Werden die Grünen dafür sorgen, dass die schwerwiegende Erkrankung ME/CFS in die GdB-Tabelle der VersMedV zur Anerkennung einer Behinderung endlich angemessen aufgenommen wird?
Die schwerwiegende und häufige neuroimmunologische Erkrankung ME/CFS ist weiterhin eine stille humanitäre Katastrophe in Deutschland und führt oft zu einem hohen Grad der körperl. Behinderung. Es fehlt leider weiter völlig an Versorgung, Anerkennung, Aufklärung, weitgehend an Forschung und es kommt weiter keine Hilfe bei den vielen Erkrankten an. Im Bereich Anerkennung der Behinderung hätte man längst eine sehr relevante Verbesserung herbeiführen können, indem ME/CFS in die VersMedV als eigenständige Krankheit angemessen aufgenommen worden wäre. Dies hätte mit geringem Aufwand für deutlich mehr Gerechtigkeit und weniger Streit mit Behörden und Sozialgerichten bei der Anerkennung geführt. In Deutschland sind aktuell mind. ca. 500.000 Menschen an ME/CFS erkrankt. Schnelle Hilfe bleibt trotz der Bekanntheit in der Ampelkoalition weiter aus. Die Bundesreg. hat versäumt, diesen Beitrag und weitere zur Verbesserung der dramatisch schlechten Situation umzusetzen. Werden Sie nun handeln?
Sehr geehrter Herr A.,
vielen Dank für Ihre Frage und Ihren Einsatz für eine bessere Versorgung der ME/CFS-erkrankten Patient*innen.
Wir wissen um die großen Einschnitte im Leben sowie die schwierige Lage, in der die ME/CFS-erkrankten Patient*innen und ihre Angehörigen durch ihre Einschränkungen im Alltag und den teilweise dauerhaften Pflegebedarf sind. Zudem ist uns bewusst, dass sie im Gesundheitssystem vielfach auf Unverständnis treffen oder Fehldiagnosen gestellt werden.
Vor diesem Hintergrund wird zurecht die aktuelle Forschungs- und Versorgungslage bemängelt. Dabei ist ME/CFS als neurologische Erkrankung bereits seit 1969 anerkannt. Nichtsdestotrotz haben viele Vorgängerregierungen dieser Erkrankung und den Betroffenen kaum Aufmerksamkeit gewidmet und Maßnahmen diskutiert, obwohl wir Grüne (beispielsweise durch eine Kleine Anfrage vom 7. August 2019) die vorherige Regierung bereits dazu aufgefordert haben, sich des Themas endlich anzunehmen.
Erst seit grüner Regierungsbeteiligung haben wir in dieser Legislatur die mangelhafte Versorgungs- und Forschungslage auf die politische Agenda gesetzt und bereits entscheidende Verbesserungen eingeleitet. Nicht zuletzt hat ME/CFS als eines von ganz wenigen Krankheitsbildern erstmals auch explizit Eingang in unseren Koalitionsvertrag gefunden.
Die Tabelle, die bestimmte Diagnosen und Beeinträchtigungen bestimmte "Grade der Behinderung" (GdB) zuordnet, ist eine Anlage zur Versorgungsmedizinverordnung. Diese Verordnung wird von der Bundesregierung beschlossen und bei Bedarf geändert. Beteiligt ist der Bundesrat, aber nicht der Bundestag. Die Tabelle mit den GdB wird von einem unabhängigen Beirat aus Wissenschaftler*innen regelmäßig überarbeitet. Dabei sollen ausschließlich wissenschaftliche Gründe eine Rolle spielen, nicht politische.
In der aktuellen Version der Tabelle gibt es zwar keine ausdrückliche Zuordnung bestimmter GdB-Werte für ME/CFS. Es ist aber unter Nummer 18.4 erwähnt, dass die Auswirkungen dieser Erkrankung jeweils im Einzelfall beurteilt werden soll.
Der Bundestag hat letztes Jahr eine Änderung im Sozialgesetzbuch IX beschlossen, mit der der für die Überarbeitung der GdB-Tabelle zuständige Beirat vielfältiger zusammengesetzt wird. Neben Mediziner*innen sind jetzt auch Vertreter*innen anderer Fachrichtungen vertreten. Wir freuen uns, dass dadurch ein umfassenderer Blick auf die Situation der Menschen erfolgt.
Wir verstehen, dass Sie sich eine ausdrückliche, klare und einfache Zuordnung wünschen, bei den meisten Beeinträchtigungen ist die Vielfalt der Ausprägungen und Ausprägungen allerdings zu groß dafür.
Unser Einsatz für die Betroffenen wurde in den aktuellen Haushaltsberatungen deutlich: Wir konnten erreichen, dass im Forschungshaushalt und im Gesundheitshaushalt deutlich mehr Geld für die Erforschung von Long-Covid und dem chronischen Fatigue Syndrom (ME/CFS) zur Verfügung gestellt wird. Insgesamt stellt die Ampel-Koalition jetzt mehr als 200 Millionen Euro für die nächsten Jahre bereit, damit die Krankheitsbilder so schnell wie möglich behandelbar werden.
Für weitere Fragen zu dem Themengebiet steht Ihnen auch meine Kollegin Linda Heitmann zu Verfügung, die das Thema fachlich bearbeitet.
Mit beste Grüßen
Andreas Audretsch