Frage an Andreas Scheuer von Ralf S. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Dr. Scheuer
Es mag zwar nun bereits einige Zeit her sein, ich würde aber dennoch sehr gerne Ihre Meinung zu einem Vorfall hören, welcher sich in Ihrem Wahlkreis abspielte.
Vor einiger Zeit wurde in Passau die Ausstellung "Das Schwein in der Kunst" durchgeführt. Auf einem der Bilder wurde das letzte Abendmahl von Leonardo DaVinci satirisch dargestellt mit Schweinen anstelle von Jesus und der Apostel. Nachdem es seitens der Kirchen einige Beschwerden gab, entschied sich Landrat Hans Dorfner (wie Sie in der CSU) dafür dieses Bild aus der Ausstellung entfernen zu lassen.
Für mich stellt dieses Vorgehen nun einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die individuelle Ausdrucksfreiheit dar; insbesondere eine eklatante Einschränkung der grundgesetzlich garantierten Kunstfreiheit; die durchaus eben auch religiöse Themen satirisch-parodistisch darstellen können sollte. Wenn wir uns insbesondere unsere gewählten Volksvertreter in dieser Hinsicht einem Druck der Kirchen nachgeben, ist es für mich so als würde dies uns in die Zeit vor der Aufklärung zurückkatapultieren, in der die Katholische Kirche in der Tat eine Institution darstellte, welche sich und ihrer Lehren jeglicher Kritik entzog. Es ist eine wesentliche Errungenschaft der europäischen Aufklärung diese Unterordnung unter religiöse Autoritäten überwunden und das Recht des Einzelnen sich sein Weltbild selbst zu bilden und sich und seiner Meinung selbst und unabhängig Ausdruck zu verleihen gestärkt zu haben.
Wie weit nun sollte bzw. darf ihrer Meinung nach die Einschränkung der Meinungs- und Kunstfreiheit gehen, sobald es um religiöse Belange geht? Ist für Sie das Vorgehen Ihres Parteikollegen nachvollziehbar?
Hochachtungsvoll,
Ihr
Ralf Sattler
Sehr geehrter Herr Sattler,
vielen Dank für Ihre Frage. Sie wenden sich einem Thema zu, das immer wieder die Gemüter erregt: Die Kunst. Was ist Kunst und hier vor allem, was darf Kunst?
Die künstlerische Freiheit findet ihren rechtlichen Schutz in Art. 5 unseres Grundgesetzes. Er ist Ausdruck unseres freiheitlichen Denkens und Sie werden mir vielleicht zustimmen, dass vieles in unserem Land unter den Begriffen Kunst, Karikatur und Satire möglich ist.
Auch die künstlerische Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben ist geschützt, wichtig und hat Tradition. Die Bilder spiegeln nicht nur die Identifikation mit dem Glauben im Wandel der Zeit wieder. Gerade die moderne Kunst stellt auch kritische Fragen nach der Rolle des Glaubens und der Religion in der Gesellschaft.
Unabhängig von der sehr subjektiven Frage, ob auch alles Kunst ist, was zur Kunst erklärt wird, findet die künstlerische Freiheit dort ihre Grenzen, wo sie die Grundrechte anderer berührt. Satire und Karikaturen versetzen uns in die Lage, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Die Vertreter der Politik und Würdenträger der Kirche sind spätestens seit Erfindung des Drucks immer wieder Anlass dafür. Dabei ist die persönliche Wahrnehmung sicher bei jedem verschieden. Nach meinem Empfinden sind sie gelungen, wenn Sie die Würde der dargestellten Person und des Anlasses trotz aller Zuspitzung und Überzeichnung erhalten.
Im Fall der von Ihnen angesprochenen Darstellung ist dies auch nach meinem Dafürhalten grundsätzlich fraglich.
Unbestritten: Das Schwein hat in der Kunst seinen Platz gefunden. Die Ausstellung hat gezeigt, dass unterschiedliche Interpretationen und Darstellungen möglich sind. Viele witzig, viele pointiert, viele über die man gemeinsam schmunzeln oder auch lachen kann.
Das zugrunde liegende "Letzte Abendmahl" von Leonardo DaVinci ist jedoch ein Meisterwerk der Kunstgeschichte. Bereits unter diesem Gesichtspunkt kann man über die Qualität der Darstellung in der Ausstellung geteilter Meinung sein. Wichtiger und in den Mittelpunkt Ihrer Anfrage rückt das gewählte Motiv des Originals: das letzte Abendmahl. Es geht auf das letzte feierliche Mahl Jesus von Nazareth mit seinen zwölf Jüngern am Vorabend seines Todes zurück. Es erinnert an das heilvolle Sterben Jesu Christi und gehört mit der Taufe zu den für fast alle christlichen Kirchen wesentlichen gottesdienstlichen Handlungen. Es ist damit eines der zentralen Motive des christlichen Glaubens und prägt wesentlich die religiöse Identität gläubiger Christen.
Die Verbindung eines religiösen Motivs mit einem Schwein, das in anderen Religionen als unrein angesehen wird, halte auch ich für bedenklich. Die Grenzen von Karikatur und Satire zu fehlgeleitetem Witz sind hier fließend. Es kann eben nicht alles zu einem Witz gemacht werden, auch wenn es für den einzelnen im ersten Moment witzig erscheinen mag. Die Spaßgesellschaft stößt hier an ihre Grenzen. Dieser Einwand ist zulässig und weist nicht zuletzt angesichts des Karikaturenstreits vor zwei Jahren, in dem der islamische Prophet und Religionsstifter Mohammed zum Thema von Karikaturen wurde, die Sensibilität und Aktualität des Spannungsverhältnisses zwischen Kunst und Religion aus.
Die in der Ausstellung gewählte Darstellung hat die religiösen Gefühle aus meiner Sicht verletzt. Die Beweggründe waren ehrlich und aufrichtig.. Die Motive meines Parteikollegen kann ich deshalb nachvollziehen. Vielleicht hätte man sich eine andere mediale Begleitung gewünscht.
Aus meiner Sicht der Dinge lege ich Ihnen ans Herz: Betrachten Sie das Original. Die Figuren zeichnen sich durch eine ausgefeilte Gestik und Mimik aus.. Das Arrangement und Zusammenspiel der Personen werden immer aufregend und spannend sein!
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen bei Ihren nächsten Ausstellungsbesuchen weiterhin viel Kunstgenuss und Freude an gelungenen Karikaturen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Andreas Scheuer, MdB
Mitglied des Deutschen Bundestages