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Antje Möller
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Frage von Klaus-Peter S. •

Frage an Antje Möller von Klaus-Peter S. bezüglich Recht

Guten Tag Frau Möller
Ganz besonders unser Hamburg hat extreme Probleme mit der Gewaltkriminalität Jugendlicher und Heranwachsender.
Ursprünglich hatte der Gesetzgeber angedacht, heranwachsende Erwachsene zwischen 18 und 21 Jahren nur in Ausnahmefällen nach dem unverhältnismässig milden Jugendstrafrecht zu belangen.Gerade aber in Hamburg wo die Kriminalität dieses Klientels ganz besonders hoch ist,hat sich die angedachte Vorgehensweise geradezu umgekehrt. In Hamburg werden 18- 21 Jährige nur noch in Ausnahmefällen nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt, während 87 Prozent in den Genuss des Jugendstrafrechts kommen. Bundesweit liegt der Durchschnitt immerhin noch bei 63 Prozent. (Quelle: BILD, 3.02.2011)
Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen den milden Urteilen und der auffallend hohen Kriminalitätsrate dieses genannten Klientels? Ermuntert zu viel Milde und Nachsicht diese Straftäter zu neuen Straftaten? Sind Sie der Meinung,dass diese Vorgehensweise der Strafjustiz und der Jugendrichter "im Namen des Volkes" noch hinnehmbar ist und im Volke Akzeptanz findet? Die CDU fordert neuerdings, dass Angeklagte Erwachsene nicht mehr regelmäßig nach der milden Jugend-, sondern wie eigentlich vorgesehen nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden .
Unterstützen Sie auch die Forderung der CDU ,oder wollen Sie weiter möglichst geringe Sanktionen für diese Straftäter unter Inkaufnahme der daraus resultierenden negativen Folgen?

Gruß
Klaus- Peter Steinberg

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Steinberg,

zum Thema Jugendgewalt hat der Senat im Januar ein 12-Punkte-Programm vorgelegt, das wir öffentlich kommentiert und kritisiert haben. Zum Teil gehen die Punkte über Ihre konkreten Fragen hinaus, zur Prävention gegen Jugendgewalt und zum Umgang mit straffälligen Jugendlichen braucht es allerdings ein Gesamtkonzept, deshalb sende ich Ihnen den Kommentar zu den Thesen der CDU komplett.

1. Beschleunigte Strafverfolgung auch bei über 21-jährigen: Ausweitung von PROTÄKT („Projekt Täterorientierte Kriminalitätsbekämpfung“) auf PROTÄKT II

Die Maßnahme ist inhaltlich sinnvoll, weil sie Verfahren beschleunigt und für feste, täterorientierte Zuständigkeiten bei Polizei und Staatsanwaltschaft sorgt. Die Ausdehnung auf 150 Jungerwachsene über 21 Jahre erfordert aber drei zusätzliche Stellen (Bes-Gr. R1) bei der Staatsanwaltschaft für das PROTÄKT-Sonderdezernates, um die Arbeit auch zu schaffen. Die Finanzierung dieser Stellen ist offen.

2. Beschleunigtes Verfahren bei jugendlichen Straftätern entsprechend dem „Neuköllner Modell“: Spürbare Sanktion schon innerhalb eines Monats.

Unser grünes Wahlprogramm fordert „schnelle und eindeutige Reaktionen“ auf Straftaten. Strafen sollen angemessen und spürbar sein und die Situation der Jugendlichen berücksichtigen, um kriminelle Karrieren zu stoppen statt sie weiter zu befeuern. Der Senat will das vereinfachte Strafverfahren stärker nutzen. Dieses vereinfachte Verfahren verzichtet auf bestimmte Formalien. Einen Beschleunigungseffekt erbringt das nicht, weil entscheidend für die Verfahrensdauer eine hinreichende Personalausstattung und eine reibungslose Kommunikation zwischen den Beteiligten ist. Das normale Verfahren ist durch konsequente Verbesserung der Strukturen und eine engagierte Arbeit der RichterInnen und StaatsanwältInnen in den letzten Jahren wesentlich beschleunigt worden. So verkürzte sich die Dauer der Verfahren vorm Jugendrichter (worunter die allermeisten Fälle fallen) von 6 auf 4 Monate ab Eingang bei der Staatsanwaltschaft bis zur Abfassung des Urteils. Um eine weitere Beschleunigung zu erreichen wurde unter grüner Leitung der Justizbehörde das Projekt PriJus eingeführt. Seit 1.10.2010 werden so stadtweit geeignete Verfahren noch weiter beschleunigt. Direktere Kommunikationswege zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendgerichtshilfe und Gericht verhindern, dass die Akten unbearbeitet liegen bleiben und so wertvolle Zeit verlorengeht.

