Frage an Andrew Ullmann von Peter W. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Ullmann,
Sie und die FDP haben soeben im Gesundheitsausschuss für eine Impfpflicht gestimmt [1], obwohl Sie hier auf Abgeordnetenwatch - wie alle FDP-Politiker - stets nur von Ultima Ratio gesprochen hatten. [2] Scheinbar hat Emotio nun über Ratio gesiegt?
Ich bin zutiefst enttäuscht und weiß nun, wo ich meine Stimme bei den nächsten Wahlen nicht mehr machen kann; und glauben Sie mir, dass empfinden viele Gleichgesinnte unter Garantie genauso.
Ich gehe davon aus, dass Sie dann morgen bei der Abstimmung die Impfpflicht auch einfach so durchwinken werden, anonym und ohne Fraktionszwang?
Wo kann man die Beschlussempfehlung denn nachlesen? Vielen Dank für Ihre Auskunft.
Mit freundlichen Grüßen
P. W.
[1] https://www.bundestag.de/presse/hib/668176-668176
[2] https://www.abgeordnetenwatch.de/dialogues/26909/deputies?keys=ultima+ratio+impfpflicht&date%5B0%5D=&date%5B1%5D=&answered=all
Sehr geehrter Herr W.,
ich bedanke mich für Ihr Schreiben und dem Interesse an der Gesundheitspolitik der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag. Ich bedauere, dass Sie unsere Entscheidung, für das Masernschutzgesetz zu stimmen, nicht nachvollziehen können.
Impfen ist eine Erfolgsgeschichte der Menschheit. Denn Impfen hat dazu beigetragen, dass die Lebenserwartung der Menschen überall auf der Welt dramatisch gesteigert werden konnte. Impfungen sind der beste Weg, um Infektionskrankheiten als schwerwiegende gesundheitliche Gefahren für die Menschen überall auf der Welt zu eliminieren. Die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) sieht eine flächendeckende Impfquote von mindestens 95% bei Mumps, Masern und Röteln als wichtigste Maßnahme im Kampf gegen diese Infektionskrankheiten. Wir bekennen uns ausdrücklich zu diesem Ziel.
Deutschland hat dieses Ziel jedoch immer noch nicht erreicht. Es bestehen noch immer Impflücken bei Kindern, aber auch zunehmend bei Erwachsenen. Wir sind der Auffassung, dass wir in Deutschland mehr tun müssen, um Masern, Mumps, Röteln und andere Infektionskrankheiten endlich auszurotten. Vor dem Hintergrund, dass wir vor allem die, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können, insbesondere kleine Säuglinge, also die Schwächsten in unserer Gesellschaft, vor Infektionskrankheiten besser schützen müssen, sehen wir Jede und Jeden in einer moralischen Pflicht sich impfen zu lassen - und das nicht nur gegen Masern, wie im Masernschutzgesetz vorgesehen.
Dass wir heute wegen der bestehenden Impflücken überhaupt über eine gesetzliche Impfpflicht als eingriffsintensive Maßnahme diskutieren und eine Impfpflicht für Masern im Bundestag beschlossen haben, liegt vor allem an den Versäumnissen der letzten Jahre – auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen. So haben beispielsweise die Länder ihre Möglichkeiten kaum genutzt, zu bestimmen, dass die Gesundheitsämter unentgeltlich Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe gegen bestimmte übertragbare Krankheiten durchführen, was auch in Schulen und Kitas möglich wäre.
Auch wurde es bereits in der vergangenen Legislaturperiode auf der Bundesebene versäumt, die Möglichkeiten der Digitalisierung im Gesundheitswesen besser zu nutzen. Längst hätte es in Deutschland flächendeckend einen digitalen Impfpass mit Erinnerungsfunktion geben können. Hier besteht weiterhin erheblicher Nachholbedarf.
Neben der nunmehr beschlossenen Impfpflicht halten wir allerdings die Verbesserung des Zugangs zum Impfen für einen wesentlich entscheidenderen Baustein gerade auch, um die bestehenden Impflücken bei Erwachsenen anzugehen. Mit dem Masernschutzgesetz wird gewährleistet, dass alle Ärzte impfen und diese Impfungen abrechnen dürfen. Damit wird es künftig möglich sein, dass sich Eltern also beim Kinderarzt gleich selbst mitimpfen lassen können. Dies war und ist eine unserer Forderungen, um impfbaren Infektionskrankheiten wirksam zu begegnen.
Wir haben dem Masernschutzgesetz als Bundestagsfraktion deshalb zugestimmt, weil es für uns zumindest in die richtige Richtung zeigt. Das habe ich in meiner Rede im Bundestag auch so begründet: https://dbtg.tv/fvid/7401454
Darüber hinaus haben wir mit einem eigenen Antrag ("Impfquoten wirksam erhöhen - Infektionskrankheiten ausrotten", Bundestags-Drucksache 19/14061) ein Bündel von Maßnahmen mit Augenmaß vorgeschlagen. Neben der Erweiterung niederschwelliger Impfangebote wollen wir zeitnah einen digitalen Impfpass einführen, der mittels einer Erinnerungsfunktion dafür sorgt, dass die Menschen jederzeit einen Überblick über ihren persönlichen Impfstatus und ihre notwendigen Impfungen haben. In dem digitalen Impfpass sollen die aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Instituts sowie Informationen der BZgA abrufbar sein. Dieses Maßnahmenpaket soll diejenigen erreichen, die grundsätzlich impfwillig sind, aber aus verschiedenen Gründen bestimmte Impfungen noch nicht erhalten haben.
Ich hoffe, genügend auf Ihr Anliegen eingegangen zu sein und bedanke mich erneut für Ihr Interesse.
Anbei noch der Link zur Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/151/1915164.pdf Zudem noch der Hinweis, dass Abstimmungen im Deutschen Bundestag (im Gegensatz zu Wahlen) nie anonym sind und es einen Fraktionszwang nicht gibt, aber eine Fraktionsdisziplin, die eine wichtige Arbeitsgrundlage im Bundestag ist.
Mit freundlichen Grüßen
Andrew Ullmann