Frage an Arijana Neumann von Petra M. bezüglich Umwelt
Vergangene Woche hat das IPCC den neuen Klimareport veröffentlicht - mit besorgniserregenden Ergebnissen. In einem Sonderbericht des IPCC heißt es, notwendig um das 1,5 Grad-Ziel noch zu erreichen seien "schnelle, weitreichende und beispiellose Änderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen". Ansonsten drohen dramatische Folgen für das Leben auf der Erde. Welche konkreten Gegenmaßnahmen würden Sie als künftiger Landtagsabgeordneter für Hessen vorantreiben?
Liebe Frau M.,
es gehört zu meinen politischen Zielen, den Klimawandel aufzuhalten soweit das noch möglich ist.
Wir brauchen dazu vor allem eine Bundesregierung, die dazu bereit ist, müssen aber auch lokal handeln.
Frankfurt will z.B. bis 2050 CO2 neutral sein.
Wir brauchen insgesamt drastische Energieeinsparungen und einen Ausbau der erneuerbaren Energien. Dazu bedarf es einer ganzen Reihe von Maßnahmen, die den Rahmen einer Mail sprengen. Es fängt im Bereich Bildung an, den SchülerInnen müssen von Anfang an in der Schule einen anderen Umgang mit Rohstoffen und Energie lernen. Zentral ist das Thema Verkehr. Wir müssen politisch Bus, Bahn und Radverkehr viel stärker Fördern als Autos und die Netze entsprechend ausbauen.
Anbei sende ich Ihnen das Konzept der SPD Hessen zu Energiewende, dass wir gerne mit Ihrer Unterstützung umsetzten möchten:
Neue Energie
Hessen soll zum Vorreiter der Energiewende werden. Wir wollen den technologischen und wirtschaftlichen Wandel mit Schwerpunkt auf bezahlbare Energie und auf die Sicherung zukunftsfähiger Arbeitsplätze prägen.
Allein in Hessen arbeiten 24.000 Menschen im Bereich der erneuerbaren Energien. Unser Ziel ist es, dass der Bedarf an Strom und Wärme bis 2050 zu 100 % aus erneuerbaren Energien gedeckt wird. Um dieses Ziel zu erreichen, wird eine SPD-geführte Landesregierung gemeinsame Strategien für Strom, Wärme und Verkehr entwickeln. Wir werden den Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen, Hürden in der Planung beseitigen und neue Flächen ermöglichen.
1. Wertschöpfung durch Energiewende vor Ort
Dabei werden wir den dezentralen Ausbau fördern, Kommunen, Stadtwerke und Bürgergenossenschaften unterstützen. Die Akzeptanz wird steigen, wenn die Energiewende demokratisiert wird und die örtlich Betroffenen an Entscheidungen und Gewinnen beteiligt werden. Uns geht es bei der Energiewende immer auch um die Schaffung von Wertschöpfung, die in den Regionen verbleibt. Gleichzeitig wollen wir durch zügige Fortschritte in der Energiewende die Wettbewerbsfähigkeit hessischer Unternehmen erhöhen. Schon jetzt ist Strom aus erneuerbaren Energien günstiger als Atomstrom. Die Kosten für die Erzeugung von Strom aus Kohle, Öl, Gas und Uran werden in Zukunft weiter steigen, während die Produktionskosten für erneuerbare Energien weiter sinken werden. Deswegen ist eine hessische Energiewende auch ein wichtiger Eckpfeiler für den Wirtschaftsstandort Hessen.
Wir setzen uns u. a. für einen dezentralen Ausbau erneuerbarer Energien ein, weil der Ausbau der Übertragungsnetze („Stromautobahnen“) verringert werden kann, wenn Erzeugung und Verbrauch möglichst nah beieinander liegen. Die notwendige regelmäßige Ertüchtigung der Übertragungsnetze und notwendige Lückenschlüsse haben wenig mit der Energiewende, sondern mehr mit den allgemeinen technischen Voraussetzungen eines funktionierenden Stromsystems zu tun. Wir werden die Verteilnetzbetreiber (regionale Netzbetreiber, häufig Stadtwerke) in Hessen bei der Ertüchtigung ihrer Netze für die Anforderungen der Aufnahme und Verteilung von Strom aus erneuerbaren Energien und bei der Entwicklung von Flexibilitätsangeboten unterstützen.
