Frage an Annalena Baerbock von Sebastian H. bezüglich Medien, Kommunikation und Informationstechnik
Ist ihnen die App „Luca“ bekannt? Wenn ja:
Ist ihnen die Diskussion um Datenschutz, IT-Sicherheit und missbrauch von Opensource Lizenzen bekannt und wie ist Ihre Meinung zu den genannten Themen und der App?
Wie stehen sie zum Thema Videoüberwachung? Es gibt in Deutschland immer mehr Videokameras, doch nur ein Bruchteil teil der Kameras wird auch AKTIV überwacht. Schafft dies Ihrer Meinung nach ein falsches Sicherheitsgefühl? Wie möchten sie damit umgehen?
Wie stehen sie zum gerade diskutieren Verbot von verschlüsselter Kommunikation bzw. von der Pflicht „Hintertüren“ in die Verschlüsselung einzubauen?
Welche Social-Media Tools (Facebook, Twitter, Instagram etc.) nutzen sie und warum? Welche Social-Media Tools nutzen sie persönlich und welche werden von einem Team betreut? Haben sie sich mit den Vor und Nachteilen und den Datenschutz Themen der von Ihnen verwendeten Social Media Tools beschäftigt und was waren hier Ihre Erkenntnisse?
Wie stehen sie zu § 202c StGB (Hackingparagraph)? Haben sie schon von diesem Gesetz gehört? Wenn ja, wie ist Ihre Meinung dazu?
Sehr geehrter Herr Haeutle,
vielen Dank für Ihre Nachricht und bitte entschuldigen Sie die verspätete Antwort.
Hier unsere Antworten auf Ihre Fragen:
1) Ja, die Luca App ist uns bekannt. Als Grüne haben wir die Diskussion sehr intensiv verfolgt. Unsere Position zur Luca-App kurz zusammengefasst:
Wir setzen uns seit vielen Monaten für die Möglichkeit der Clustererkennng in der Corona-Warn-App ein. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf einen Gastbeitrag von Katrin Göring-Eckardt und Konstantin von Notz verweisen, der eine lesenswerte Zusammenfassung der massiven Versäumnisse der Bundesregierung darstellt: https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2020-11/corona-warn-app-updates-clustererkennungsfunktion-verbesserung
Bezüglich der Luca-App haben wir intensiv verfolgt, dass es immer wieder zu eklatanten Sicherheitsproblemen gekommen ist und die App bis heute einen sehr begrenzten Nutzen für die Gesundheitsämter darstellt. Kritik, u.a. auch zur Verwendung der Open Source Lizenzen, wurde leider wiederholt nur begrenzt aufgenommen und insgesamt kommen die Entwickler ihrer Verantwortung im Umgang mit persönlichen Gesundheitsdaten aus unserer Sicht leider nur bedingt nach. Im Bundestag haben wir die Probleme wiederholt durch Aufsetzungen von Berichtsbitten an die Bundesregierung adressiert. Wie zahlreiche Expertinnen und Experten und die Datenschutzkonferenz (DSK) halten wir die Corona-Warn-App (CWA) für die bessere Variante und verweisen u.a. auf ihre Dezentralität und den Open-Source-Ansatz, der es erlaubt, die App transparent weiterzuentwickeln.
2) Als Grüne beschäftigen wir uns ebenfalls sehr intensiv mit dem Thema Videoüberwachung. Die Entwicklung von immer mehr Kameras, deren Bilder, darauf weisen Sie zurecht hin, häufig gar nicht durch Personal ausgewertet werden, halten wir für rechtsstaatlich problematisch. Gleiches gilt für die sogenannte "intelligente Videoüberwachung" samt Verwendung biometrischer Daten, mit der bis heute eine erhebliche Fehleranfälligkeit einhergeht, die aber dennoch vom Bundesinnenministerium im Zuge der Reform des Bundespolizeigesetzes flächendeckend an Bahnhöfen und Flughäfen ausgerollt werden sollte. Hiergegen haben wir uns vehement ausgesprochen und in Bundestag einen Antrag für ein Verbot der intelligenten Gesichtserkennung im öffentlichen Raum ausgesprochen. Ein solches Verbot fordern mit uns gemeinsam zahlreiche NGOs, siehe https://reclaimyourface.eu/ , eine Initiative, an der sich auch zahlreiche Grüne beteiligen.
In unserem Wahlprogramm zur Bundestagswahl findet sich eine sehr ausführliche Passage, in der wir sowohl auf Ihre Frage zur Videoüberwachung als auch zum immer wieder in der Diskussion befindlichen Verbot von verschlüsselter Kommunikation bzw. von der Pflicht „Hintertüren“ in Verschlüsselungen einzubauen, eingehen. Dort heißt es unter der Überschrift " Zielgerichtete Abwehr konkreter Gefahren":
"Ein funktionierender, demokratischer Rechtsstaat muss Sicherheit gewährleisten und die ihn konstituierenden Freiheitsrechte wahren. Wir stehen für eine rationale Sicherheits- und Kriminalpolitik, die Rechtsgüter vor realen Beeinträchtigungen schützt, konkrete Gefahren anlassbezogen und zielgerichtet abwehrt sowie eine verhältnismäßige Strafverfolgung gewährleistet, statt die Bevölkerung mit pauschaler Massenüberwachung unter Generalverdacht zu stellen. Sicherheitsgesetze müssen auf den Prüfstand, zukünftig auf valider Empirie beruhen und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit regelmäßig unabhängig evaluiert werden. Wir stellen dazu eine Überwachungsgesamtrechnung auf, die laufend fortgeführt wird. Den Einsatz biometrischer Identifizierung im öffentlichen Raum, wie beispielsweise Gesichtserkennung, lehnen wir ebenso wie die undifferenzierte Ausweitung der Videoüberwachung, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung, generelle Hintertüren in digitalen Geräten und Anwendungen oder das Infiltrieren von technischen Geräten (Online-Durchsuchung bzw. Quellen-TKÜ) ab. Zudem soll eine Verpflichtung eingeführt werden, Sicherheitslücken zu melden und aktiv auf ihre Behebung hinzuwirken. Unternehmen dürfen nicht dazu verpflichtet werden, die IT-Sicherheit und Netzintegrität auf Kosten der Allgemeinheit zu gefährden. Wir streiten für eine technisch und personell gut ausgestattete und zielgerichtete Polizeiarbeit auf klaren Rechtsgrundlagen. Damit stärken wir auch die Rechtssicherheit für die Arbeit der Behörden und schaffen Vertrauen. Die digitale Kompetenz in den Sicherheitsbehörden wollen wir stärken, damit bestehende Möglichkeiten zur Verbrechensverhütung und -aufklärung effektiv angewendet werden."
Das gesamte Wahlprogramm finden Sie hier: https://www.gruene.de/artikel/wahlprogramm-zur-bundestagswahl-2021
Der sogenannte Hackingparagraph führt immer wieder zu Problemen für IT-Sicherheitsforscher. Daher halten wir ihn für überarbeitungsbedürftig. Leider hat die Bundesregierung es bisher verpasst, dieses Problem anzugehen.
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock