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Annalena Baerbock
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Nico B. •

Frage an Annalena Baerbock von Nico B. bezüglich Wirtschaft

Leider verfestigt sich bei mir der Eindruck, das die Politiker aller Parteien nur noch die Erfüllungsgehilfen der Konzerne sind.
Beispiele:
- Transaktionssteuer: trifft nur die Kleinanleger.
- Kassenbonpflicht: die kleinen Geschäftsleute werden drangsaliert, währenddessen die Großkonzene weiterhin ihre Steuervermeidungspolitik ungehindert weiterführen dürfen und Milliarden an Steuern hinterziehen.
- Umweltpolitik: ist für euch nur ein Mittel die Abgaben und Steuern zu erhöhen ohne das etwas für die Umwelt dabei herauskommt.
Autofahren wird zwar teurer, aber zur Arbeit müssen wir trotzdem kommen also kommt keine C02 Ersparnis zustande, da wir nicht auf ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz ausweichen können.
- Umgang mit dem Steuerüberschuss: Anstatt die Mehreinnahmen in den Ausbau der Infrastruktur zu stecken soll das Geld über die Senkung der Unternehmenssteuern an die Industrie verschenkt werden. Später, wenn die Zeiten mal wieder schlechter werden, werden dann die Unternehmenssteuern nicht etwa wieder angehoben , nein dann müssen wieder „alle“ (gemeint sind damit natürlich nur die Bürger) der Gürten enger schnallen.
- Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Organisationen wie Change.org, Campact, Attac usw. währenddessen die Lobbyisten der Konzerne von diesen von der Steuer abgesetzt werden können.
- …
Ich könnte so weiter machen!

Frage:
Wie rechtfertigen Sie den von Ihnen vertretenen Anspruch Politik für das Wohl und die Interessen der Wähler bzw. der Bürger dieses Landes zu machen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Brunzel,

vielen Dank für Ihre Nachricht und die Themen, auf die wir gerne eingehen möchten.

Zur Finanztransaktionssteuer: Eine echte europäische Finanztransaktionssteuer muss zeitnah eingeführt werden, um die Finanzmärkte zu entschleunigen und die Akteure in die Verantwortung zu nehmen. Schon eine geringe Steuer reicht aus, um kurzfristige Anlagen und Hochfrequenzhandel unattraktiv zu machen, ohne aber langfristigen Anlagen zu schaden. Die von Finanzminister Scholz vorgeschlagene Aktiensteuer erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Statt Spekulation einzudämmen und den Finanzsektor an der Finanzierung des Gemeinwohls zu beteiligen, nimmt sie genau diese Akteure aus.
Wir Bündnisgrünen wollen eine echte Finanztransaktionssteuer, die alle Finanzmarktgeschäfte mit einbezieht. Sie stellt nicht nur sicher, dass auch der Finanzsektor einen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leistet, sondern dämmt auch schädliche spekulative Geschäfte ein. Daher wollen wir eine Finanztransaktionssteuer mit breiter Bemessungsrundlage einführen, die Aktien, Derivate und Anleihen umfasst und die Ausweichbewegungen des Hochfrequenzhandels auf andere Finanzprodukte verhindert.
Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.gruene-bundestag.de/themen/finanzkrise/finanztransaktionssteuer-einfuehren-jetzt

Die Regelung zur „Bonpflicht“ kritisieren wir Bündnisgrüne, da sie vom eigentlichen Problem ablenkt, wie auch Sie in Ihrer Nachricht andeuten. Es sind nicht die kleinen Bäckereien oder der Metzger um die Ecke, die Steuern hinterziehen, sondern oftmals große Unternehmen, die von der neuen Regelung nicht betroffen sind. Außerdem führen die Bons zu einer weiteren Umweltbelastung, die im Zeitalter der Digitalisierung vermeidbar ist.

Zur Umweltpolitik und CO2-Bepreisung: Die CO2-Bepreisung nach unserem Grünen Konzept soll keine zusätzlichen Einnahmen für den Bundeshaushalt generieren. Wir wollen die Einnahmen wieder vollständig an die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben, indem wir die Stromsteuer abschaffen und ein Energiegeld pro Kopf zurückerstatten. Das heißt, wer klimaschonend lebt, hat am Ende des Jahres ein Plus in der Kasse. Wer dagegen das Klima belastet, zahlt mehr, als er oder sie am Ende zurückerstattet bekommt. Ein CO2-Preis ist vor allem wichtig, um ökonomische Fehlanreize zu beseitigen, damit z.B. klimafreundliche Alternativen nicht teurer sind als fossile Rohstoffe und Förderprogramme so optimal wirken. Natürlich haben Sie auch Recht, dass der ÖPNV massiv ausgebaut werden muss, damit möglichst viele Menschen auf ihr Auto verzichten.

