Frage an Antje Möller von Fynn H. bezüglich Wirtschaft
Sehr Geehrte Frau Möller,
Wir haben uns in einem Schulprojekt mit der Frage beschäftigt wie der Erneuerbare Ökostrom kurz- und langfristig bezahlbar bleiben kann. Der Strompreis ist seit dem Jahr 2000 um 11Cent/KWh gestiegen. Dies stellt vor allen Dingen für die unteren Einkommensschichten und klein- und mittelständischen Unternehmen ein Problem dar.
Von diesen 11Cent/KWh sind 5,28Cent Die EEG-Umlage, welche nun wieder auf 6,24Cent/KWh was in einem 4 Personen Haushalt bis zu 50€ mehr sein können. Dies klingt erstmal nicht so viel aber diese 6,24Cent/KWh sind im Jahr im selben Haushalt rund 300€ mehr im Jahr für Strom.
Wie stellt sich ihre Partei die Sicherung der Bezahlbarkeit des Stromes vor?
Mit freundlichen Grüßen
Fynn Huppertz
Lieber Fynn Huppertz,
vielen Dank für Ihre Frage zum Strompreis. Ich bin dafür fachlich gar nicht zuständig und habe deshalb unser Energieressort um Unterstützung gebeten. Die Folgen steigender Energiepreise für einkommensschwache Haushalte, aber auch für kleine und mittlere Unternehmen, sind in der Tat ein ernstes Problem. Offenbar sehen Sie die EEG-Umlage als einen wesentlichen Faktor für die Strompreissteigerung an. Das können wir nicht nachvollziehen. Wir sind im Gegenteil überzeugt, dass nur mit den Erneuerbaren Energien auf lange Sicht eine sichere und kostengünstige Energieversorgung möglich ist. Von 2000 und 2011 ist der Strompreis um 11,31 Cent gestiegen, die EEG-Umlage nur um 3,46 Cent. Zwei Drittel der Preissteigerungen lassen sich also nicht mit der EEG-Umlage erklären. Sie gehen vor allem auf Steigerungen bei den Kosten für konventionelle Energieträger zurück: im gleichen Zeitraum ist der Erdölpreis um rund 240 Prozent gestiegen, der Preis für Gas um rund 140 Prozent und der für Steinkohle um rund 150 Prozent.
Die EEG-Umlage bildet dabei aber gar nicht den tatsächlichen Anteil der Erneuerbaren Energien an den Stromkosten ab. Wahrscheinlich haben Sie sich in Ihrem Schulprojekt auch mit der Funktionsweise der Strombörse und den Preisbildungsmechanismen beschäftigt: Die Kraftwerke werden von der Strombörse entsprechend den von ihnen verlangten Preise zur Lieferung herangezogen (in der Reihenfolge der sogenannten merit order). Der Strompreis für alle Lieferanten entspricht dem des jeweils teuersten zugeschalteten Kraftwerks.
Das wachsende Angebot an Windenergie führt inzwischen dazu, dass teuer produzierende konventionelle Kraftwerke immer öfter aus dem Markt gedrängt werden. Der Strompreis an der Börse sinkt also. Da die Erneuerbaren Energien aber eine feste Einspeisevergütung erhalten, die über dem Marktpreis liegt, tritt ein paradoxer Effekt ein: Die Erneuerbaren senken den Börsenstrompreis und als Folge steigt die EEG-Umlage, die ja nichts anderes als die Differenz zwischen Marktpreis und Einspeisevergütung darstellt. Dieser sogenannte merit-order-Effekt bedeutet, daß die EEG-Umlage den Kostenanteil der Erneuerbaren Energien am Strompreis nicht richtig abbildet. Das wird in der Diskussion um die Strompreisentwicklung leider oft nicht berücksichtigt. (Übrigens auch Ihrer Beispielrechnung nicht, in der Sie zusätzlich einen extrem hohen Verbrauch von rund 5000 kWh für einen Vier-Personen-Haushalt ansetzen). Im Jahr 2006 hatte laut einer Studie für das Bundesumweltministerium der merit-order-Effekt in etwas dasselbe Volumen wie die gesamte EEG-Umlage. Wie sich beides zueinander verhält (Kostendämpfung durch die Erneuerbaren Energien und Höhe der EEG-Umlage) hängt von verschiedenen Randbedingungen ab: von den Vergütungssätzen für Erneuerbare (die tendenziell sinken), von den Preisen für konventionelle Brennstoffe, von den Preisen für CO2-Zertifikate und natürlich von der Nachfrageentwicklung auf dem Strommarkt. Es ist aber klar, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien auf lange Sicht die Börsenpreise für Strom senken wird. Ob diese Kostensenkung auch die Verbraucherinnen und Verbraucher erreicht, ist natürlich eine andere Frage.