2. Strom-, Wärme- und Verkehrsbereich zusammen denken
Die Umsetzung der Energiewende in Hessen steht vor der nächsten großen Herausforderung. Bisher lag der Schwerpunkt der öffentlichen Diskussion auf dem Stromsektor. Wärme- und Verkehrsbereich spielten leider nur eine untergeordnete Rolle. Wir wollen der Energiewende in Hessen neuen Schub verleihen und einen integrierten Ansatz, Sektorenkopplung und Konvergenz der Energiemärkte in den Mittelpunkt stellen. Die drei Bereiche der erneuerbaren Energien dürfen nicht mehr getrennt betrachtet, sondern müssen integriert weiterentwickelt werden. Mit dem Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) – welches mit Landes- und Bundesmitteln gerade einen Neubau in Kassel erhält – und weiteren Einrichtungen haben wir in Hessen die richtigen Einrichtungen, um einer dezentralen und erneuerbaren Energieerzeugung neuen Schwung zu verleihen. Auch werden wir dafür sorgen, dass die Energieforschung an den staatlichen Hochschulen in Hessen einen hohen Stellenwert einnimmt.
Beim Neubau von Wohnungen wollen wir für einen kostensenkenden Einsatz von erneuerbaren Energien und für die Verknüpfung von Strom- und Wärmebereich sorgen.
3. Vielfalt erneuerbarer Energien ausschöpfen
Um die Vollversorgung mit erneuerbaren Energien zu erreichen, setzen wir auf einen Mix aller ihrer Erzeugungsarten. Dezentrale Gaskraftwerke, die gleichzeitig Strom und Wärme (Kraft-Wärme-Kopplung, KWK) produzieren, sind bis dahin eine sinnvolle Brückentechnologie, weil sie später mit aus erneuerbaren Energien hergestelltem Gas aus Überschüssen von Solar- und Windkraft betrieben werden können („Power-to-Gas“) und die bestehende Gasnetzinfrastruktur dafür genutzt werden kann. Wir setzen uns dafür ein, dass Power-to-Gas-Anlagen, die der Zwischenspeicherung erneuerbarer Energie dienen, von Letztverbraucherabgaben befreit werden. Die Vielfalt erneuerbarer Energien und die Verknüpfung von Strom- und Wärmenetzen und dem Verkehrssektor ermöglicht die Flexibilität, die wir bei einem immer größeren Anteil erneuerbarer Energien in der Energieversorgung brauchen.
Windenergie an Land und Solarstrom sind durch den seit dem Jahr 2000 beschleunigten Ausbau in Deutschland inzwischen die günstigsten Stromerzeugungsarten. Nur mit ihrem dynamischen Ausbau kann die Energiewende gelingen. Sie werden die Hauptsäulen der künftigen Energieversorgung sein.
4. Windenergie in Zusammenarbeit mit den Kommunen ausbauen
Die schwarze-grüne Landesregierung tut nicht genug, um den Ausbau der Windkraft an sinnvollen Standorten zu ermöglichen. Die windstärksten Flächen in Hessen sind weitgehend Windausschlussgebiet, obwohl viele der dortigen Städte und Gemeinden Windenergie wollen, weil sie Wertschöpfung in strukturschwache ländliche Räume bringt. Wir stehen zum Ziel des Energiegipfels, 2 % der Landesfläche für den Ausbau der Windenergie an Land bereitzustellen. Dieses Ziel darf nicht zum Papiertiger verkommen. Wir werden daher einen jährlichen Energiewendebericht einführen, der den Zubau der Erneuerbaren ermittelt und nach klaren Kriterien den Bedarf für politisches Nachsteuern aufzeigt. Um nachsteuern zu können, wird die SPD Hessen mit einem neuen Landesentwicklungsplan dafür sorgen, dass windstarke Standorte dann genutzt werden können, wenn die betroffenen Kommunen dies wollen. Die dirigistische Landes- und Regionalplanung ist zu unflexibel. Wir werden mehr auf kommunale Selbstbestimmung setzen, weil so am besten Bürgerbeteiligung und Bürgerengagement ermöglicht werden. Die besten Windräder sind die in den Händen von Kommunen, Stadtwerken, Bürgerenergiegenossenschaften, Energieversorgern und Mittelständlern vor Ort, weil die Wertschöpfung in der Region bleibt. Dies zu organisieren, geht nicht durch Pläne von oben, die Gemeinden, Bürgern und Wirtschaft strikt vorgeben, wo gebaut werden darf und wo nicht.
