Frage an Annalena Baerbock von Hanna L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Baerbock,
warum werden bei den Verhandlungen über sichere Herkunftsländer Georgien und die Maghreb-Staaten in einen Topf geworfen?
Während es in den Maghreb-Staaten Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen gibt, fehlt mir bei den Einstufung Georgiens als "unsicher" jegliches Verständnis. Georgien ist ein demokratischer, sich im Höchsttempo transformierender Staat und wünscht sich regelrecht, als sicheres Herkunftsland eingestuft zu werden und dadurch ein Stück mehr Anerkennung Richtung EU-Beitritt bzw. verstärkter Partnerschaft mit der EU zu bekommen. Ich habe einige Zeit in Georgien gelebt und hörte in jedem Gespräch über dieses Thema Unverständnis bzw. Scham über den Missbrauch des Asylrechts und zugleich große Angst vor Konsequenzen, zum Beispiel, dass die Visafreiheit wieder zurückgenommen wird (die für alle Georgier*innen ein großer Erfolg ist).
Zumindest für Georgien gäbe es durch die Einstufung als sicheres Herkunftsland eine klare Unterscheidung zwischen Schutzbedürftige (ca. 2%!) und die überwiegende Mehrheit, die sich mit einem Asylantrag falsche Hoffnungen auf ein Bleiberecht in Deutschland macht und ihn teilweise sogar missbraucht.
Sehr geehrte Frau L.,
vielen Dank für Ihre Nachricht zur Einstufung Georgiens als „sicheres Herkunftsland“ und Ihre Ausführungen und Erfahrungen zu Georgien.
Georgien kann man nicht mit den Maghrebstaaten eins zu eins vergleichen, da die politische Ausgangslage dort eine andere ist. Doch bei der Abstimmung wurden die vier verschiedenen Länder zu einem gemeinsamen Tagesordnungspunkt zusammengefasst. Vor allem wegen der Maghrebstaaten, in denen Menschenrechte kaum eine Rolle spielen, haben wir den Antrag abgelehnt.
Grundsätzlich lehnen wir das Konzept der sicheren Herkunftsländer ab, da die Einstufung als „sicherer Herkunftsstaat“ die Verfahrensrechte von Schutzsuchenden beschränkt. Es wird unterstellt, dass ein Asylantrag zunächst als "offensichtlich unbegründet" gilt. Im Falle der Ablehnung des Asylantrages ist die Klagefrist verkürzt. Menschen aus "sicheren Herkunftsstaaten" dürfen während des Asylverfahrens in Deutschland nicht arbeiten, keine Integrationskurse besuchen und keine Wohnung beziehen. Sie sind verpflichtet, in Erstaufnahmeeinrichtungen zu verbleiben, so auch in den von Horst Seehofer initiierten "AnkER-Zentren".
Die Koalition hat nach massiver öffentlicher Kritik zwar eine "spezielle Rechtsberatung" für vulnerable Personengruppen (wie etwa alleinstehende Frauen, Lesben, Schwule, Transgender und traumatisierte Menschen) aus "sicheren Herkunftsstaaten" vor der Asyl-Anhörung in das geplante Gesetz eingefügt. Das reicht aber bei weitem nicht aus: Es gibt keinerlei Vorkehrung, wie Menschen aus besonders schutzbedürftigen Personengruppen identifiziert werden, und es gibt auch keine gesetzliche Regelung, die sie aus dem beschleunigten Asylverfahren herausnimmt oder ihren Schutzbedarf bei der Unterbringung berücksichtigt.
Die Große Koalition behauptet, man brauche die Einstufung als "sicherer Herkunftsstaat" für schnellere Verfahren. Das geht aber anders viel besser: Wir Grüne haben sehr konkrete Vorschläge gemacht, wie Asylverfahren schneller, effizienter und dennoch rechtstaatlich fair zu organisieren sind – etwa durch eine Qualitätsoffensive beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die Einführung einer unabhängigen und realistischen Rechtsberatung vor der Anhörung sowie Reformen im Verfahren bei den Verwaltungsgerichten. Wir müssen schneller zu höchstrichterlichen Entscheidungen kommen, die Leitlinien für zahlreiche vergleichbare Fälle schaffen können.
Unseren Fünf-Punkte-Plan finden Sie hier:
https://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/migration_und_asyl/pdf/190215_5_Punke_Plan_schnelle_faire_Asylverfahren.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock