Frage an Andreas Hoffmann von Sebastian D. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Hoffmann.
Es ist weder gerecht bereits am Anfang in die Taschen jener zu fassen, die potentiell höhere Chancen haben, einen finanziell sehr guten Arbeitsplatz zu finden, noch diese Klientel am Ende ihres Studiums vor einem Schulderg zu stellen .
Inwieweit glauben Sie wirklich, daß fürderhin auch junge Menschen aus finanzschwachen Haushalten ein Studium aufnehmen werden, wenn Sie für eine Ausbildung sogar bezahlt werden?
Würden Sie nicht für sinnvoller halten, den steuerlichen Anteil der hervorragend verdienden Akademiker zu erhöhen, statt jenen etwas wegzunemen, die ohnehin kaum etwas haben bzw. jenen ein Studium vorzuenthalten, die es sich aus verscheidenen Gründen nicht leisten können und am Ende ihres Studiums nicht vor einem enormen Schuldenberg stehen wollen?
Sozialverträgliche Studiengebühren wird es nie geben. Alle Modelle beinhalten eine Ungleichbehandlung derer, die ohnehin weniger Geld zur Verfügung haben, da sie eher in Verzug der Rückzahlung geraten können - was sich besonders bei verzinsten Darlehen negativ auswirken wird.
Mir sind keine Modelle bekannt, die eine Rückzahlung der Kredite und Zinsen länger als ein Jahr hinaus ziehen. Eine schnelle Rückzahlung wäre nur bei jenen gegeben, die über den nötigen finanziellen Backround verfügen. Da aber nicht gesichert ist im Lauf eines Jahres genügend Geld zu verdienen, dürfte dieses alles andere als gerecht sein - was sich bei steigenen Gebühren noch verschärfen wird. Finden Sie nicht auch?
Ferner würde dies Promovenden aus unteren finanziellen Schichten noch härter treffen. Meinen Sie nicht auch?
Und woher nehmen Sie die Gewißheit meiner politischen Aktivität an der Uni?
Sehr geehrter Herr Dippelhofer,
ich will Ihnen gerne etwas mehr Informationen zu unseren Gründen für die Einführung von Studiengebühren liefern:
Für unsere Entscheidung, Studiengebühren einzuführen, haben wir gute Gründe. Gründe, die Ihnen bei Ihrem Studium nutzen anstelle zu schaden. Wenn Sie Interesse daran haben, Ihr Studium im Vergleich zu bisher Studierenden sowohl schneller, als auch besser abschließen zu können, lohnt es sich, den Rest dieser Mail zu lesen - wenn es jedoch Ihre Absicht ist, möglichst lange zu studieren und erst möglichst spät in einen Beruf einzusteigen, sollten Sie jetzt nicht mehr weiterlesen.
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Ich unterstelle also ab sofort, dass Ihnen an einem schnellen und guten Studienabschluß Interesse haben und daher offen für unsere Gründe zur Einführung der Studiengebühren sind.
Das Land Baden-Württemberg läßt sich seine Hochschulen etwas kosten. Wir geben bereits heute bereits 10% unseres gesamten Landeshaushalts für unsere Hochschulen aus - im Jahr rund 3,1 Mrd.?. Auch im Ländervergleich sind wir an erster Stelle - B-W investiert pro Jahr für jeden Studierenden 8.575 ? - der Bundesdurchschnitt liegt bei 7.506 ?.
Interessant ist auch das "Betreuungsverhältnis", das die Anzahl der Studierenden und die Anzahl der Dozenten vergleicht In B-W kommen auf eine/n Dozenten 14,5 Studierende - der Bundesdurchschnitt liegt bei 18 Studierenden.
Wie Sie sicherlich wissen, liegen unsere Hochschulen im Land in verschiedenen Hochschul-Rankings national, aber auch auf EU-Ebene mit an der Spitze. Die Zeit hat sich mit dem bekannten CHE-Ranking befaßt und ist zu folgendem Schluß gekommen:
Wirklich überraschend ist die Nachricht nicht: Deutschlands attraktivste Hochschulen finden sich in Baden-Württemberg. An diesem Donnerstag veröffentlicht das von der Bertelsmann-Stiftung finanzierte Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) ihr neues Länder-Ranking, und da liegt der ohnehin erfolgsverwöhnte Südwesten ganz vorn -vor Bayern und Mecklenburg-Vorpommern. »Dass Baden-Württemberg so hervorragend abschneidet, liegt nicht nur daran, dass das Land viel Geld in die Universitäten gesteckt hat«, sagt CHELeiterDetlef Müller-Böling, »sondern auch daran, dass es frühzeitig eine Hochschulreform eingeleitet hat
Das Papier fasst das bekannte CHE-Hochschul-Ranking, das vom kommenden Jahr an in der ZEIT erscheinen wird, nach Bundesländern sortiert zusammen. Das CHE-Ranking untersucht einzelne Studienfächer und beantwortet dabei vier verschiedene Fragen: Wie zufrieden sind die Studenten, wie lange studieren sie, wie gut ist die Forschung in den einzelnen Fächern und wie hoch die Reputation?
Für das Länder-Ranking zählt das Gütersloher CHE nur die Spitzenplätze.