Zum Haushalt allgemein: Statt in den Klimaschutz und die Zukunft des Landes zu investieren, hat die Große Koalition in der Vergangenheit die „Schwarze Null“ zum Dogma erklärt. Die zusätzlichen Steuereinnahmen wurden mit der Gießkanne im Land verteilt. Die Folge: Der Investitionsstau wird immer größer, das Land wird auf Verschleiß gefahren. Fehlende Investitionen sind am Ende nichts anderes, als in die Zukunft verschobene Schulden, die nachfolgende Generationen teuer zu stehen kommen werden. Deswegen wollen wir umwelt- und klimaschädliche Subventionen abbauen sowie die Schuldenbremse im Grundgesetz weiterentwickeln und sie mit einer verbindlichen Investitionsregel verknüpfen. Zudem sollten die Möglichkeiten für eine Kreditfinanzierung von Investitionen in Klimaschutz ausgelotet werden, die angesichts der Klimakrise und der enormen Investitionsbedarfe zur Rettung unseres Klimas, niedriger Zinsen und der schwächelnden Konjunktur sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll sind.
Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.gruene-bundestag.de/themen/haushalt/keine-antwort-auf-klimakrise-und-investionsstau

Gemeinnützige Organisationen: Wir beobachten die Entwicklung mit ebenso großer Sorge wie Sie. Sie ist keineswegs neu, schon 2014 wurde beispielsweise Attac die Gemeinnützigkeit aberkannt. Wir haben das immer kritisiert und mit unserer parlamentarischen Arbeit begleitet, weil diese Vereine und Verbände unser demokratisches Gemeinwesen befördern. Das Gemeinnützigkeitsrecht braucht deshalb aus unserer Sicht eine dringende Überarbeitung.
Wir haben deshalb im Januar vergangenen Jahres einen Antrag mit dem Titel "Gemeinnützigkeit braucht Rechtssicherheit statt politischer Willkür" in den Bundestag eingebracht. (http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/074/1907434.pdf) Der Antrag befindet sich gegenwärtig zur Beratung in den Ausschüssen.
Mit unseren Vorschlägen wollen wir eindeutig regeln, dass grundsätzlich auch die Einflussnahme auf die politische Willensbildung zu gemeinnützigen Zwecken erfolgen darf. Dafür brauchen wir eine moderne Abgabenordnung und die Klarstellung, dass die Förderung des demokratischen Staatswesens eindeutig gemeinnützig ist. Auf der anderen Seite sollten eine umfassende Transparenzoffensive und ein Gemeinnützigkeitsregister stehen.

Wie Sie sehen: Wir Bündnisgrünen sind an vielen Stellen mit Initiativen und Gesetzesvorschlägen am Ball. Momentan befinden wir uns nicht in der Bundesregierung und können faktisch nicht mehr machen, als die Bundesregierung aufzufordern unsere Vorschläge zu übernehmen.

Zu Ihrer Frage am Schluss: In unserer repräsentativen, parlamentarischen Demokratie werden die Abgeordneten durch Wahlen legitimiert und entscheiden eigenverantwortlich. Entsprechend des Artikels 38 GG repräsentieren die Abgeordneten das ganze Volk. Sie sind bei Entscheidungen nur ihrem Gewissen unterworfen und nicht an Aufträge gebunden. Es liegt im Interesse der Abgeordneten, bei der Vorbereitung von Entscheidungen auf Fachwissen zurückzugreifen.

Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen veranstaltet beispielsweise öffentliche und nicht-öffentliche Fachgespräche zu spezifischen Themen, damit sich Abgeordnete, gemeinsam mit Expert*innen, Journalist*innen und Bürgerinnen und Bürgern austauschen können. Zudem führen Abgeordnete in Eigenverantwortung in der Regel Gespräche mit Vertreter*innen von Verbänden, nicht-staatlichen Organisationen oder mit wissenschaftlichen Expert*innen durch. Termine, Veranstaltungen und Gespräche der Abgeordneten im Wahlkreis dienen zudem der Rückkopplung mit Bürger*innen, Unternehmen und Vereinen vor Ort.

Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock

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