Frage an Antje Möller von Helena P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr verehrte Frau Möller,
erst im Januar 2013 erklärte das Hamburgische Verfassungsgericht die 3 %-Sperrklausel bei Bezirksversammlungswahlen für nichtig. Die Begründungen der Verfassungsgerichte bei Sperrklauseln sind immer dieselben: Verletzung der verfassungsgemäßen Grundrechte Wahlgleichheit und Chancengleichheit, demokratischer Grundpfeiler.
Das Hamburgische Verfassungsgericht führte aus, dass eine Sperrklausel nur dann gerechtfertigt sei, wenn sie verhindere, dass die Funktionsfähigkeit eines Parlaments beeinträchtigt werde.
Trotz wiederholter Verfassungsurteile haben SPD, CDU und die Grünen in der Hamburger Bürgerschaft eine Änderung der Hamburgischen Verfassung verabredet, die eine 3 % Sperrklausel bei Bezirkswahlen einführen soll.
Die Bürgerschaft ist aber noch immer der Öffentlichkeit gegenüber eine ordentliche Rechtfertigung schuldig, was die Funktionsfähigkeit der Bezirksversammlungen ohne Sperrklausel beeinträchtigen würde und was nicht durch Globalrichtlinien und Fachanweisungen korrigiert werden könnte. Aus anderen deutschen Großstädten, die 6-7 Parteien in den Gemeindeparlamenten haben, sind solche Funktionsstörungen unbekannt.
Können Sie mir bitte konkret beschreiben, was in den Hamburger Bezirksversammlungen, die weniger Macht als andere Gemeindeparlamente haben, mit einiger Wahrscheinlichkeit eine solche Funktionsstörung herbeiführen würde, die mit den vorhandenen Mitteln nicht geregelt werden könnte, und die die Beschneidung der genannten Grundrechte rechtfertigen würde ?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau Peltonen-Gassmann,
vielen Dank für Ihre Frage. Wie sie vielleicht wissen, war die grüne Positionierung zur 3% Sperrklausel auch innerhalb der Grünen hier in Hamburg umstritten, weil die Notwendigkeit dieser restriktiven Regelung auch bei uns sehr kontrovers diskutiert wurde.
Das Hauptargument war, dass bei einer befürchteten Zersplitterung der politischen Parteien in den Bezirksparlamenten die Handlungsfähigkeit der Bezirke bedroht sei und zur Kompensation inhaltlicher Blockaden vermehrt Fachanweisungen und Globalrichtlinien der Fachbehörden notwendig würden. Das wäre aber keine Stärkung der Bezirke, sondern würde im Ergebnis eine Schwächung bedeuten, denn damit bekämen die Zentralbehörden einen ungewollten Machtzuwachs und dies würde allen Bemühungen zur Stärkung der Bezirke schaden.
Ob die befürchtete Handlungsblockaden wirklich eintreten würden ist natürlich nur eine Annahme aufgrund der jetzigen Erfahrungen, die jedoch von der großen Mehrheit in der Bürgerschaft geteilt wurde.
Mit freundlichen Grüßen
Antje Möller