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Andreas Jung
CDU
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Frage von Guenther G. •

Frage an Andreas Jung von Guenther G. bezüglich Senioren

Sehr geehrter Herr Andreas Jung (MdB),

trotz der Einführung des Betriebsrentenfreibetragsgesetzes ab 01.01.2020 werden von der Politik noch immer die Interessen von ca.9 Millionen altersvorsorgenden Menschen ignoriert.
Nach wie vor muss ein nicht unerheblicher Teil der selbst angesparten Auszahlungssumme einer Direktversicherung oder Betriebsrente an die Gesetzliche Krankenversicherung abgeführt werden.
Auch ich gehöre zu den Betroffenen, der mit seiner erhaltenen Auszahlung u.a. auch die laufenden Studienkosten meiner beiden Kinder unterstützt.
Das ab dem 01.01.2020 gültige Betriebsrentenfreibetragsgesetz gewährt den Direktversicherten einen Freibetrag in Höhe von monatlich 159 € für 120 Monate und den Betriebsrentnern für ca. 250 Monate.
Ich habe an Sie als meinen gewählten Volksvertreter im Deutschen Bundestag folgende Fragen:

Frage 1
Anhand des Statistischen Bundesamtes besteht ein deutlich höherer monatlicher Fehlbetrag im Lebensunterhalt der Rentnerhaushalte. Hier muss eine Entlastung geschaffen werden, ansonsten ist eine Unterstützung von anderer Seite erforderlich. Wie wollen Sie hier gegensteuern?

Frage 2
Warum werden in der Auszahlungsphase Direktversicherte und Betriebsrentner bei den Beitragszahlungen unterschiedlich behandelt?
Laufzeit Freibetrag für Direktversicherte auf ist auf 120 Monate begrenzt; Laufzeit Freibetrag für Betriebsrentner auf Lebenszeit im Durchschnitt zirka 250 Monate*.
*Lebenserwartung lt. Statistisches Bundesamt Wiesbaden

Frage 3
Warum werden nur gesetzlich und freiwillig Krankenversicherte zur Zahlung der doppelten Sozialversicherungsbeiträge aus der arbeitnehmerfinanzierten Altersvorsorge verpflichtet? Beamte und privat Versicherte sind hiervon ausgenommen.

Frage 4
Der Bundesparteitag der CDU in Essen hat den Beschluss C 159 gefasst, in dem festgehalten wurde, dass Versorgungsbezüge nur einmal mit einem Beitrag belegt werden. Die Abschaffung der doppelten Beitragserhebung auf Direktversicherungen für Personen, die Beiträge aus dem Nettoeinkommen geleistet haben, ist demnach folgerichtig.
Warum wurden trotz vorhandener Mittel und Parteibeschlüsse die nachweislichen
Fehler des GMG-Gesetzes für vor 2004 abgeschlossene Verträge nicht korrigiert?
Wie wollen Sie die Ungerechtigkeit der Doppelverbeitragung in der Altersvorsorge nachhaltig beseitigen?

Frage 6
Wann und wie kommt der nächste Schritt in diese Richtung der legitimen Forderungen der Betroffenen und wie stellen Sie sich eine Entschädigung der zu viel gezahlten Sozialversicherungsbeiträge vor?

Abschließend noch eine generelle Frage an Sie als gewähltes Mitglied des Deutschen Bundestages.
Ich mache mir Sorgen und Gedanken, wie sich die zukünftige Altersvorsorge für meine Kinder und Enkel gestaltet. (Bericht von Prof. Raffelhüschen in Euro am Sonntag Ausgabe 05/2020 „Wir erleben die Ruhe vor dem Sturm“).

Welche Gesetzesinitiative planen und unterstützen Sie als Mitglied des Deutschen Bundestages um die zukünftige Altersvorsorge der Arbeitnehmer sicherzustellen? Als Orientierungs-Beispiel könnte hier die Nettolohn-Ersatzquote aus anderen Europäischen Ländern dienen.

Welche zusätzliche Altersvorsorge empfehlen Sie Ihren Kindern/Enkeln guten Gewissens?

Im Voraus vielen Dank für eine Beantwortung meiner Fragen (eine gestellte Frage aus 2019 ist immer noch unbeantwortet - leider)

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Grabow,

herzlichen Dank für Ihre Nachricht.

In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) haben Rentnerinnen und Rentner Beiträge zu zahlen, die ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechen. Beitragspflichtig sind unter anderem Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und sogenannte Versorgungsbezüge, also auch Leistungen aus einer Direktversicherung. Welche Einnahmen als Versorgungsbezüge gelten, ist in § 229 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) näher geregelt.

Bevor ich zur aktuellen Frage komme, lassen Sie mich bitte zunächst einen Blick auf die Entstehungsgeschichte der sogenannten "Doppelverbeitragung" werfen. Der Anlass für die momentane Situation liegt bereits knapp 20 Jahre zurück. Anfang der 2000er Jahre hatten die gesetzlichen Krankenkassen erhebliche Finanzierungsprobleme zu verzeichnen, die zu einer parteiübergreifenden Gesundheitsreform führten. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) wurde damals ein umfassendes Kostendämpfungs- und Reformpaket beschlossen, das zahlreiche Leistungsbeschränkungen und Einnahmeerhöhungen beinhaltete.

