Frage an Andreas Schwab von Jürgen B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Schwab,
die sogenannte Urheberrechtsreform - vorwiegend unterstützt durch ohnehin die Gatekeeper im Internet und der großen Verlage - hat in den Artikeln 11 und 13 erhebliche Defizite, was eine demokratische Entwicklung der Gesellschaft betrifft.
Herr Voss, angehörig Ihrer Partei, der diese "Reform" hauptsächlich mitverantwortet, scheint weder vom Urheberrecht noch von den Chancen des Internets für eine aufgeklärte Gesellschaft Ahnung zu haben oder Kenntnis zu nehmen ( https://www.golem.de/news/eu-urheberrechtsreform-das-absolute-unverstaendnis-des-axel-voss-1902-139511.html ). Das allein spricht Bände.
Wer an dieser Reform offensichtliches Interesse hat, sind jedenfalls nicht die BürgerInnen Europas: Europa habe ich mir anders, offener, kreativer, wirtschaftlicher vorgestellt, denn diese "Reform" verhindert geradezu Offenheit, Diskurs, Kreativität und wirtschaftliche Weiterentwicklung. Orban und andere, die gerne die Hoheit über die veröffentlichte Meinung wünschen (übrigens auch in Deutschland, siehe das "Framing Manual der ARD [ https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2019/02/framing_gutachten_ard.pdf ] u.a.) freuen sich über neue Zensurmöglichkeiten bei der Anwendung und Ausweitung der beiden genannten Artikel 11 und 13.
Meine Frage:
Tragen Sie eine solche Beschneidung einer offenen, kreativen, wirtschaftlichen Entwicklung Europas mit?
Ihre Antwort wird erhebliche Auswirkungen auf mein Wahlverhalten im Mai haben.
Beste Grüße
J. B.
Sehr geehrter Herr B.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Zuschrift zur Urheberrechtsreform, auf die ich Ihnen gerne antworten möchte.
Die Urheberrechtsreform dient der Meinungs- und Informationsfreiheit, indem sie sicherstellt, dass Künstler, Musiker und Journalisten an den finanziellen Gewinnen, die durch ihre Inhalte erwirtschaftet werden, beteiligt werden. Denn nur so können wir die Vielfalt an Kultur-, Presse- und Kreativinhalten auch in der Zukunft sicherstellen.
Artikel 13 (nun Artikel 17) sieht vor, dass große Plattformen künftig ihr Möglichstes tun müssen, um keine urheberrechtlich geschützten Inhalte mehr öffentlich zugänglich zu machen. Durch die Umsetzung des Artikel 17 wird befürchtet, dass sogenannte Uploadfilter auf Plattformen zum Einsatz kommen könnten, die illegale Inhalte blockieren.
Gerne möchte ich zunächst einmal darauf aufmerksam machen, dass solche Filter von der Richtlinie keineswegs vorgeschrieben sind. Zudem möchte ich darauf hinweisen, dass solche Filter, wenn überhaupt, auch nur in dem von der Richtlinie vorgegebenen Rahmen zum Einsatz kommen dürfen.
Die Richtlinie schreibt vor, dass eine Plattform gegen die Richtlinie verstößt, wenn sie legale Inhalte blockiert, genauso wie wenn sie illegale Inhalte öffentlich zugänglich macht. Nur in diesem Rahmen könnten also Filtertechnologien überhaupt zum Einsatz kommen. Das ist eine deutliche Verbesserung der derzeitigen Gesetzeslage, denn Filtertechnologien gibt es heute bereits und sie werden von vielen Plattformen eingesetzt, bisher nach deren eigenen Regeln. Dadurch bestehet die Gefahr, dass einige große Plattformen das Internet dominieren und Inhalte nach ihrem Ermessen zulassen oder blockieren und so ihre Marktmacht weiter ausbauen. Die Urheberrechtsreform setzt ein Gegengewicht und stellt zudem einen fairen Ausgleich dar zwischen Nutzern, Plattformen und Urhebern, den ich unterstütze.
Ich hoffe, sehr geehrter Herr B., dass ich Ihnen mit diesen Auskünften weiterhelfen konnte.
So verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Ihr
Andreas Schwab