Frage an Andreas Schwab von Heinz H. bezüglich Recht
Vergangene Woche machten Aussagen des Leiters der Generaldirektion Handel, Jean-Luc Demarty, klar, dass die Parlamente der EU-Mitgliedstaaten wohl nicht über das Handelsabkommen CETA mit Kanada entscheiden. Also weder Bundestag noch Bundesrat darüber abstimmen.
Wie stehen Sie und ihre Kollegen dazu?
Der fertige CETA-Vertragstext liegt bei der Kommission auf dem Tisch einschließlich ein Vorschlag für das Abstimm-Verfahren. Aber sie hält beides zurück, bis die Briten über ihren Verbleib in der EU abgestimmt haben: Was die Kommission vorhat, würde die Briten und alle Europäer wütend machen.
Entspricht dies Ihren Vorstellung, wie die EU-Kommission arbeiten sollte?
Das Perfide an den Plänen der EU-Kommission ist: Sie zwingt uns möglicherweise dazu, nicht nur eine, sondern zwei Schlachten um CETA zuschlagen. Einmal zu der Frage, WIE entschieden wird: nur auf EU-Ebene oder auch in den Parlamenten der Mitgliedsstaaten? Und dann darüber, WAS entschieden wird: CETA - ja oder nein?
Wie stehen Sie zu CETA?
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre E-Mail zum Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA).
Zum weiteren Verfahren in Bezug auf das CETA-Abkommen ist folgendes zu sagen:
Nach Abschluss der Übersetzung in alle EU-Amtssprachen wird die Europäische Kommission den Text an das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union übermitteln. Ein Beschluss des Rates über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung des Abkommens könnte im Herbst 2016 gefasst werden. Danach wird die Zustimmung des Parlaments eingeholt, eine vorläufige Anwendung kann erst nach Zustimmung des Parlaments eintreten. Da davon auszugehen ist, dass es sich bei CETA um ein sogenanntes "gemischtes Abkommen" handelt, bei dem neben Kanada und der Europäischen Union auch die EU-Mitgliedsstaaten Vertragsparteien sind, ist zur Annahme des Abkommens sowohl ein einstimmiger Beschluss aller Mitgliedsstaaten im Rat als auch eine Ratifizierung des Abkommens durch die nationalen Parlamente erforderlich. Die Teile des Abkommens, die in mitgliedstaatlicher Zuständigkeit liegen, können dementsprechend erst nach Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten in Kraft treten. Die nationalen Ratifizierungsverfahren werden erst nach Zustimmung des Europäischen Parlaments eingeleitet.
Ob die Kommission den Vertragstext zurückhalten darf, bis Großbritannien über den Verbleib in der EU abgestimmt hat, kann hier offen bleiben.
Ich verstehe natürlich Ihre Sorgen bezüglich des CETA-Abkommens, es gibt aber auch Vorteile.
Viele Sorgen betreffen die demokratische Partizipation auf nationaler und europäischer Ebene, die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerte Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nach Artikel 28 GG, sowie das in Artikel 20 GG niedergelegte Demokratieprinzip. Bereits in der Präambel des Abkommens ist klargestellt, dass das Abkommen als Ganzes sowohl die genannten Prinzipien als auch die Souveränität der Vertragsparteien komplett schützt. Ferner erlaubt das Grundgesetz ausdrücklich die Teilnahme Deutschlands am Prozess der Völkerrechtssetzung (vgl. Art 23 und 24 GG). Dazu gehört auch, Gremien zur Durchsetzung dieser Verpflichtungen beizutreten und die Rechtsprechung solcher Gremien zu respektieren. Die Mitgliedsstaaten haben der Europäischen Union außerdem die alleinige Zuständigkeit für internationalen Handel übertragen. Deshalb kann sie als Völkerrechtsperson auch internationale Verträge mit Gerichtsbarkeit eingehen.
Daher sind viele Kritikpunkte am CETA-Abkommen bei genauerer Betrachtung unbegründet.
Ich verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Ihr
Andreas Schwab