Hinsichtlich der Versichertengruppe der Rentner war eine massive Kostenunterdeckung zu verzeichnen, bei der zu erwarten war, dass sie sich aufgrund des demographischen Wandels, einer zunehmenden Lebenserwartung und des medizinischen Fortschritts weiter vergrößern würde. Vor diesem Hintergrund wurde die Beitragspflicht für alle pflichtversicherten Betriebsrentner erhöht und die insoweit bestehende Ungleichbehandlung von freiwillig Versicherten und Pflichtversicherten beendet. Während bis Ende 2003 bei pflichtversicherten Mitgliedern lediglich die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes der jeweiligen Krankenkasse bei der Beitragsbemessung aus den Versorgungsbezügen Anwendung fand, wurden die Beiträge freiwillig versicherter Mitglieder aus Versorgungsbezügen unter Anwendung des vollen ermäßigten Beitragssatzes der jeweiligen Krankenkasse bemessen. Außerdem wurden Kapitalauszahlungen, die bereits vor ihrem Auszahlungstermin als Kapitalauszahlungen vereinbart waren, denjenigen schon seit 1983 beitragspflichtigen Kapitalauszahlungen, die eine Rentenzahlung abgelöst haben, gleichgestellt. Damit wurde die Beitragspflicht aus Kapitalauszahlungen einheitlich - ungeachtet der privatvertraglichen Vereinbarung der Auszahlungsmodalitäten - vorgesehen. Die Beitragspflicht auf Versorgungsbezüge gilt seit 2004 somit unabhängig davon, ob sie laufend oder einmalig gezahlt werden.

Die mit dem GMG geschaffene Rechtslage wurde durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und das Bundessozialgericht (BSG) immer wieder bestätigt. Die Regelung greife nicht ungerechtfertigt in die grundrechtlich gewährten Freiheits- und Gleichheitsrechte der Betroffenen ein, argumentiert beispielsweise das BVerfG. Die Maßnahme zur Deckung einer zunehmenden Finanzierungslücke, deren Ursache der medizinische Fortschritt und die zunehmende Zahl älterer Menschen sind, war nach Feststellung des BVerfG erforderlich und sei für die betroffenen Rentner zumutbar.

Ungeachtet dieser Rechtsprechung wird die Regelung kritisiert. Zumal von den Versicherern bei Vertragsabschluss in vielen Fällen neben den gesetzlichen Steuervorteilen, die auch eingehalten wurden, oft die Sozialabgabenfreiheit bei Kapitalauszahlungen und hohe Renditen in Aussicht gestellt und diese Erwartungen zum Teil erheblich enttäuscht wurden. Diese Frage hat die CDU auf Ihrem Bundesparteitag in Hamburg aufgegriffen, die Delegierten haben dort mehrheitlich dem von Ihnen genannten Antrag zugestimmt, der die Abschaffung der sogenannte "Doppelverbeitragung" vorgeschlagen hatte.

Voraussetzung dafür ist jedoch ein realistischer Vorschlag für eine Gegenfinanzierung: Schließlich nimmt die GKV jährlich rund 5,8 Mrd. Euro aus der Verbeitragung von Versorgungsbezügen der versicherungspflichtigen Mitglieder ein. Der größte Teil hiervon geht auf Beiträge für Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge zurück. Eine komplette Rückabwicklung des GMG würde rund 40 Mrd. Euro kosten und hätte jährliche Mindereinnahmen der GKV von knapp 3 Mrd. Euro im Jahr zur Folge. Diese Einnahmeausfälle wären durch andere Versicherte - und zwar auch von jenen mit gegebenenfalls geringeren Einnahmen mit auszugleichen oder durch das Absenken des Leistungsvolumens zu kompensieren. Beides würde wiederum zu Belastungen anderer Versicherter führen.

Unter diesen Bedingungen mussten wir als Unionsfraktion im Rahmen der Beratungen anerkennen, dass die Umsetzung des Parteitagsbeschlusses in der aktuellen Regierungskonstellation nicht vollumfänglich möglich war. Mit dem Gesetz zur Einführung eines Freibetrages in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge (GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetz – GKV-BRG) konnten wir aber zumindest einen Teilerfolg erzielen. Mit dem Gesetz, das zum Jahresbeginn in Kraft getreten ist, wurde die bisherige Freigrenze von 155,75 Euro in einen dynamisierten Freibetrag umgewandelt. Das heißt, dass auf diesen Betrag keine Beiträge für die Gesetzliche Krankenversicherung erhoben werden. Mit dieser Lösung erreichen wir, dass alle Betriebsrentner spürbar entlastet werden – besonders die Betroffenen mit kleinen Renten. Gleichzeitig wird die Entlastung so gestaltet, dass sie für alle Generationen von Beitragszahlern verträglich ist. Da Betriebsrenten und Direktversicherung grundsätzlich gleich behandelt werden, profitieren so auch Direktversicherte. Zugleich finanzieren wir dies verlässlich aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds.

Uns ist bewusst, dass damit nicht alle Forderungen der Betroffenen entsprochen wird. Immerhin ist es so aber gelungen, einen guten Schritt zu machen.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr Andreas Jung

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