Im neuen Landesentwicklungsplan bleiben wir für neue Standorte bei klaren Mindestabständen zur Wohnbebauung, die mit 1.000 Metern über gesetzlich geforderte Abstände nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz hinausgehen.
Die Energiewende in Hessen funktioniert nur mit Windkraft im Wald, weil die windstarken Kuppen in Hessen überwiegend bewaldet sind. 42 % der Fläche Hessens sind Wald. Dabei reicht die Fläche im Wirtschaftswald völlig aus; die wenigen naturnahen Wälder in Hessen sollen nicht für Windkraft genutzt werden. Wir werden bei der Verpachtung von Windvorrangflächen im HessenForst endlich im Gegensatz zu Schwarz-Grün die Voraussetzungen schaffen, um Kommunen, Stadtwerken und Energiegenossenschaften bessere Chancen zu verschaffen, Windparks im Wirtschaftswald zu betreiben. Dabei sind die benachbarten Kommunen von Windkraftanlagen auf Flächen von HessenForst nach rheinland-pfälzischem Vorbild an den Pachteinnahmen zu beteiligen. Auch dies hat Schwarz-Grün in den letzten Jahren blockiert. Wenn Windenergie durch das EEG immer preiswerter werden soll, können allerdings auch die Pachterlöse von HessenForst nicht immer weiter in den Himmel wachsen. Damit hessische Windenergieprojekte in bundesweiten Ausschreibungsverfahren überhaupt eine Chance haben, muss HessenForst bei den Pachtentgelten Maß halten.
5. Potenziale der Solarenergie nutzen
Auch die Nutzung der Solarenergie liegt in Hessen weiter unter ihren Möglichkeiten. Bei den geeigneten Dachflächen in Hessen, die für Fotovoltaik (Sonnenlicht zu Strom) oder für Solarwärme (Sonnenlicht zu Wärme) genutzt werden können, gibt es noch erhebliches Potenzial, insbesondere auf Industriegebäuden. Wir wollen diesen Anteil in den nächsten fünf Jahren verdoppeln. Dafür werden wir gesetzliche Überregulation abbauen, um bessere Möglichkeiten für die Nutzung der Solarenergie zu schaffen. Dabei legen wir besonderen Wert auf Mieterstrom-Modelle, die es Mietern ermöglichen, an den gesunkenen Preisen für Solarstrom teilzuhaben. Wir wollen auch den Ausbau der Solarenergie an Schallschutzwänden und -wällen sowie auf Freiflächen, insbesondere auf Konversionsflächen und bereits vorbelasteten Flächen entlang von Autobahnen und Bahngleisen, weiter vorantreiben. Solarenergie gehört überall dort hin, wo ein sinnvoller Doppelnutzen gestiftet werden kann.
6. Wasserkraft weiter ausbauen
Die Wasserkraft ist wichtig für die Energiewende. Die schwarz-grüne Landesregierung hat mit dem sogenannten Mindestwasser-Erlass die Axt an die Wasserkraft gelegt. Die Landesregierung wird mit der Umsetzung dieses Erlasses erneuerbaren Strom in der Größenordnung des Haushaltsstromverbrauchs von Städten wie Marburg oder Gießen vom Netz nehmen. Statt die Wasserkraft unter einen Anteil von 3 % zu drücken, wollen wir die Rahmenbedingungen für Erhalt und naturverträglichen Ausbau der Wasserkraft auf über 5 % des Stromverbrauchs in Hessen schaffen. Dazu werden wir in einem ersten Schritt den Vollzug des Mindestwasser-Erlasses stoppen und unter Einbeziehung aller Gewässernutzer eine neue Richtlinie erarbeiten. In einem zweiten Schritt werden wir dabei helfen, dass bestehende Wehre wieder für die Wasserkraft genutzt werden können. Für bestehende Wasserkraftwerke schaffen wir ein investitionsfreundliches Klima, um Leistungssteigerungen zu ermöglichen. Dabei achten wir auf den Interessenausgleich zwischen Naturschutz, Fischerei und der Nutzung von Wasserkraft und fördern dafür neue technologische Möglichkeiten.
