Frage an Annemarie Erb von björn b. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Erb,
unsere Aufgabe war es uns über die Landtagswahlen 06 zu informieren. Daher hat sich aus ihrem Programm folgende Frage ergeben: "Wo machen Sie die Grenze bei Straftaten fest, bei denen DNA-Daten aufgenommen werden oder nicht?"
Sehr geehrter Herr Bolleyer,
tatsächlich bezieht sich beim Thema DNA-Daten unser Programm auf datenschutzrechliche Fragestellungen. Unsere Forderung ist, dass Bedenken, die auch Datenschützer haben, ernster genommen werden müssen. DNA-Daten weisen grundsätzliche Unterschiede zu Fingerabdrücken auf. So enthält das Genom eine Fülle individueller Daten. Die Einschränkung auf die bloße Identitätsfeststellung ist zwar vorgesehen, dies ist aber nicht ausreichend abgesichert. Darüber hinaus ist die Datensammelwut (nicht nur der Behörden) für viele Bürger erschreckend. Bei freiwilligen Gen-Analysen zur Eingrenzung des möglichen Täterkreises ist den an der Tat nicht beteiligten Freiwilligen häufig unklar, was mit ihren Genproben und Daten nach Abschluss der Ermittlungen geschieht. Das aufkommende Misstrauen besteht zu Recht. Die Zweckbindung bei der Sammlung personenbeziehbarer Daten wird allmählich aufgelöst. In England gehen die Forderungen schon so weit, allen Neugeborenen Zellen als Grundlage für eine umfassende Gendatenbank zu entnehmen. Hier müssen klare Grenzen gezogen werden, klarere als wir sie derzeit haben. Ich selbst habe immer im Hinterkopf, mit welchen Konsequenzen ab 1933 die Nazis auf alle verfügbaren Daten zugegriffen haben. Nicht dass ich glaube, dass der Faschismus unmittelbar vor der Tür steht, aber bei Sammlung und Speicherung von personenbeziehbaren Daten muss möglicher Missbrauch unter eventuell sich auch nur graduell verändernden Vorzeichen immer mitgedacht werden.
Was Ihre spezifische Fragestellung betrifft, bei welchen Straftaten überhaupt DNA-Daten aufgenommen werden sollten oder nicht, bin ich durchaus der Auffassung, dass moderne Methoden der Täteridentifizierung angewendet werden sollen. Die Schwere der Straftat ist ja bereits als Abgrenzungsungsmerkmal vorgesehen. Eine Festlegung auf ein bestimmtes Strafmaß als Abgrenzungsmerkmal bei Beibehaltung der Voraussetzung der Negativprognose (auch hierzu wäre einiges zu sagen) würde für mehr Transparenz sorgen. Meiner Ansicht nach wurden zu Recht Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung mit aufgenommen. Fragwürdig bleibt für mich die Ausweitung auf kleinkriminelle Wiederholungstäter. Dass man wirklich die DNA-Daten jedes mehrmaligen Ladendiebes speichern dürfen soll, der/die in der Regel auch mit konventionellen Polizeimethoden zu überführen ist, erscheint mir in Anbetracht der oben erwähnten Bedenken als zu weitgehend.
Das Thema muß weiter in der Debatte bleiben. Die Bürger haben ein berechtigtes Interesse an Sicherheit, und die Polizei hat ein Interesse bei der Ermittlungsarbeit auf möglichst viele Daten zugreifen zu können. Andererseits stellt die Ermittlung und Speicherung von DNA-Daten einen Eingriff ins Persönlichkeitsrecht und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Derzeit besteht bei uns immer die Gefahr, dass gesetzlich nur nachvollzogen wird, was im Sinne der Effizienz wünschenswert ist, ohne dem entgegenstehende Rechtsgüter ausreichend miteinzubeziehen. Das war auch bei Entstehung dieses Gesetzes der Fall, deshalb muss es nachgebessert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Anne Erb