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Andreas Schwab
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Frage von Florian B. •

Frage an Andreas Schwab von Florian B. bezüglich Europapolitik und Europäische Union

Sehr geehrter Herr Dr. Schwab,

das ordentliche Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 AEUV ist als primärrechtlich vorgeschriebener Regelfall in der Praxis, aufgrund der oftmals langen Dauer von der Einbringung bis zur Verabschiedung einer Rechtsvorschrift, nur schwer anwendbar.

Die abgekürzte Gesetzgebung in Form des informellen Trilogverfahrens gewinnt daher innerhalb der EU immer mehr an Bedeutung. Da die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, entsteht hierbei jedoch ein Zielkonflikt zwischen einer schnellen und effektiven Gesetzgebung einerseits und einem transparenten Gesetzgebungsverfahren andererseits.

1. Wäre es überhaupt möglich und realistisch alle Vorschriften exakt nach den in der AEUV genannten Gesetzgebungsverfahren zu verabschieden?

2. Sind die Abgeordneten des Parlaments, welche an den Ausschüssen, die die Trilogverhandlungen führen, teilnehmen, gerecht – also nach Partei/Fraktion – verteilt?

3. Ändern diese Triloge etwas an den Machtverhältnissen?

4. Halten Sie dieses Verfahren mit dem primären Gemeinschaftsrecht und den demokratischen Grundsätzen für vereinbar?

5. Könnte in Zukunft solchen Verfahren auch in den einzelnen Mitgliedstaaten
größere Rollen zukommen?

6. Was könnte Ihrer Ansicht nach für mehr Transparenz in einer dennoch
effektiven Gesetzgebung getan werden?

7. 2012 kam es aufgrund von Kritik am Verfahren zu Korrekturen in der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments. Hat sich dies Ihrer Meinung nach positiv ausgewirkt?

8. Sind Sie der Meinung, dass dem Lobbyismus durch derartige Verfahren - da auf weniger Personen Einfluss genommen werden muss - eine bedeutendere Stellung in der Gesetzgebung zukommt?

Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Mit freundlichen Grüßen

F. B.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr B.,

haben Sie vielen Dank für Ihre freundliche Nachricht vom 7. Oktober bezüglich des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens und der Trilogverhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament.

Im Folgenden gehe ich auf die von Ihnen gestellten Fragen im Einzelnen ein:

1. Wäre es überhaupt möglich und realistisch alle Vorschriften exakt nach den in der AEUV genannten Gesetzgebungsverfahren zu verabschieden?
Die Verabschiedung von Richtlinien in vollständiger Anwendung aller Punkte des Gesetzgebungsverfahrens nach Art 294 AEUV steht häufig einer schnellen und effizienten Arbeitsweise entgegen. In der Legislaturperiode von 2010 bis 2014 wurden daher 81 Prozent der Rechtsakte im Gesetzgebungsverfahren zwischen Kommission, Rat und Parlament nach informellem Trilog in der ersten Lesung beschlossen. Dieser Weg stellt lediglich eine Verkürzung des Gesetzgebungsverfahrens dar, was so auch im AEUV vorgesehen ist und den Bürgern zugutekommt. Die Unterscheidung in ein exaktes und ein inexaktes Verfahren ist somit irreführend. Auch im deutschen Bundestag werden 2. und 3. Lesung häufig ausgesetzt, wenn Gesetze schnell in Kraft gesetzt werden müssen.

2. Sind die Abgeordneten des Parlaments, welche an den Ausschüssen, die die Trilogverhandlungen führen, teilnehmen, gerecht - also nach Partei/Fraktion - verteilt?
Die Sitzverteilung der Ausschüsse spiegelt möglichst genau die Sitzverhältnisse des Parlamentes insgesamt wider. Insofern fließen die im Ausschuss getroffenen Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit und gerechter Verteilung der Fraktionen in die Trilogverhandlungen ein. Allerdings ist die Verteilung natürlich insoweit problematisch als jede Fraktion daran mit einem Vertreter beteiligt ist, sodass die Größenverhältnisse zu den Fraktionen nicht mehr 1:1 sind.