7. Biomasse
Die Nutzung der Biomasse zur Strom- und Wärmegewinnung hat auch in Hessen noch erhebliches Entwicklungspotenzial. Wir wollen keinen weiteren Ausbau von Monokulturen. Stattdessen ist eine verstärke energetische Nutzung von Grün-schnitt, Bioabfall und Gülle unser Ziel.
8. Kosteneinsparungen durch mehr Energieeffizienz
Zur Erreichung nachhaltiger und emissionsfreier Energieversorgung in Hessen ist die Steigerung der Energieeffizienz eine wichtige Säule. Wir werden uns für die Steigerung der Energieeffizienz in hessischen Unternehmen, öffentlichen Gebäuden und privaten Haushalten einsetzen. Dabei wollen wir es Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, sich an der energetischen Sanierung öffentlicher Gebäude finanziell zu beteiligen. Dies hilft insbesondere den Kommunen bei der Finanzierung der energetischen Sanierung, steigert die Aufenthaltsqualität, macht unsere Gebäude klimafreundlicher und ermöglicht eine niedrigschwellige Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den finanziellen Vorteilen der Energiewende.
9. Kommunale Energiewende voranbringen
Kommunen und Stadtwerke sind wesentlich Akteure der bürgernahen dezentralen Energiewende. Wir sehen die dezentrale Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge. Wir wollen den Kommunen durch die Wiederherstellung der ihnen im Grundgesetz garantierten Selbstverwaltung die Möglichkeit geben, die Chancen der Energiewende für lokale Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu nutzen und als Energieerzeuger tätig zu werden. Wir werden dazu die rechtlichen Möglichkeiten der Kommunen zur Eigeninitiative im Energiebereich durch eine Reform der Hessischen Gemeindeordnung und der Hessischen Bauordnung verbessern.
10. Energie- und Verkehrswende verknüpfen – Automobilwirtschaft stärken
Bei der Verkehrswende hin zu klimaverträglicheren Antriebsformen steht für die großen Automobilkonzerne mit Produktionsstandorten in Hessen der größte Transformationsprozess ihrer Geschichte ins Haus. Es wird einen Strukturwandel in der Automobilproduktion geben.
Die aktuelle schwarz-grüne Landesregierung hat die Herausforderung, die dieser Veränderungsprozess für die mehr als 50.000 Beschäftigten in der hessischen Automobilwirtschaft und der Zulieferindustrie mit sich bringt, vernachlässigt und Chancen, z. B. des Hybridantriebs, verschlafen. Für die hessische SPD ist klar: Diese Herausforderung kann nur gemeinsam mit den Beschäftigten in den Automobil- und Zulieferbetrieben gelingen. Eine SPD-geführte hessische Landesregierung wird im Trialog zwischen Unternehmen, Gewerkschaften und Regierung die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass dieser Strukturwandel positive Effekte für Arbeitende und Unternehmen entfaltet. Für eine Übergangszeit brauchen wir modernste, effiziente und saubere Diesel- und Ottomotoren, auch als Hybridmotoren. Gleichzeitig müssen wir schon heute bei Antriebstechniken wie der Elektromobilität, der Brennstoffzelle oder dem Gasantrieb nachlegen, damit wir auch in Zukunft Mobilitätsland Nummer eins bleiben. Eine zu frühe Vorfestlegung auf eine dieser Antriebsformen ist nach unserer Überzeugung falsch.
Wir wollen, dass Arbeitsplätze und Wertschöpfung am Automobilstandort Hessen bestehen bleiben. Durch den Einsatz des E-Motors in den Städten kann der Anteil der Luftschadstoffe dort zügig gesenkt werden. Durch Gerichtsverfahren drohende Fahrverbote wollen wir verhindern. Fahrverbote treffen einkommensschwache Bürger und kleine Handwerksbetriebe am härtesten. Deshalb setzen wir auf Innovation statt auf Verbote, die einer Enteignung von Fahrzeugen gleichkommen.
Auch im öffentlichen Personenverkehr und im Lastverkehr kommen zunehmend erneuerbare Energien und alternative Antriebsarten zur Anwendung. Es gibt inzwischen Züge, die mit Wasserstoff betrieben werden, und Lastwagen, die Teilstrecken mit Strom fahren können. Den Einsatz solcher innovativen Techniken in Hessen wollen wir fördern.
Beste Grüße von Arijana Neumann