Frage an Andreas Schwab von Steffen S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Schwab,
in einem Focus-Online Interview ( http://www.focus.de/politik/ausland/graf-stauffenberg-wir-leben-in-einer-gesellschaft-von-lemmingen_aid_369720.html ) mit Graf Staufenberg spricht dieser in Bezug auf seine Klage in Karlsruhe gegen den Lissabon-Vertrag: "Dieses Europa ist aber nicht mehr vereinbar mit den Grundstrukturen eines demokratischen Rechtstaates."
Weiter merkt er an: "Seit 1949 war die Bundesrepublik darauf gegründet, dass Gewalt vom Volk ausgeht. Die Wähler müssen wissen, wen sie wählen und wozu sie ihn wählen. Kein Mensch kann mehr sagen, er wisse, wer in seinem Auftrag in Brüssel oder Straßburg entscheidet. Verschiedene Kreise und Gruppen wie zum Beispiel Minister oder Ministerialbeamte wirken zusammen mit den Beamten der Kommission und dem Europäischen Parlament, aber sie kontrollieren sich nicht gegenseitig. Und wenn man versucht, für ein Problem wie die FFH-Richtlinie für den Naturschutz oder die Normen für krumme Gurken einen Schuldigen zu finden, so gibt es ihn nicht. Da gibt es nur Nummern und Amtsgremien."
Nun meine Fragen:
- Wie ist Ihre Einschätzung zu den Aussagen von Graf Stauffenberg?
- Aus welchen Gründen haben Sie sich nicht an der Abstimmung zum Lissabon-Vertrag beteiligt?
- Wie erklären Sie Ihrem Nachbarn kurz & verständlich den Lissabon-Vertag und seine Notwendigkeit?
Vielen Dank im voraus,
Steffen Schwarz
Sehr geehrter Herr Schwarz,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich stimme mit Ihnen überein: die Wähler müssen wissen, wen sie wählen. In Baden-Württemberg wissen die Wähler allerdings genau, welchen Abgeordneten der CDU sie in welcher Region wählen. Dies liegt zum einen daran, dass wir Baden-Württemberg in Wahlkreise aufgeteilt haben und zum anderen daran, dass flächendeckend plakatiert wurde. Die Wähler wissen also, wen sie wählen.
Ich stimme Ihnen zu, dass europäische Politik nicht in ausreichendem Maße vermittelt wird. Gründe sind, dass die Polarisierung in Europa aufgrund des starken minderheitsbezogenen und national zudem diversifizierten Wahlrechts nicht zu einem klaren Wählerauftrag für eine Partei in Europa führt. Das wird sich in Zukunft ändern.
Die EVP hat als einzige Partei zudem vor der Wahl ein klares Wahlprogramm vorgelegt und einen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten bestimmt. Sie sehen also: europäische Politik wird immer transparenter.
Natürlich muss Europa noch transparenter werden. Ich bin optimistisch, dass uns das gelingt, da in Zukunft das Europäische Parlament die Europäische Kommission bestimmt. So wird sichergestellt, dass die Kommission zu einer richtigen und parlamentarisch kontrollierten "europäischen Regierung" wird.
Die Vorteile des Lissabon-Vertrags erkläre ich meinem Nachbarn so:
Das Parlament als Vertretung der Bürgerinnen und Bürger erhält mehr Mitspracherechte. Europa wird damit demokratischer und die Bürger direkter an Entscheidungen beteiligt. Auch die nationalen Parlamente, der deutsche Bundestag, haben bessere Einflussmöglichkeiten auf europäische Entscheidungen durch ein Vetorecht. Dies bedeutet eine weitere Stärkung der parlamentarischen Kontrolle und des demokratischen Elements.
Entscheidungsprozesse in der EU werden effektiver: neue Entscheidungsregeln im Rat der Mitgliedsstaaten und Mehrheitsentscheidungen (anstelle von Einstimmigkeit) in der Innen- und Rechtspolitik machen die EU handlungsfähiger.
Die EU tritt gegenüber ihren Partnern geeinter auf: ein hauptamtlicher europäischer Ratspräsident wird für mehr Kontinuität sorgen, die außenpolitischen Zuständigkeiten werden in einer Person ("Außenbeauftragter") gebündelt.
Im Europäischen Parlament wurde am 20. Februar 2008 über den Lissabon-Vertrag abgestimmt. Ich habe den Vertrag von Lissabon immer unterstützt, war jedoch, wie Sie aufmerksam beobachtet haben, verhindert, da ich einen Termin mit Kommissar Spidla in Deutschland wahrgenommen habe. Für die Abstimmung war ich ordnungsgemäß entschuldigt.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Schwab