Sehr geehrte Frau Baerbock, ich empfinde die geplante Vermögenssteuer als schleichende Enteignung. Wie kann das gerecht sein?
Beispiel: Privater Vermieter, 10 Mio Immobilienwert, in 3 Generationen erarbeitet, 350.000,00/Jahr Brutto Mieteinnahmen, nach Kosten für Angestellte und Reparaturen ca. 200.000,00, nach Einkommensteuer 100.000,00, überschlägig gerechnet. Vermögenssteuer: 1% auf 8 Mio (abzgl. 2 Mio Schonvermögen) = 80.000,00
Sobald die selbst genutzte Immobilie und die Rücklagen hinzugerechnet werde, ist der Saldo 0.
Folge: steigende Mieten oder Aufgabe des Berufes Selbständiger Immobilienverwalter. Der Vergleich mit den 1990er Jahren hinkt, denn dort hat Kapital auf dem Sparbuch noch 3-4% erwirtschaftet. Außerdem: Jedes Vermögen, ob verdient oder geerbt, wurde bei Zugang bereits versteuert. Bitte nehmen Sie Stellung zum Thema Doppelbesteuerung und Vermögenssubstanzverlust, da die geplante Vermögenssteuer heutzutage in den meisten Fällen nicht durch Vermögenserträge getragen werden kann und daher dann aus der Substanz gezahlt werden müsste. Ich werde niemanden wählen, der mich doppelt besteuern möchte.
Sehr geehrter Herr G.
vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir Grüne setzen uns für ein gerechtes Steuersystem ein, in dem jeder entsprechend seiner Leistungsfähigkeit einen fairen Anteil zur Finanzierung des Gemeinwohls beiträgt. Dazu gehört für uns auch, eine angemessene Besteuerung von Vermögen sicherzustellen. Die Vermögensungleichheit in Deutschland hat stark zugenommen und liegt weit über dem EU-Durchschnitt. Ein Grund dafür ist, dass es sehr reichen Menschen möglich ist, durch Gestaltungen einer Besteuerung von Vermögen nahezu komplett zu entgehen - etwa bei der Erbschaftssteuer.
Wir wollen eine weitere Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich verhindern und setzen uns deshalb für eine angemessenere Besteuerung von Vermögen ein. Wir Grüne haben über die Wahl der geeignetsten und angemessensten Instrumente intensiv diskutiert. Wie im Wahlprogramm gemeinsam beschlossen, ist die Einführung einer neuen Vermögensteuer unser bevorzugtes Instrument um der ungleichen Vermögensverteilung entgegen zu wirken. Mit den Einnahmen aus der Vermögensteuer sollen die Länder die wachsenden Bildungsaufgaben finanzieren. Mit besserer Bildung wollen wir die Chancengleichheit erhöhen und allen eine bessere Teilhabe ermöglichen. Damit schaffen wir mehr soziale Gerechtigkeit.
Denn heute ist es so, dass das durchschnittliche Nettovermögen bei erwachsenen Personen 108.449 Euro beträgt. Der Medianwert der Vermögensverteilung, also der Betrag, der die reichere Hälfte von der ärmeren trennt, lag hingegen bei nur 26.260 Euro. Damit wird deutlich, dass die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland über ein Vermögen von weniger als 26.260 Euro verfügt, obwohl das durchschnittliche Vermögen mehr als viermal darüber liegt. Bei der Frage, in welcher Höhe Freibeträge bei der Erbschaftsteuer gerecht sind, sollte man auch diese Werte berücksichtigen. Die Vielzahl der Menschen würde somit auch bei einem Freibetrag von bspw. 250.000 Euro vollständig von der Erbschaftsteuer verschont bleiben. Die konkreten Daten zur Vermögensverteilung lassen sich bspw. bei der Bundeszentrale für politische Bildung unter dem nachfolgenden Link einsehen https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61781/vermoegensverteilung.
Im Bereich der Erbschaftsteuer wollen wir aber bestehende unfaire Gestaltungsmöglichkeiten abbauen, um einfache Umgehungen der Steuer, wie bspw. im Rahmen der Verschonungssbedarfsprüfung bei Erbschaften von mehr als 26 Millionen Euro, oder ungerechten Ausnahmen, wie etwa bei der Begünstigung von Wohnimmobilien zu verhindern. Denn gerade bei letzterem Beispiel ist es nicht verständlich, warum die Übertragung von mindestens 300 Wohnungen erbschaftsteuerlich befreit werden kann und die Übertragung von 3 Wohnungen nicht.
Im Sinne der Steuergerechtigkeit setzen wir uns bei der Erbschaftsteuer somit für gezielte Verbesserungen bei der Erbschaftsteuer ein, beabsichtigen jedoch keine grundlegende Reform. Ziel aller Änderungen muss sein, dass Erbschaften und Schenkungen angemessen besteuert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock