Frage an Anja Karliczek von Luisa S.
Sehr geehrte Frau Karliczek,
da Sie meinen Wahlkreis vertreten, möchte ich gerne wissen, warum genau Sie beim Thema "Ehe für alle" mit "Nein" gestimmt haben und was Sie für Folgen erwarten.
Mit freundlichem Gruss,
Luisa Schmidt
Sehr geehrte Frau Schmidt,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Bei der Abstimmung im Bundestag am 30. Juni 2017 habe ich gegen diese Öffnung gestimmt. Menschen, die sich lieben und dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen, die einander Stabilität und Halt geben wollen, verdienen Anerkennung und Wertschätzung, unabhängig davon, ob sie gleich- oder verschiedengeschlechtlich sind. Ihnen gebührt die Unterstützung der Gesellschaft und des Staates.
Ausdruck dieses Verständnisses war und ist das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Dessen Rechte und Pflichten wurden in den vergangenen 15 Jahren kontinuierlich erweitert und an das Institut der Ehe angeglichen. Auch in dieser Legislaturperiode hat der Gesetzgeber diesen Weg weiter beschritten. Dementsprechend wurde zu Beginn der Legislaturperiode die sogenannte Sukzessivadoption für Lebenspartner gesetzlich geregelt, d.h. ein Lebenspartner kann seither das von seinem Partner adoptierte Kind als zweiter Elternteil adoptieren. Überdies hat der Bundestag das Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner verabschiedet, mit dem noch vorhandene Unterschiede in der Behandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft in zahlreichen Einzelgesetzen beseitigt wurden.
Somit unterscheiden sich Ehe und Lebenspartnerschaft heutzutage in der gesetzlichen Ausgestaltung praktisch nicht mehr. Das Zustandekommen der rechtlichen Bindung, der gemeinsame Name, die gegenseitigen Rechte und Pflichten, die gemeinsame Wohnung, das Erbrecht, der Unterhalt, Getrenntleben und Auflösung – in all diesen Fragen sind die rechtlichen Regelungen von Ehe und Lebenspartnerschaft aneinander angeglichen. Von einer rechtlichen Diskriminierung von Lebenspartnern kann man deshalb nach meiner Auffassung nicht mehr sprechen.
Ehe bezeichnet seit Jahrhunderten die auf Dauer angelegte Verbindung von Mann und Frau, Lebenspartnerschaft die Verbindung von zwei Personen gleichen Geschlechts. Das Verständnis von Ehe als der Gemeinschaft von Mann und Frau liegt unzweifelhaft unserer Verfassung zugrunde, welche Ehe und Familie in Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes unter den „besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“ stellt. Das Bundesverfassungsgericht urteilt dazu in ständiger Rechtsprechung, dass die Ehe im Sinne des Grundgesetzes „allein der Verbindung zwischen Mann und Frau“ vorbehalten ist (vgl. BVerfGE 105, 313, 345). Nach dem Bundesverfassungsgericht handelt es sich bei der Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner um ein wesentliches Strukturmerkmal des Ehebegriffs.
Unter Zugrundelegung dieser klaren Rechtsprechung – so die Bedenken vieler Kollegen meiner Fraktion - könnte ein einfaches Gesetz, wie wir es nun beschlossen haben, mit dem die Ehe auf gleichgeschlechtliche Verbindungen ausgedehnt wird, verfassungswidrig sein. Vielmehr bedürfte es eines verfassungsändernden Gesetzes im Sinne von Artikel 79 Absatz 2 des Grundgesetzes, um den Ehebegriff in Artikel 6 Absatz 1 GG zu ändern. Ob dies tatsächlich so vom Bundesverfassungsgericht bei einer entsprechenden Klage entschieden werden könnte, wird derzeit von Juristen meiner Fraktion geprüft.
Die verfassungsrechtliche Debatte zeigt, dass bei der sehr kurzfristig von SPD, Grünen und Linken durchgesetzten Abstimmung im Bundestag billigend handwerkliche Fehler in Kauf genommen wurden. Auch dies war ein Grund für meine Entscheidung. Das hätte ich vermeiden wollen.
Nach meiner Auffassung sollte es beim traditionellen Eheverständnis bleiben. Ich sehe darin keine Zurücksetzung oder Missachtung von gleichgeschlechtlichen Paaren. Sie übernehmen genauso wie Ehepaare dauerhaft die Verantwortung für den Partner, schenken einander Fürsorge und Unterstützung und bereichern somit unsere Gesellschaft – ganz unabhängig von der Bezeichnung.
Mit freundlichen Grüßen
Anja Karliczek MdB