3. Verbot für Gewalttäter, erlaubte oder erlaubnispflichtige Waffen zu besitzen: Gesetzesinitiative auf Bundesebene

Die GAL fordert seit Jahren eine Strategie der Entwaffnung für ganz Hamburg. Gescheitert sind weitergehende Waffenverbotsinitiativen im Bund an der gut vernetzten Waffenlobby. Das Versprechen einer Bundesratsinitiative allein hilft nicht viel. Unmittelbare Hamburger Handlungsmöglichkeiten liegen in der Verstärkung der Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit und der verstärkten Kontrolle der Zuverlässigkeit der Waffenbesitzer und Verkaufsstellen von Waffen.

4. Gewalttäter müssen in Zukunft damit rechnen, den Führerschein zu verlieren

Diese Maßnahme ist nach geltenden Recht schon heute möglich. Ihre pauschale Umsetzung für alle verurteilten Straftäter käme einer Doppelbestrafung gleich, weil damit Kosten von mehreren Hundert Euro verbunden sind. Das ist rechtssystematisch ein kritischer Ansatz.

5. Bessere berufliche Perspektiven für Jugendliche / Neue „Jugendberufsagentur“ soll eingerichtet werden

Die Gründung einer Jugendberufsagentur ist ein Vorhaben aus dem schwarz-grünen Koalitionsvertrag.

6. Schulbesuch an Berufsschulen wird auch künftig überwacht / Neue Ausbildung zu Anti-Gewalt-Koordinatoren

Die Verstetigung dieses 2008 angelaufenen Projektes und die Qualifizierung der bisher eingesetzten AssistentInnen zur Anti-Gewalt-KoordinatorInnen entspricht der Erkenntnis, dass hinter schulischen Absentismus häufig (lösbare) soziale Problemlagen liegen, die bearbeitet werden müssen. Hierfür ist im normalen Schulalltag oft wenig Zeit vorhanden und es braucht dafür kompetente AnsprechpartnerInnen. Allerdings ist im Senatsvorschlag die dauerhafte Finanzierung dieser bisher befristeten Stellen nicht angesprochen.

7. Auf- und Ausbau gewaltpräventiver Netzwerke auf lokaler Ebene

Der ursprüngliche Impuls für den Aufbau von Netzwerken waren die früher von der GAL vehement eingeforderten Sicherheitskonferenzen, die auch heute noch erfolgreich arbeiten.

Der weitere Ausbau und Verstetigung dieses Ansatzes ist richtig. Um die Arbeit in sinnvoller Weise zu unterstützen, müssten solche regelmäßigen Gespräche mit Ressourcen für Moderation und Geschäftsführung ausgestattet werden, um die Bearbeitung von Konflikten zu unterstützen, Ergebnisse zu sichern und Verbindlichkeit herzustellen. Dafür sind entsprechende Ressourcen einzuplanen.

8. Kiezläuferprojekt von der Veddel wird auf alle Bezirke ausgedehnt

Das Kiezläuferprojekt ist ein unterstützenswerter Ansatz, weil es einen Mangel an niedrigschwelliger, aufsuchender Arbeit in den Stadtteilen gibt. Allerdings dürfen Kiezläufer nicht als Kompensation für fehlende Straßensozialarbeit herhalten und es muss eine funktionierende Zusammenarbeit mit den professionellen Kräften gefunden werden, die sich um den Kiez kümmern.

9. Einführung des Warnschussarrestes

Warnschussarrest lehnen wir ab, weil ein Freiheitsentzug angesichts sehr hoher Rückfallquoten häufig einen eher negativen Effekt auf Jugendliche hat. Statt abschreckend zu wirken verarbeiten Jugendliche diese Erfahrung "hinter Gittern" häufig als Heldentat, mit der man im sozialen Umfeld zusätzlich Eindruck schinden kann. Studien zeigen, dass ein Warnschussarrest die Rückfallquote nicht senkt.

10. Nur noch in Ausnahmefällen Jugendstrafen für 18- bis 20-jährige Täter

Die Politik der Abschreckung durch schärfere Gesetze und härtere Strafen funktioniert nicht, denn mit härteren Strafen steigt auch die Rückfallquote. Die Möglichkeiten des Jugendstrafrechts können sehr viel besser genutzt werden, um eine nachhaltige Verhaltensänderung bei straffällig gewordenen Jugendlichen einzuleiten. Diese Möglichkeiten opfert der CDU-Vorschlag aus ideologischen Gründen.

11. Erhöhung der maximalen Jugendstrafe von 10 auf 15 Jahre

Diese Maßnahme ist falsch, weil es auch bei schweren Straftaten um Resozialisierung gehen muss. Eine Ausweitung der Jugendstrafe auf 15 Jahre würde die Chancen schmälern, nach Beendigung der Strafhaft überhaupt noch in die Spur zu finden und in die gesellschaftliche Normalität zurück zu kehren.

12. Vereinfachte Untersuchungshaft für gefährliche Wiederholungstäter

Es ist jetzt schon möglich, Personen, die einer besonders schweren Straftat verdächtigt werden, wegen Wiederholungsgefahr in Haft zu nehmen, selbst wenn Flucht- oder Verdunkelungsgefahr nicht vorliegen.

Mit freundlichen Grüßen

Antje Möller