Frage an Annalena Baerbock von Kerstin S. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Baerbock,
“Klimaschutz vernichtet Arbeitsplätze“. Diese Phrase hört man heutzutage ständig. Aber durch Energie-, Verkehrs- und Verbraucherwende werden auch Arbeitsplätze geschaffen. Gibt es Berechnungen wie viele das sein könnten? Allein der Ausbau des Schienennetzes, wenn es denn ernsthaft dazu käme, sollte doch etliche Arbeitsplätze bringen.
Sehr geehrte Frau Schenk,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Lange gründete die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands auf den heimischen Kohlevorräten. Heute sind es die erneuerbaren Energien und Effizienztechnologien, die für eine zukunftsfähige Wirtschaft stehen. Über 320.000 Arbeitsplätze stellen sie schon. Allein in Brandenburg arbeiten bereits über 17.000 Menschen in diesem Bereich, doppelt so viele wie in der Kohleindustrie. Somit können wir die These „Klimaschutz vernichtet Arbeitsplätze“ nicht unterschreiben.
Auch das Umweltbundesamt geht davon aus, dass sich ein ambitionierter Klimaschutz generell positiv auf die Beschäftigungszahlen auswirken wird: In dem von ihm in diesem Jahr veröffentlichten Bericht „Wirtschaftliche Chancen durch Klimaschutz“ wird eine deutliche Steigerung der Beschäftigung vorausgesagt, falls Deutschland dem 2°-Ziel angemessene Maßnahmen ergreift. Tatsächlich arbeiteten laut dem Bericht schon 2012 etwa eine Million Menschen im Bereich Klimaschutzgüter und -dienstleistungen.
Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/themen/klimaschutz-lohnt-sich-fuer-die-deutsche-wirtschaft
Auch sind wir Bündnisgrüne wie Sie überzeugt, dass speziell durch den Schienenausbau neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Wissenschaftler haben dazu verschiedene Studien veröffentlicht. Im Bereich Elektromobilität gibt es unterschiedliche Vorhersagen: Während eine Studie der European Climate Foundation (ECF) zu einem Nettoarbeitsplatzgewinn von bis zu 145.000 bis zum Jahr 2030 kommt ( https://europeanclimate.org/de/low-carbon-mobility-in-germany-challenges-and-economic-opportunities/ ), gehen Forscher des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation davon aus, dass durch den Umstieg auf Elektromotoren etwa 75.000 Jobs verloren gehen werden. ( https://www.iao.fraunhofer.de/lang-de/presse-und-medien/aktuelles/2037-weichenstellung-fuer-die-automobilindustrie.html ). Daimler geht aktuell davon aus, dass in einer Übergangszeit sogar mehr Arbeitsplätze entstehen bzw. die Werke voll ausgelastet sein werden, weil neben der Entwicklung neuer Antriebstechnologien auch der Bau klassischer Verbrenner weiterläuft.
Mit dem Pariser Klimaabkommen hat sich die Weltgemeinschaft auf eine schrittweise Reduzierung der CO2-Emissionen verständigt. Daran muss sich auch die Weltwirtschaft orientieren. Bündnis 90/Die Grünen möchten, dass die Arbeitsplätze der Zukunft weiter in Zukunft sind und wir nicht abgehängt werden. Deshalb kommt es jetzt darauf an, die politischen Weichen für die Zukunft zu stellen, damit die Arbeitsplätze, etwa in der Energie-, Verkehrs- und Verbraucherwende erhalten und ausgebaut werden.
Natürlich wird es in dem Transformationsprozess zu einer klimafreundlichen Gesellschaft Branchen geben, in denen Arbeitsplätze verloren gehen, etwa in der Kohleindustrie. Nach heutigem Wissensstand werden diese allerdings zahlenmäßig mehr als wettgemacht durch neue Jobs in den von Ihnen erwähnten Sektoren.
Mit freundlichen Grüßen
Annalena Baerbock