze Periode ein Familiennachzug erfolgen und dies auch dann noch, wenn die hier im Moment lebenden „Flüchtlinge“ ihre Angehörigen per vom deutschen Steuerzahler bezahlten Urlaub in dem Land besuchen, aus denen sie unbedingt fliehen mussten?
Personen, die über einen gültigen Aufenthaltstitel verfügen, können zur Herstellung bzw. Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft Nachzug für Familienangehörige beantragen. Ich setze mich dafür ein die gesamte humanitäre Zuwanderung, ob für selbst Eingereiste oder für ihre nachziehenden Familien, über einen atmenden Richtwert zu steuern. Dieser sollte entsprechend der Aufnahmefähigkeit Deutschlands jedes Jahr neu beschlossen werden. Wird festgestellt, dass die Zahl der unerlaubt einreisenden Schutzsuchenden unerwartet steigt, muss der Familiennachzug entsprechend gedrosselt werden. Derzeit ist der Anspruch auf Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte (Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus) bis Frühjahr 2018 ausgesetzt. Dann soll die Situation neu bewertet werden. Eine weitere Aussetzung könnte nur eine weitere Absicherung sein, eine dauerhafte Lösung zur Steuerung des Familiennachzugs bietet dies nicht. Ein Recht auf Asyl ist für Schutzsuchende kaum vorstellbar, die Urlaub in ihrem Verfolgerstaat machen, da die vorgebrachten Schutzgründe schwerlich stichhaltig sein können. Laut Bundesinnenministerium kann dies richtigerweise zu einer Aberkennung des Schutzstatus führen.
6. Abweichend vom Abschnitt warum wurden uns von der CDU die 2015 eingereisten Menschen als Facharbeiter benannt, was nicht stimmt?
In Deutschland werden in großer Zahl Fachkräfte benötigt. Die bleibeberechtigten Schutzsuchenden können bei entsprechender Ausbildung und Integration dem deutschen Arbeitsmarkt zugutekommen. Die Schutzsuchenden kommen mit den unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen zu uns und müssen auf den deutschen Arbeitsmarkt entsprechend vorbereitet werden.
7. Weshalb spricht die Integrationsbeauftragte von Deutschland und dies als Regierungsmitglied, als ein Land ohne Geschichte und Kultur?
Ich rege an, dass Sie sich zu Äußerungen der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration an die Staatsministerin wenden.
8. Weshalb werden keine konsequenten Grenzkontrollen durchgeführt und Menschen ohne Ausweis abgewiesen?
Mit dem Schengener Grenzkodex wurden 2006 stationäre Personenkontrollen an den Binnengrenzen des Schengenraums abgeschafft. Stattdessen wurde die Möglichkeit der Binnengrenz-Schleierfahndung geschaffen. Die nationalen Polizeibehörden haben dadurch die Möglichkeit erhalten, an wechselnden Standorten stichprobenartige Kontrollen durchzuführen. Grundsätzlich habe ich diese Umstellung damals sehr begrüßt. Denn als ehemaliger Bundespolizist weiß ich aus Erfahrung, dass es der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität nur zu Gute kommen kann, wenn Grenzkontrollen innerhalb Europas unvorhersehbar und überraschend stattfinden. Daher bemängele ich bereits sehr lange, dass im Gegensatz zu Deutschland viele unserer europäischen Nachbarstaaten die Schleierfahndung bis heute nicht oder nur unzureichend durchführen. Dadurch ist das Sicherheitsnetz zur Vermeidung illegalen Grenzübertritts und grenzüberschreitender Kriminalität, darunter Wohnungseinbruchsdiebstahl, schon seit Langem äußerst löchrig.
Angesichts der massenhaften illegalen Grenzübertritte im Zuge der Flüchtlingskrise habe ich mich für die temporäre Wiedereinführung stationärer Grenzkontrollen eingesetzt, die in Notsituationen durch den Schengener Grenzkodex gedeckt ist. Nachdem sich die SPD dem noch 2014 völlig verweigerte, konnte Bundesinnenminister de Maizière 2015 vorübergehende Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze mit dem Koalitionspartner durchsetzen. Die EU-Kommission hat diese Maßnahme seitdem stets verlängert, im August dieses Jahres aber angekündigt, sie am 11. November 2017 auslaufen zu lassen. Die CDU/CSU-Fraktion hat sich daraufhin klar für eine weitere Verlängerung ausgesprochen, da der Migrationsdruck weiterhin hoch ist und die Defizite beim Schutz der EU-Außengrenzen nicht nachhaltig beseitigt sind.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Schuster MdB