Ich weis, Arbeitsmarkt Politik ist jetzt nicht gerade Ihr Themengebiet. Trotzdem möchte ich Ihnen hierzu eine Frage stellen, denn Sie sind ja mit in der Verantwortung.
Sehr geehrter Herr Professor Grau
Der neue Referentenentwurf aus dem BMAS zur Arbeitszeiterfassung sieht vor, dass von dem Gesetz abgewichen werden darf, wenn sich Tarifpartner darauf einigen. Zum Vorteil der Arbeitnehmer bedarf es dieser Klausel nicht, da laut Gesetz immer davon abgewichen werden darf, wenn eine Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag abgeschlossen und besser als die Mindestanforderungen des Gesetzgebers ist. Diese Klausel benachteiligt also eindeutig die Stellung der Arbeitnehmer bzw. des Betriebsrates. Das darf nicht sein. Der muss dann in Zukunft für eigentlich Selbstverständliches kämpfen. Wie werden Sie abstimmen? Werden die Grünen darauf drängen, dass bei jedem einzelnen Arbeitnehmer eine vollständige und korrekte Arbeitszeiterfassung gewährleistet ist oder man dies vor Gericht durchsetzen kann? Der momentane Entwurf lässt für die Benachteiligung der Arbeitnehmer Schlimmes befürchten. Das würde allein bei meinem Arbeitgeber tausende Schichtarbeiter benachteiligen
Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Arbeitszeiterfassung. Ganz grundsätzlich kann ich Ihnen sagen, dass wir Tariföffnungsklauseln sehr kritisch sehen, weil mit ihnen in der Regel schlechtere Bedingungen ermöglicht werden. Aus unserer Sicht sollten aber Regelungen durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen die Arbeitsbedingungen für Beschäftigte stets verbessern.
Zum Entwurf des Bundesarbeitsministeriums zur Dokumentation der Arbeitszeit: Im neuen § 16 Abs.7 werden Ausnahmen per Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung definiert. Die ersten zwei Ausnahmen beziehen sich nicht auf die Dokumentationspflicht, sondern es geht darum, dass erstens die Arbeitszeit auch nicht-elektronisch erfasst werden kann und zweitens die Erfassung der Arbeitszeit nicht am Tag der Arbeitsleistung, sondern erst spätestens nach sieben Tagen vorliegen muss. Die Unternehmen müssen die Arbeitszeit erfassen – nur in anderer Form. Die Ausnahmen dürfen aber nicht für die Branchen im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz gelten. Hier muss die Arbeitszeit elektronisch, manipulationssicher und am Tag der Arbeitsleistung dokumentiert werden.
Problematisch ist aber die dritte Öffnungsklausel. Hier könnten bestimmte Gruppen von Beschäftigten tatsächlich per Tarifvertrag oder Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung von der Dokumentationspflicht ausgenommen werden. Die Beschäftigtengruppen sind zwar eingegrenzt auf diejenigen, „bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann.“ In der Begründung wird das dann nochmals konkretisiert – betreffen soll das etwa Führungskräfte, herausgehobene Expert*innen oder Wissenschaftler*innen. Gemeint sind hier definitiv keine Schichtarbeiter*innen; Ihre Sorgen sind also unbegründet. Und trotzdem sehen wir diese Regelung kritisch. Denn der Arbeits- und Gesundheitsschutz gilt für alle Beschäftigten, daher sollte es bei der Dokumentation der Arbeitszeit keine Ausnahmen geben.
Es ist außerdem wichtig zu bedenken, dass der bekannt gewordene Gesetzentwurf noch nicht im Kabinett war. Erst nach dem Kabinettsbeschluss beginnt das parlamentarische Verfahren. Und dann werden wir uns dafür einsetzen, dass alle Beschäftigten ihre Arbeitszeit vollständig und korrekt dokumentieren müssen und kein Arbeitgeber davon befreit wird.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Grau