Die 111 untersuchten Fakultäten in Baden-Württemberg erzielen in diesen vier Bereichen insgesamt 165 Spitzenplätze - ein Wert von1,49 Bestplatzierungen pro Fakultät. Mit deutlichem Abstand folgen Bayern mit 1,19 Spitzenplätzen und Mecklenburg-Vorpommern mit einem Wert von 1,13. Schlusslicht ist Hamburg mit einem miserablen Ergebnis von nur 0,38 Bestplatzierungen.
Die Stärken der baden-württembergischen Universitäten zeigen sich insbesondere bei ihrer Reputation (Platz 1 in Deutschland), bei der Forschung und auch der Zufriedenheit der Studenten (Platz 2). Lediglich bei der Studiendauer hinkt der Südwest-Staat deutlich hinterher (Platz 6). Hier sind die vier ostdeutschen Länder Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie Bayern besser. Das Gesamtergebnis kann das jedoch nicht schmälern.
Die Zeit 46/2004
So, nachdem wir jetzt wissen, dass das Land im Hochschulbereich nicht nur viel bewegt hat, sondern auch erfolgreich dabei war, stellt sich die Frage, weshalb wir trotzdem Studiengebühren einführen. Die Antwort ist einfach - wir wollen für unsere Studierenden eine noch bessere und eine noch schnellere Ausbildung ermöglichen und dazu brauchen die Hochschulen mehr Mittel - und zwar Mittel, die ausschließlich der Ausstattung und der noch intensiveren Betreuung der Studierenden zukommen. Aufgrund der rückläufigen Steuereinnahmen mußten wir in allen Haushaltsbereichen Streichungen vornehmen - nicht so im Hochschulbereich. Hier wurden die Mittel trotz Steuerminus gehalten. Wenn wir aber Verbesserungen wollen, die vor allem den Studierenden selbst zu gute kommen, aber wegen rückläufiger Steuereinnahmen nicht mehr Geld für diesen Bereich aufwenden können, bleiben nur Studiengebühren übrig.
Die Studiengebühren - wenn man sich denn wirklich einmal ernsthaft mit den Details beschäftigen will, beinhalten folgende Regelungen:
1. keine zusätzlichen Belastungen während des Studiums, weil
- auf Wunsch zinsgünstiges Studiendarlehen möglich ist, das erst bei anschließender Berufstätigkeit und einem der akademischen Ausbildung angemessenen Einkommen zurückzuzahlen ist, also nach dem Studium.
- durch das Studiendarlehen ist jedem Studierenden der Zugang zur Hochschulausbildung möglich - unabhängig von der sozialen Herkunft
2. die Gebühren fließen in vollem Umfang direkt an die jeweiligen Hochschulen und müssen dort zweckgebunden für eine bessere Betreuung und eine bessere Ausstattung ausgegeben werden. Damit wird es vielen Studierenden möglich sein, ihr Studium besser und auch schneller abzuschließen
3. es wird kein "Schuldenberg" aufgebaut - falls jemand sein Studium voll mittels Studiendarlehen finanziert, fallen im Durchschnitt max. 6.000 ? (inkl.Zinsen) an.
Gehen wir einmal davon aus - Sie sind ja ein fleißiger Student - , dass es Ihnen durch eine Verbesserung von Betreuung und Ausstattung gelingt, Ihr Studium auch nur um ein Semester früher abzuschließen und somit bereits 6 Monate früher als Studierende vor Ihnen in einen Beruf einzutreten, machen Sie ein hervorragendes "Geschäft": Einsatz: 6.000 Euro Studiengebühren - Ertrag: 6 Monate frühere Berufstätigkeit bei einem Jahresanfangsdurchschnittseinkommen eines Akademikers von 35.000 ?/ Jahr - gerechnet auf 6 Monate. 17.500 ? Einkommen abzüglich 6.000 ? Studiengebühren = Gewinn von 11.500 ? gegenüber all denen, die länger studieren, weil sie noch nicht von einer besseren Betreuung/Ausstattung profitieren konnten.
Besondere Personengruppen sind ganz von den Studiengebühren befreit, z.B. chronisch Kranke, Studierende mit kleinen Kindern, Familien, in denen mehrere Kinder studieren. Inklusive Bafög beträgt die Obergrenze für eine Rückzahlungspflicht max. 15.000 EURO.
4. Ein Hochschulabschluß bedeutet: bessere Berufsaussichten, höheres Lebenseinkommen, weniger Risiko von Arbeitslosigkeit. Wir halten es für gerecht, wenn sich die künftigen Akademiker mit einem überschaubaren Eigenbeitrag an ihrem Studium beteiligen - 90% Ihrer Ausbildung zahlt der Staat - 10% zahlen Sie selbst, haben aber dafür lebenslange Vorteile. Das halte ich für eine tragfähige Partnerschaft zwischen Staat und Bürger.
Wenn Sie jetzt immer noch der Meinung sind, unsere Studiengebühren sind schlecht, werde ich Sie wohl auch nicht mit weiteren Argumenten überzeugen können - ich hoffe aber, ich konnte das Gegenteil erreichen oder Sie zumindest ausreichend informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Hoffmann
19.02.06