3. Ändern diese Triloge etwas an den Machtverhältnissen?
Die Trilogverhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat finden zwischen allen drei Institutionen auf Augenhöhe statt und ändern nichts an den Machtverhältnissen der EU-Institutionen untereinander.

4. Halten Sie dieses Verfahren mit dem primären Gemeinschaftsrecht und den demokratischen Grundsätzen für vereinbar?
In jeder demokratischen Verfassung gibt es Regeln, die von Mehrheiten im Einzelnen angewandt werden. Im informellen Trilogverfahren werden die Positionen von Kommission, Rat und Parlament verhandelt. Da das Parlament dabei den im zuständigen Ausschuss beschlossenen Standpunkt vertritt, der wiederum öffentlich und mit qualifizierter Mehrheit verabschiedet wurde, gibt es keinen Mangel an demokratischer Legitimität und Transparenz. Dementsprechend ist das Trilogverfahren mit demokratischen Grundsätzen vereinbar.

5. Könnte in Zukunft solchen Verfahren auch in den einzelnen Mitgliedstaaten größere Rollen zukommen?
Das Trilogverfahren ist beispielsweise vergleichbar mit dem Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag in Deutschland oder der commission mixte paritaire zwischen Nationalversammlung und Senat in Frankreich. Insofern gibt es in europäischen Mitgliedstaaten bereits ähnliche Mechanismen auf nationaler Ebene.

6. Was könnte Ihrer Ansicht nach für mehr Transparenz in einer dennoch effektiven Gesetzgebung getan werden?
Ich sehe aktuell keine Defizite in der Transparenz der Verfahren. Die Sitzungen der parlamentarischen Ausschüsse sind öffentlich und die zugehörigen Dokumente einsehbar. Da sich die Positionen von Rat und Kommission ebenfalls öffentlich einsehen lassen, besteht bereits zu Beginn der Trilogverhandlungen größtmögliche Transparenz. Weil die Fixpunkte der Verhandlungen dadurch öffentlich gegeben sind, gibt es genug Druckmittel um hinter verschlossenen Türen der Verhandlungen keine großen Abweichungen der Standpunkte entstehen zu lassen.

7. 2012 kam es aufgrund von Kritik am Verfahren zu Korrekturen in der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments. Hat sich dies Ihrer Meinung nach positiv ausgewirkt?
Die Änderungen von 2012 haben notwendige Schritte zu einer verbesserten Verfahrensweise festgelegt. Beispielsweise besteht nun die Pflicht zur Fassung eines Beschlusses zur Aufnahme der Trilogverhandlungen und zur Ernennung eines Berichterstatters, der dem federführenden Ausschuss den aktuellen Verhandlungsstand meldet. Darüber hinaus wird die Zusammensetzung des EP-Verhandlungsteams klar geregelt. Diese Punkte sind ein wichtiger Pfeiler zur Gewährleistung von Transparenz, welche ich sehr begrüße, die in meinem Ausschuss allerdings schon früher so angewendet wurden.

8. Sind Sie der Meinung, dass dem Lobbyismus durch derartige Verfahren - da auf weniger Personen Einfluss genommen werden muss - eine bedeutendere Stellung in der Gesetzgebung zukommt?
Da zu Beginn des Trilogs - wie unter Punkt 6 erwähnt - die Positionen von Rat, Kommission und Parlament bereits feststehen und es nur noch zu einer Kompromissfindung kommt, bleibt der Einfluss von Lobbyisten in diesem Stadium des Verfahrens eher gering. Denn es sind ja neben den Abgeordneten auch die Vertreter des Rates und die Vertreter der Kommission beteiligt. Neue Argumente sind eher schwerlich einzubringen. Die Entscheidungsfindung steht hier also bereits vor dem Abschluss.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen konnte und stehe Ihnen für Rückfragen jederzeit gerne zur Verfügung.

So verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen

Ihr

Andreas Schwab

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