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Angelika Niebler
CSU
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Frage von Horst W. •

Frage an Angelika Niebler von Horst W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Dr. Niebler,

ich hatte am 3.5. nur die Frage gestellt was gegen die Schuldigen unternommen wird, die den Griechen den Euro gegeben hatten obwohl die sich wegen Betrug dafür disqualifiziert hatten und auf diese Kurzform keine Antwort erhalten.

Wenn sich schon ein Fortschritt dahingehend abzeichnet, daß Bankmanager für angerichteten Schaden zur Verantwortung gezogen werden muß doch die Frage erlaubt sein, ob wenigstens gegen die ermittelt wird, die solch immense Schäden verursacht haben !

Welche Möglichkeit sehen Sie für das Volk sich dagegen zu wehren, daß gegen dessen
Willen entschieden wird ?

In diesem Zusammenhang freue ich mich darüber, daß sich Herr Seehofer für die bundesweite Volksentscheide einsetzt. Gibt es für demokratische Parteien eine besser Empfehlung ?! Aber wen sollen die wählen, die nicht aus Bayern sind um dieses Ziel zu erreichen ?

Mit freundlichen Grüßen

Horst Weigend

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Weigend,

vielen Dank für Ihre kritischen Anfragen vom 3. und 24. Mai 2010 über abgeordnetenwatch.de zum Thema "Griechenland und der Euro".

Bereits im Jahr 1992 wurden im Vertrag von Maastricht ("Vertrag über die Europäische Union") sogenannte Konvergenzkriterien festgelegt. Ein Beitritt zur Europäischen Währungsunion ist für einen Mitgliedsstaat der EU nur dann möglich, wenn alle der folgenden vier Kriterien erfüllt werden:

1. Preisstabilität: Die Inflationsrate des Mitgliedstaates darf nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über der Inflationsrate der drei "preisstabilsten" Mitgliedstaaten liegen.
2. Finanzlage der öffentlichen Hand: Die jährliche Neuverschuldung darf nicht höher liegen als 3 % des BIP, die Gesamtverschuldung darf nicht mehr als 60 % des BIP betragen
3. Wechselkurs: Der Mitgliedstaat muss in den letzten 2 Jahren am Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems teilgenommen und die normalen Bandbreiten eingehalten haben.
4. Zinssätze: Die langfristigen Nominalzinssätze dürfen um nicht mehr als 2 Prozentpunkte über dem Satz in jenen Mitgliedstaaten liegen, die das beste Ergebnis auf dem Gebiet der Preisstabilität erzielt haben.

Zur Stabilisierung des Euro wurde ferner auf Initiative des damaligen Bundesfinanzministers Theo Waigel flankierend der so genannte Stabilitäts- und Wachstumspakt beschlossen. Dieser sieht u. a. vor, dass die Mitgliedstaaten die Vorgabe eines nahezu ausgeglichenen Haushalts zu erfüllen haben. Der Rat kann Sanktionen verhängen, wenn ein teilnehmender Mitgliedstaat nicht die erforderlichen Schritte unternimmt, um ein übermäßiges Defizit zu beheben.

Griechenlands Aufnahme in die Eurozone erfolgte am 1. Januar 2001 auf Beschluss der Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten, unter ihnen auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder. Zuvor hatten sich bereits die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission für einen Beitritt Griechenlands ausgesprochen.

Als im Jahr 2000 im Europäischen Parlament über die Aufnahme Griechenlands abgestimmt wurde, stimmten 8 von den 9 anwesenden CSU-Abgeordneten gegen die Aufnahme des Landes in die Eurozone.

Die damalige Regierung Griechenlands hat in dem Zeitraum vor dem Beitritt des Landes zur Eurozone im Jahr 2001 geschönte Zahlen über das tatsächliche Haushaltsdefizit des Landes vorgelegt. Erst später erwiesen sich die Haushaltsangaben Griechenlands als inkorrekt. Ausgehend von der tatsächlichen Haushaltslage hätte Griechenland der Eurozone nicht beitreten dürfen.

Es gab jedoch damals - wie auch heute - keine Möglichkeit, diese Zahlen zu überprüfen, da die EU-Statistikbehörde Eurostat keinerlei Prüfungs- oder Untersuchungsrechte besitzt, sondern die von den Mitgliedstaaten gemeldeten Zahlen ungeprüft übernehmen musste.

Schuldzuweisungen lösen das heutige Problem jedoch nicht. Vielmehr gilt es, Fehler zu identifizieren, aus ihnen zu lernen und Konsequenzen daraus zu ziehen. Erst Ende Juni hat sich der Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments dafür ausgesprochen, der EU-Statistikbehörde Eurostat mehr Rechte einzuräumen, um die Haushaltsdaten der Mitgliedstaaten überprüfen zu können und auch Kontrollen vor Ort durchzuführen. Ferner schlägt die Kommission ein so genanntes "Europäisches Semester" vor, nach dem die Entwürfe der nationalen Haushalte vor ihrer Verabschiedung der Kommission zur Durchsicht übermittelt werden sollen mit dem Ziel, die Übereinstimmung mit den Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu überprüfen.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte in ihrer Regierungserklärung vom 5. Mai 2010 strengere Haushaltskontrollen sowie Sanktionen an, mit denen in Zukunft EU-Mitgliedsstaaten zur Haushaltsdisziplin gezwungen werden können. Diese reichen von Stimmrechtsentzug im Europäischen Rat bis zur Streichung von Geldern aus den EU-Strukturfonds. Auch soll eine Verfahrensordnung für die geordnete Insolvenz von Staaten der EU entwickelt werden.

Mit einer solchen Reform des Stabilitätspaktes sollen zukünftige Währungskrisen präventiv verhindert werden.

Zum Thema Volksentscheide möchte ich an dieser Stelle nur kurz anmerken, dass ich Ihnen zustimme und es unserer Demokratie gut tun würde, wenn es nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland zu wichtigen politischen Fragen Volksentscheide geben würde.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Angelika Niebler, MdEP

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