Frage an Andreas Schwab von Nelly A. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Dr. Andreas Schwab,
meine Frage ist: wie verteidigen Sie mein Grundrecht auf Datenschutz?
Auf eine offene und ehrliche Antwort würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen,
Nelly Ackermann
Sehr geehrte Frau Ackermann,
Vielen Dank für Ihr Interesse an meiner Arbeit und für Ihre Fragen bezüglich der Datenschutzverordnung, zu welchen ich gerne Stellung nehme. Ihre Vorwürfe scheinen ohne inhaltliche Überprüfung von einer Internetplattform übernommen worden zu sein, die ungenau recherchiert hat und somit der öffentlichen Diskussion falsche Informationen liefert.
Eine ersatzlose Streichung der Teile von Artikel 79, die Firmen bei einem Verstoß Geldstrafen auferlegen, habe ich beispielsweise nie gefordert, das wird dort fälschlich behauptet. Unser Änderungsantrag bestätigt ausdrücklich die Erteilung von Geldstrafen und darüber hinaus eine Beibehaltung des Maximumbetrags von einer Million Euro (und nicht nur maximal 500.000 Euro, wie von der Kommission gefordert). Mit der Streichung der Teile des Artikel 79, die genaue Vorgaben für die Aufsichtsbehörde detaillieren, soll lediglich die notwendige und durch den Artikel 8(3) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschaffene Unabhängigkeit von Aufsichtsbehörden respektiert werden. Dies ist aber keineswegs mit einer Streichung von Geldstrafen gleichzusetzen - im Gegenteil! Aufsichtsbehörden werden über flexiblere und höhere Geldstrafen bestimmen können! (siehe besonders Änderungsantrag 423 im offiziellen Dokument der IMCO Änderungsanträge). Ich bin also der Meinung - und meine Änderungsanträge reflektieren dies - dass Geldstrafen bei Datenschutzverletzungen auf jeden Fall erhalten bleiben sollen.
Ein anderes Beispiel ist mein Änderungsantrag 70 zu Artikel 6, Absatz 1, Litera f. Er lautet: "f) processing is necessary for the purposes of the legitimate interests pursued by a controller or by a third party or third parties to whom the data are communicated, except where such interests are overridden by the interests or fundamental rights and freedoms of the data subject which require protection of personal data, in particular where the data subject is a child. This shall not apply to processing carried out by public authorities in the performance of their tasks."
Durch diesen Änderungsantrag soll anerkannt werden, dass erstens diese Verordnung nicht nur ausschließlich die digitale Wirtschaft betrifft und dass zweitens in manchen Fällen auch Dritte legitimes Interesse an der Bearbeitung von Daten haben. In Deutschland ist dies für die Sozialpartner, die Kollektivverträge verhandeln, in Gebrauch um die Einhaltung von Tarifverträge zu prüfen, die Dritte einhalten müssen, die sie aber nicht abgeschlossen haben. Zudem gibt es Sektoren in unserer Wirtschaft, wie z.B. Printmedien, die auf externe Quellen angewiesen sind, um möglichen Abonnenten ein Angebot zu unterbreiten. Die Datenschutzverordnung sollte derartige Geschäfte in Sektoren, die ursprünglich gar nicht im Internet entstanden sind, nicht in Schwierigkeit bringen (z.B. Zeitungsabonnement, das der Verlag mit weiteren Angeboten an den Kunden erweitern will). Der Kunde kann natürlich jederzeit derartigen Angeboten dauerhaft widersprechen! Nur das Erstangebot bleibt damit möglich.
Dies sind zwei Beispiele meiner insgesamt 80 Änderungsanträge, die ich im Rahmen der Stellungnahme des Binnenmarktausschusses zum Kommissionsvorschlag der Datenschutzverordnung eingebracht habe und die alle unserem Ziel der EU-weiten Harmonisierung des Datenschutzes folgen. Sie sind inhaltlich kohärent und sie tragen - auch wenn anderes behauptet wird - zu einer Verbesserung des Verbraucherschutzes bei. Man darf in diesem Bereich keinen Denkfehler begehen: wenn der Datenschutz zu teuer und bürokratisch wird, werden gerade Großunternehmen davon profitieren - denn sie können es sich leisten, und die Verbraucher sind bei Google und Facebook in der Praxis schnell bereit, ihre Einwilligung zur Nutzung personenbezogener Daten zu geben. Damit werden aber die wenigen europäischen Kleinunternehmen im Internet vollends der Übermacht ihrer US-amerikanischen Konkurrenten unterliegen. Das möchte ich nicht!
Die Vereinheitlichung des Datenschutzes in allen EU-Mitgliedsländern ist insofern wichtig, da aufgrund des rasanten Anstiegs an grenzüberschreitenden Aktivitäten von Verbrauchern und Unternehmen gleichermaßen einerseits und dem an sich "grenzenlosen" Charakter des Internet, ein echter Schutz für den Verbraucher nur durch eine einheitliche Datenschutz-Gesetzgebung gewährleistet werden kann. So hilft es wenig, wenn ein Mitgliedsstaat eine sehr intensive Datenschutzgesetzgebung hat, aber seine Einwohner über das Internet mit einer in einem anderen Land registrierten Firma ein Geschäft abwickeln. Sie können sich dann zwar auf ihre jeweiligen Datenschutz-Rechte im Heimatstaat berufen, aber das hilft nicht immer, weil die Server häufig nicht im Heimatland liegen - und damit "ausländischem" Datenschutz unterliegen. Jedes "mehr" an gemeinsamen europäischen Datenschutzregeln verbessert das heutige Durcheinander, selbst wenn dabei im Einzelfall auch bestehende Regeln geändert werden müssen.
Bei der Neuregelung des europäischen Datenschutzes kommt es auch auf einen ausgewogenen und fairen Interressensausgleich der unterschiedlichen Verbraucherinteressen an. Der Verbraucher ist in seiner Erwartungshaltung vielseitig: neben dem Schutz seiner Daten möchter er gleichermaßen ein kostenfreies Internet, ein effizientes Internet, ein schnelles und einfach zu handhabendes Internet, er möchte Innovation, auch soll das Internet spanned und unterhaltsam sein; mit Blick auf Verbraucherkredite und liebgewonnene Zahlungsmodatitäten möchte man keine Änderungen und keine zusätzlichen Kosten (die man aber bekäme, wenn man durch falsche Weichenstellungen im Datenschutz z.B. die Arbeit der Schufa unmöglich machen würde). Wieder andere möchten gezielt und qualitativ hochwertig beworben werden und nicht in einer Flut aus unpersönlicher, ungezielter Werbung versinken. Diese unterschiedlichen Interessen der europäischen Verbraucher müssen ausgeglichen werden.
Leider kursieren im Internet falsche Gerüchte darüber, warum bestimmte Änderungsanträge gestellt werden. Drei von den insgesamt 80 meiner Anträge wurden von sog. "Datenschützern" herausgegriffen, und als Anträge kritisiert, die angeblich ohne Inhaltsprüfung "abgeschrieben" wurden. Dies ist schlicht falsch. Im Übrigen wird hier mit zweierlei Maß gemessen: wenn direkt von den "Datenschützern" abgeschrieben wird, ist alles anscheinend nur halb so schlimm. Zudem scheint es den Betrachtern nur um Formulierungen und Wortlaute zu gehen. Es sind aber die Inhalte, die zählen!
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Antworten einen guten Überblick und hilfreiche Informationen gegeben zu haben.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr
Andreas Schwab