Schließlich ist beim Vergleich von Erneuerbaren und konventionellen Energien noch ein weiterer Aspekt zu berücksichtigen. Nicht nur die Erneuerbaren werden gefördert, sondern auch die konventionellen Energien. Während die Förderung der Erneuerbaren über die EEG-Umlage ausgewiesen wird, ist die Förderung für Atom und Kohle durch Förderungen wie Finanzhilfen oder Steuerbegünstigungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht transparent. Rechnet man externe Kosten (also Kosten für Umwelt- und Gesundheitsbelastungen, die die Allgemeinheit tragen muß) hinzu, dann kommt man für das Jahr 2012 auf 40 Mrd. Euro versteckter Förderung für konventionelle Energien. Die EEG-Umlage betrug demgegenüber nur 17 Mrd. Euro (Berechnungen des Forums ökologisch-soziale Marktwirtschaft).
In den letzten Jahren hat sich die Verteilung der Kosten für die Erneuerbaren Energien immer mehr zulasten der Haushalte verschoben. Immer mehr Industrieunternehmen sind von der EEG-Umlage (und von den Netzentgelten) befreit worden, angeblich weil sie im internationalen Wettbewerb stehen. Befreiung für Unternehmen bedeutet dabei, dass die privaten Verbraucher und das Gewerbe deren Anteil an der EEG-Umlage mit übernehmen müssen. Für die Aluminiumproduktion ist das nachvollziehbar, aber nicht für Hähnchenmastbetriebe oder Golfplätze. Wenn diese Privilegien wieder zurückgefahren würden, dann würden die privaten Stromkunden und –kundinnen und der Mittelstand deutlich entlastet werden: um mindestens einen Cent pro kWh. Zur ungleichen Verteilung der Kosten für die Erneuerbaren Energien kommt für die privaten Verbraucherinnen und Verbraucher noch hinzu, daß die Stromversorger sinkende Börsenpreise durch die Erneuerbaren Energien nicht an ihre Kunden weitergeben. Hier fehlt es an einer wirksamen Marktaufsicht, aber auch an der Wechselbereitschaft der Stromkunden und -kundinnen.
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist nicht die Ursache für steigende Energiepreise. Für die privaten Haushalte kommt hinzu, daß die Kosten für Heizung und für Mobilität in den letzten Jahren ebenfalls stärk gestiegen sind. Darum ist den Menschen, die ihre Stromrechnungen oder ihre Heizungsrechnungen kaum mehr bezahlen können, nicht geholfen, wenn wir den Ausbau der Erneuerbaren deckeln. Im Gegenteil, das hilft nur den Atom- und Kohlekonzernen.
Sinnvolle Schritte zur Begrenzung der Energiekosten wären dagegen:
- Abbau der Subventionen für Atom und Kohle,
- Begrenzung der Privilegien für individuelle Großverbraucher (zugunsten von Haushalts- und Gewerbekunden),
- eine Reform der Strommarktordnung (dabei geht es um solche Dinge wie die Marktprämie für die Direktvermarktung oder die Managementprämie, auf die ich hier nicht eingehen konnte),
- Förderung von Energieeffizienz und Energieeinsparung und mehr energetische Sanierung von Gebäuden,
- mehr Beratung zum Energiesparen, besonders für einkommensschwache Haushalte und Förderung für die Anschaffung energieeffizienter Geräte
Vielen Dank für Ihr Interesse und
freundliche Grüße
Antje Möller
Mehr Informationen zum Thema können Sie in den folgenden Quellen finden:
„Sind die Erneuerbaren schuld an steigenden Strompreisen?“, Hintergrundpapier der Grünen Bundestagsfraktion, 2012 (http://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/energie/PDF/Stromkosten2.pdf)
„Was die Energiewende wirklich kostet“, Studie des Forums ökologisch-soziale Marktwirtschaft, 2013 (http://www.foes.de/pdf/2013-09-Studie-Was-die-Energiewende-wirklich-kostet.pdf)
„Ausnahmeregelungen für die Industrie bei Energie- und Strompreisen“, Studie des Forums ökologisch-soziale Marktwirtschaft, 2013 (http://www.foes.de/pdf/2013-09-Industrieausnahmen-2005-2014.pdf)
„EEG-Umlage und die Kosten der Stromversorgung für 2014“, Studie des Öko-Instituts, 2013 (http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/energie/Oeko-Institut__2013__-_Greenpeace_Prognose_EEG-Umlage.pdf)
Analyse des Preiseffekts der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auf die Börsenpreise im deutschen Stromhandel, Fraunhofer Institut System- und Innovationsforschung, 2007 (http://www.isi.fraunhofer.de/isi-media/docs/isi-publ/2007/isi07b31/Sensfuss-Ragwitz-Gutachten-Merit-order-Effect-2006.pdf)
„Entwicklung der Energiekosten in einem deutschen Musterhaushalt“, Verbraucherzentrale Bundesverband 2013 (http://www.vzbv.de/2206.htm)