Aris Christidis
DIE LINKE
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Frage von Olaf H. •

Frage an Aris Christidis von Olaf H. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Aris Christidis,

ich glaube, daß Sie nur die Marionetten der „großen Namen“ sind, die den rechtsradikalen Parteien die Stimmen wegnehmen müssen und wenn die Zeit gekommen ist, werden die „großen Namen“ wieder die Koffer packen und Ihre Partei wird wieder in die Versenkung verschwinden?
Es muß doch mit aller Gewalt versucht werden den rechtsradikalen Parteien sämtliche Stimmen wegzunehmen, nur so kann ich mir den zu erwartenden Erfolg Ihrer Partei vorstellen, denn bei dieser hohen Arbeitslosigkeit, sowie bei den immer steigenden Zahlen von Korruptionen in der Wirtschaft, hohe Kosten für Krankenversicherung bei weniger Leistung, steigende Benzin-und Ölpreise, höhere Mehrwertsteuer usw. ist das Volk sehr unzufrieden und wäre möglicherweise durchaus auch bereit solche rechte Parteien zu wählen.
Da die Deutschen zu einem Volk von Kuschern erzogen wurde, könnte ich mir vorstellen, daß doch viele Bürger nicht wählen gehen, weil sie denken, daß diese eine Stimme sowieso nichts ausrichten kann, allerdings haben uns unsere DDR-Bürger von einem anderen überzeugt, denn im Kollegtiv kann man sehrwohl einiges erreichen. Wenn aber die ca. 5 Millionen Arbeitslosen und die, die noch Arbeit haben und bis 65 oder 70 Jahren arbeiten sollen, auch noch in diese Richtung wählen würden, wäre eine rechtsradikale Partei mit Sicherheit über der 5-Prozent-Hürde und das muß mit aller Gewalt vermieden werden.
Man muß sich nur im Volke umhören um zu erfahren was im Lande alles los ist.

Meine Frage lautet:
Was wollen und werden Sie und Ihre Partei tun, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, um Arbeitslosigkeit zu senken, um Korruption zu verhindern und zu bestrafen und Deutschland wieder nach vorne bringen.

Für Sie und Ihre Aufgaben gute Nerven und viel Erfolg.
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Hoffmeister

PS:
Ich habe eine Idee für neue Steuereinnahmen, denn für jeden Computer, der in Zukunft einen Arbeitsplatz vernichtet oder schon vernichtet hat, könnte man eine Steuer erheben um somit den Schuldenberg abzubauen.

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Hoffmeister,

danke für Ihr Interesse und Ihre Worte!
Vorab das Einfache:

- Wir können uns auf die Bezeichnung "meine" Partei einigen, obwohl ich parteilos bin; ich bin aber mindestens Initiator und Gründer der WASG Gießen und Mit-Initiator der Koopertion mit der Linkspartei.Gießen.

- Ihrer Gegenwartsanalyse stimme ich fast vollkommen zu; nur zwei Zusätze möchte ich noch einbringen:
(i) Zu allen von Ihnen angesprochenen Übeln unserer Zeit dürfen wir nicht vergessen, die z.Z. geführten Kriege Deutschlands dazuzurechnen - insb. in Kosovo und in Afghanistan. Davon merkt zwar momentan im Inland kaum jemand etwas, aber ich gehe fest davon aus, daß uns das irgendwann einholt: Auch Hitlers Krieg wurde mit "Arisierungserträgen" und KZ-Produktion mehr als finanziert, die "Abrechnung" sah dann aber wesentlich höher aus. (ii) Ich erkenne keinen logischen Automatismus, wonach diejenigen, dei unter korrupten Eliten leiden, sich für noch korruptere entscheiden müßten. Der Schlüssel liegt nach meiner Auffassung in den Händen eben dieser Eliten: Wenn sie (Politiker, Großkapital) Werbung für die Rechten machen, haben sie Aussicht auf Erfolg, und dem haben wir nur Aufklärung entgegenzustellen. Das wenig beachtete Verbotsverfahren gegen die NPD hat m.E. genau dies nachgewiesen.

Diese Worte sollen Ihre Betrachtungen lediglich ergänzen, denn ich stimme Ihnen sonst zu.

Zu Ihren Fragen:

- Ich betrachte meine Kandidatur als Teil dieser Kampagne gegen Korruption: Nicht nur die "Aufgestandenen", die zur WASG-Gründung führten, taten dies aus Protest gegen das, was Sie und ich "Korruption" nennen, was die Masse mit Worten wie "Business" u.ä. verbrämt. Auch der hohe Anteil parteipolitisch zuvor nicht in Erscheinung getretener Personen (ich bin einer davon) ist für mich ein Indiz für einen Aufstand (oder wenigstens: Aufschrei) der Anständigen. Auch der innerparteiliche Protest in der SPD, aber auch in den Reihen der Ex-PDS hat als Folge davon zugenommen (wegen der Politik in Berlin und MeckPomm). Da bin ich guten Mutes, auch wenn mein Nicht-Beitritt zu beiden Parteien als gewisse Mahnung interpretiert werden darf: Ich hatte bei der WASG-Gründung mehr Kontrollmechanismen durch die Partei-Basis einführen wollen, ich bin aber überstimmt worden. Das ist freilich keineswegs ein Zeichen für Korrumpierbarkeit, sondern für unterschiedliche Einschätzung der Anfälligkeit "unserer" Eliten. Die Diskussion ist noch nicht abgeschlossen, und ich bin, wie Sie merken, weiterhin mit ihnen solidarisch und aktiv (hoffentlich bald mit Ihnen und vielen anderen).

