Frage an Andreas Bleck von Dr. Arnd T. . bezüglich Gesundheit
Im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2 Pandemie wurde eine Überlastung des Gesundheitswesens durch mehr behandlungsbedürftige Personen mit COVID-19 befürchtet als bei allen Anstrengungen Behandlungskapazitäten zur Verfügung standen. Aktuell steht eine solche Überlastung des Gesundheitswesens kurzfristig nicht bevor.
Wie aber soll bei einer zukünftigen Überlastung des Gesundheitswesens entschieden werden? Nach welchen Kriterien soll zwischen Patientinnen und Patienten ausgewählt werden, wenn nicht für alle behandlungsbedürftigen Personen Behandlungskapazitäten zur Verfügung stehen?
Die DIVI (23.04.2020) und auch der Deutsche Ethikrat (27.03.2020) haben dazu das Konzept der ex-ante-Triage und als Verschärfung die Anwendung der ex-post-Triage vorgeschlagen.
Welche Meinung vertreten Sie zur ex-ante und ex-post-Triage?
Nach welchen Kriterien sollt über knappe und damit nicht ausreichende Behandlungskapazitäten im Gesundheitswesen entschieden werden?
Sehr geehrter Herr Dr. May,
die Empfehlungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin sowie des Deutschen Ethikrats bezüglich der Ex-ante-Triage zielen auf eine Priorisierung bei der Behandlung nach Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten ab. Ich habe erhebliche Zweifel, ob die Patienten bei einer Priorisierung nur nach ihrer Überlebenswahrscheinlichkeit oder auch nach verringerter Lebenszeit und Lebensqualität bewertet werden. Das Überleben mit verringerter Lebenszeit und Lebensqualität ist jedoch auch Leben. Nur unter dieser Bedingung würde ich der Ex-ante-Triage zustimmen.
Die Ex-post-Triage lehne ich hingegen ab. Die Behandlung eines Patienten mit niedrigerer Überlebenswahrscheinlichkeit zu unterbrechen, weil diese ein Patient mit höherer Überlebenswahrscheinlichkeit benötigt, halte ich sowohl rechtlich als auch moralisch-ethisch für höchst problematisch. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob eine Behandlung durch Unterlassen nicht begonnen oder eine begonnene Behandlung durch Tun unterbrochen wird. Die Mehrheit der Strafrechtler geht sogar davon aus, dass die Ex-post-Triage strafbar ist. Auch die Unsicherheit der Patienten und ihrer Angehörigen, ob ihre Behandlung vor dem Hintergrund einer Ex-post-Triage fortgesetzt oder unterbrochen wird, halte ich für unzumutbar.
Mit freundliche Grüßen
Andreas Bleck