Frage an Anja Karliczek von Joel W. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Karliczek,
wie können Sie als Bundesministerin das aktuelle Versagen erklären, Studierende, die pandemiebedingt in eine finanzielle Notlage geraten sind, zu unterstützen?
Zur Illustration dieses Versagens:
1. Nicht nur erscheinen die Soforthilfen mit einem Volumen von 100 Millionen Euro und maximal 1.500€ Unterstützung pro Person im Umfang gering und keinesfalls ausreichend. Es reicht noch nicht einmal, um auch nur zwei Monate die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten zu zahlen.
2. Nein, Sie haben auch noch Monate länger auf sich warten lassen, als beispielsweise die schnellen Soforthilfen für Solo-Selbständige.
3. Heute ist dann das lange angekündigte Antragstool für die Beantragung der "Überbrückungshilfen" für Studierende online gegangen - ebenfalls nach wochenlanger Arbeit. Ich habe heute bereits 4,5 Stunden damit verbracht und aufgrund zahlreicher Bugs bis jetzt keinen Antrag stellen können. Wie kann das sein, wo beispielsweise die Investitionsbank Berlin ein funktionales Tool für größere Summen innerhalb weniger Tage erstellt hatte?
4. Nicht nur die Dysfunktionalität, sondern auch die Menge an Daten bzw. Hürden, die bei der Antragsstellung auf eine*n warten sind unverhältnismäßig hoch: So muss man nicht nur Fotos des Personalausweis, sondern auch noch Selfies mit Personalausweis, Selfies mit einem Token und ein weiteres Selfie im Passbildformat machen. Was machen da z.B. Studierende, die keine Kamera an ihren Endgeräten haben? Stundenlang im Internet-Café darauf warten, dass Ihr Antragstool funktioniert?
Es ist für mich schockierend mit wie wenig Wille bzw. wie großem Widerwille hier die Unterstützung einer unverschuldet in Notlage geratenen Bevölkerungsgruppe angegangen wird. Ich möchte verstehen, woran es liegt. Können Sie es erklären?
Mit Grüßen,
J. Wardenga
Sehr geehrter Herr Wardenga,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Der Bund hat von Beginn der Pandemie an umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um Härten für Studierende abzufedern. Es wurde ein Paket geschnürt, das neben Anpassungen des BAföG eine Überbrückungshilfe mit zwei Sicherungsnetzen umfasst.
Im BAföG wurde bereits im März per Erlass klargestellt, dass BAföG-Geförderte keine Nachteile erleiden sollen, wenn zum Beispiel Lehrangebote oder Prüfungen wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden können. Verdienen die Eltern pandemiebedingt weniger, kann ein Aktualisierungsantrag für den laufenden BAföG-Bewilligungszeitraum gestellt werden. Die Anrechnungsregeln im BAföG haben wurden angepasst: Wer in der aktuellen Krise in systemrelevanten Branchen unsere Gesellschaft unterstützt, behält damit seine volle BAföG-Förderung.
Zudem wurde für betroffene Studierende eine Überbrückungshilfe geschaffen. Das größte Sicherungsnetz ist der bewährte KfW-Studienkredit, der grundsätzlich jedem Studierenden stabile und schnelle Unterstützung bietet. Dieser ist bereits seit Mai bis Ende März 2021 für alle zinslos gestellt.
Viele Studierende haben dieses Angebot genutzt: Im Mai hat sich die Zahl der Anträge im Vergleich zum April mehr als vervierfacht. Das entspricht einem Finanzvolumen im Mai von über 167 Millionen Euro. Auch die rund 60.500 Studierenden, die schon bisher einen Studienkredit bezogen haben, werden durch die Zinsvergünstigung bis Ende März 2021 entlastet. Das ist Hilfe, die spürbar im Portemonnaie der Betroffenen ankommt.
Nun wird das zweite Sicherungsnetz der Überbrückungshilfe aufgespannt. Mit einem nicht rückzahlbaren Zuschuss werden besonders bedürftige Studierende in pandemiebedingt akuter Notlage unterstützt. Anträge können nunmehr online gestellt werden. Der Bund hat dafür 100 Millionen Euro bereitgestellt. Geprüft und bearbeitet werden die Anträge vor Ort, bei den Studenten- und Studierendenwerken. Der Zuschuss kann bis zu einer Höhe von jeweils bis zu 500 Euro in den Monaten Juni, Juli und August 2020 online beantragt werden. Alle Studierenden an staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen sind antragsberechtigt, aus dem In- wie Ausland, unabhängig von Alter oder Semesterzahl.
Wir können verstehen, dass es vielen nicht schnell genug ging. Aber wir weisen darauf hin, dass in wenigen Wochen ein völlig neues online-gestütztes Förderverfahren für die bundeseinheitliche Überbrückungshilfe entwickelt werden mußte. Es ist im Sinne der Studierenden, die die Unterstützung dringend benötigen, dass sichergestellt wird, dass die Hilfe bei den richtigen ankommt.
Mit freundlichen Grüßen
Team Karliczek