- Über den wirtschaftlichen Aufschwung ist einiges gesagt worden. Einige der Gründer der WASG schrieben alternative Wirtschaftsguthaben seit den 70ern, worin sie viele der eingetretenen Entwicklungen vorausgesagt haben. Das war auch nicht so schwer, denn die Geschichte war gut absehbar und m.E. zu großen Teilen so gewollt. (Schon F.-J. Strauß hatte vor 30 Jahren gepredigt, eine gewisse Arbeitslosigkeit wäre gut, um -sinngemäß- die Abschlüsse moderater und die Gewinne üppiger ausfallen zu lassen.)
Einen aktuellen Maßnahmekatalog finden Sie bei der Memorandum-Gruppe der Uni Bremen (www.memo.uni-bremen.de), als Text unter www.memo.uni-bremen.de/docs/memo05-kurz.pdf. Elemente daraus finden Sie in meinem Faltblatt im Anhang.
Um es klarzustellen: Da sind keine "Wundermittel" - also keine Maßnahmen, die nicht jedem gewissenhaften Wissenschaftler oder Techniker einfallen würden. Der Unterschied zur aktuellen Politik ist "nur", daß letztere die (Wirschafts-) Mächtigen bedient, während sich die Bremer fragen, was die meisten Menschen in Deutschland brauchen. Das ist eine Frage der Orientierung, und je nach Frage gibt es unterschiedliche Antworten - bei der Frage nach "Gewinnmaximierung" fallen sie zwangsläufig anders aus als bei der Frage nach "Lebensqualität". Ein Beispiel (nicht aus Bremen):
Mit Hartz IV hat man versucht, ein paar Probleme dieses Landes zu behandeln auf Kosten von ca. 10% der Bevölkerung, den Arbeitslosen. Es gibt weitere 10% der Bevölkerung, die reichsten, die verfügen übe knapp die Hälfte des Bargeldes, das es als Vermögen in Deutschland gibt. Hätte man von dieser Minderheit über eine Art "Solidaritätszuschlag" gut die Hälfte ihres Geldvermögens eingezogen, wäre Deutschland über Nacht schuldenfrei - und die Ausländskonten, die Immobilien, die Betriebe, das hohe Einkommen u.v.m. dieser Menschen bliebe weiterhin unangetastet.

- Ob ein so brachiales Vorgehen konstruktiv ist, wage ich zu bezweifeln. Aber Sie verstehen vielleicht, was ich meine, wenn ich sage: "Deutschland braucht nicht (wie Sie schreiben) "nach vorne" gebracht zu werden, niemand muß "die Wirtschaft wieder in Schwung bringen": Alles läuft bestens, nur ich (evtl. auch Sie) sehe herzlich wenig davon, weil bei der Verteilung des Reichtums andere mir zuvorkommen. Bereits 1943 sagte (auch) J.M.Keynes als Wirtschaftsexperte voraus, daß die Nachkriegs- Wirtschaft irgendwann alle versorgt haben würde. Dann wäre kaum Wachstum notwendig, Arbeitslosigkeit würde entstehen, aber nicht, weil die Länder Europas mittellos wären, sondern weil die Arbeitenden nicht mehr in diesen Zahlen benötigt wären (quasi: Reparatur- statt Produktionsbetrieb). Das Ergebnis war (auch für Keynes) absehbar: Entweder Umverteilung von Arbeit und Wohlstand - oder Armut in reichen Ländern (ich sage: Mit Endstation Leibeigenschaft). Wenn das Ihnen bekannt vorkommt, brauche ich nicht weiter zu tippen - und wenn nicht, dann auch nicht :-)

- Die Idee mit der Computersteuer wird auch aktuell diskutiert, alternativ dazu gibt es (etwas älter) die Maschinensteuer und die Energiesteuer. Mir persönlich ist das alles unnötig kompliziert, ich verstehe nicht, warum man sich nicht am Produktionswert orientieren kann: Ein Werbetexter braucht nur seinen Kopf und ist nicht zu rationalisieren, ein Rüstungsarbeiter braucht schwere Technologie, bis er durch Roboter verdrängt wird. Aber der Reichtum dieses Landes setzt sich (u.a.) aus ihren Produkten zusammen. Und für diesen Reichtum wollen wir uns auf eine Verteilungsformel einigen.

Ich hoffe, Ihre Fragen damit beantwortet zu haben - ohne Werbung für die Gegenseite gemacht zu haben :-)
Mit besten Grüßen A. Christidis